Respektbezeugung für Mendelssohn

Das Cellokonzert Nr. 1 d-Moll von Joachim Raff ist eine Hommage an das grosse Vorbild und bietet eine eine reiche Palette an musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten.

Josef Joachim Raff. Stich von August Wegner. Gallica

Cellistinnen und Cellisten mögen manchmal etwas neidisch auf die Violinliteratur blicken. Natürlich besitzt die Celloliteratur das tiefgründige Konzert in a-Moll von Robert Schumann. Aber enthält sie auch ein «Herzensjuwel», wie Joseph Joachim 1906 das Violinkonzert in e-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy bezeichnete?

Zumindest das Cellokonzert Nr. 1 d-Moll op. 193 (1874) von Joachim Raff schliesst diese vermeintliche Lücke teilweise. Mendelssohns Opus 64 hat dafür eindeutig Pate gestanden. Der leidenschaftliche Einsatz des Soloinstruments nach zwei Takten Orchestereinleitung zu Beginn, die brillante Kadenz am Ende des ersten Satzes, der fliessende Übergang in den 2. Satz, der ebenfalls im 6/8-Metrum steht, das spritzige Rondo-Thema des 3. Satzes: all dies sind Elemente, in denen sich das grosse Vorbild hörbar widerspiegelt. Dazu lässt Raff im 3. Satz augenzwinkernd noch Paganinis Dauerbrenner Moto perpetuo op. 11 aufblitzen.

Die zeitgenössischen Kritiken waren überwiegend positiv. Doch im 20. Jahrhundert wurde die Nähe dieses Opus zu Mendelssohns Violinkonzert teilweise als unoriginell kritisiert. Zu Unrecht! Raffs Friedrich Grützmacher gewidmetes erstes Cellokonzert ist eine tiefe Respektbezeugung und überzeugende Hommage an sein grosses Vorbild und bietet den Ausführenden eine reiche Palette an musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten wie leidenschaftliche Kantilenen und brillantes Passagenwerk, die beim Publikum ihre Wirkung nicht verfehlen.

Das Konzert ist nun in einer von Jonas Kreienbühl und Andrea Wiesli redigierten kritischen Neuausgabe bei Breitkopf und Härtel erschienen.

Joachim Raff: Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 d-Moll, hg von Jonas Kreienbühl und Andrea Wiesli, Partitur, PB 5715, € 65.00, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden

 

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