Klangreisen durch die Schweiz um 1800

Zwei Ausstellungen in Luzern und Bern enthüllen das reiche Musikleben beider Städte – verankert in lokalen Quellen, vernetzt mit anderen Teilen der Schweiz und Europa.

Die Musikgeschichte der Schweiz im 18. und frühen 19. Jahrhundert, geprägt durch das aufkommende städtische Konzertwesen, ein musikbegeistertes Bürgertum sowie viele weitere AkteurInnen, ist bislang nur einer kleinen Gruppe von SpezialistInnen bekannt. Um dieser Forschungslücke entgegenzuwirken und die lokale Musikgeschichte einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, fördert der Schweizerische Nationalfonds im Rahmen eines Agora-Projekts den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Ziel des Projekts ist es, aktuelle musikwissenschaftliche Erkenntnisse auf innovative Weise einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Das an der Hochschule der Künste Bern (Projektleitung: Claudio Bacciagaluppi) und der Universität Genf (Mitgesuchsteller: Christoph Riedo) verankerte Vorhaben hat bereits zwei Ausstellungen realisiert (im Historischen Museum Basel und in der Zentralbibliothek Zürich) sowie eine Vielzahl von Workshops angeboten – darunter spezifische Formate für Schulklassen unter der Leitung der Musikvermittlerin Irena Müller-Brozović. Bevor das Vermittlungsprojekt im Juli 2025 seinen Abschluss findet, werden nochmals zwei Ausstellungen präsentiert, die frische Einblicke in das reiche musikalische Erbe der Schweiz bieten.

Lukas Sarasin

Sowohl die Luzerner als auch die Berner Ausstellung rücken das lokale Musikleben in einen gesamtschweizerischen Kontext. Beide folgen dem Leitgedanken «Vom Musikzimmer in den Konzertsaal», der die zwei zentralen und eng verknüpften Pole des eidgenössischen Musiklebens betont: das häusliche Musizieren und das aufkommende Konzertwesen. Diese Verbindung wird in beiden Ausstellungen durch den Basler Musikliebhaber Lukas Sarasin (1730–1802) exemplarisch veranschaulicht. Als passionierter Musikliebhaber und engagierter Sammler verbrachte Sarasin unzählige Stunden in seinem Musikzimmer, wo er eifrig Geige und Kontrabass übte. Gleichzeitig wirkte er als Mitglied des Basler Collegium Musicum an öffentlichen Konzerten mit und verband so in idealtypischer Weise die Intimität des häuslichen Musizierens mit dem gesellschaftlichen Ereignis des öffentlichen Konzertwesens. Seine über 1300 Kompositionen umfassende Musikbibliothek wird im Rahmen des SNF-Projekts von Roberto Scoccimarro erstmals rekonstruiert und ab Sommer 2025 auf der Projektwebseite sowie RISM Online zugänglich sein.

Luzern

In der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern (Standort Sempacherstrasse) werden ausgewählte Dokumente aus dem eigenen Bestand präsentiert. Dazu gehören kostbare Musikalien der 1806 gegründeten Theater- und Musikliebhaber-Gesellschaft, einer Vorgängerinstitution des heutigen Luzerner Sinfonieorchesters. Ihr umfangreicher Katalog veranschaulicht das damals vielfältige internationale Repertoire und enthält ebenso detaillierte Instrumentenlisten. Weitere Themenschwerpunkte der Ausstellung sind die in Luzern wirkenden Komponisten Joseph Franz Xaver Dominik Stalder (1725–1765), Franz Xaver Leonti Meyer von Schauensee (1720–1789) und der aus der Oberpfalz stammende Jesuit Constantin Reindl (1738–1799). Zudem stehen die Kammermusik sowie einige in Luzern komponierte und aufgeführte musiktheatrale Werke (Singspiele, Pantomimen, Opern) im Mittelpunkt.

Bern

Musikliebhaber wie Sarasin gab es in der ganzen Schweiz viele. In der Ausstellung im Klingenden Museum Bern stehen mit Gabriel Emanuel von May (1741–1836) und Karl Friedrich von Steiger (1754–1841) zwei herausragende Beispiele im Fokus. Von Steiger war ein begeisterter Musikdilettant mit einer beachtlichen Musikbibliothek und veranstaltete exklusive Konzerte für geladene Gäste. Anhand von von Steigers Sammlung wird zudem sein Verhältnis zu Musiklehrern und seine Vorliebe für Flötenmusik dargestellt. Ergänzend können BesucherInnen über bereitgestellte Tablets kurze Videofilme ansehen, Musik hören oder vertiefende Informationen abrufen. Die Ausstellung «Vom Musikzimmer in den Konzertsaal» ist im Klingenden Museum bis März 2026 zu erleben.

 

Informationen zu den Ausstellungen

Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern (Standort Sempacherstrasse): 28. März – 4. Juli 2025. Öffnungszeiten: Montag – Sonntag 08:00 – 20:00, gratis.

Klingendes Museum Bern: 7. Mai 2025 – März 2026

Öffnungszeiten: Mittwoch – Samstag 14:00 – 17:00, Sonntag 11:00 – 17:00, Eintritt: 12/5 CHF

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