Wie das Hirn verschiedene Melodien lernen kann

Johanni Brea, Walter Senn und Jean-Pascal Pfister vom Institut für Physiologie der Universität Bern schlagen im «Journal of Neuroscience» ein mathematisches Modell vor, das die sogenannte Hebb’sche Lernregel zur Programmierung von Nervenverbindungen im Hirn erweitert.

Nervenzelle unterm Mikroskop. Foto: Fanny Castets/WikiCommons,SMPV

Ausgangspunkt der Theorie der Berner Forscher ist eine Unterscheidung von Vorder- und Hintergrund-Neuronen. Die Vordergrund-Neuronen repräsentieren die Aktivierungsmuster, die durch eine Sequenz vorgegeben sind, im Falle einer Melodie durch auditive neuronale Vordergrund-Aktivität. Während sich die Sequenz in den Vordergrund-Neuronen abspielt, sind in einer anfänglich zufälligen Reihenfolge auch Hintergrund-Neuronen aktiv. Diese lernen, die Abfolge der Vordergrund-Aktivität zu unterstützen.

Nach der Hebb’schen Regel werden Verbindungen von unmittelbar nacheinander aktivierten Nervenzellen gestärkt («Fire together, wire together»). Die synaptischen Verbindungen zu den Hintergrund-Neuronen dürfen aber gerade nicht dieser Regel folgend angepasst werden, da sich sonst die zunächst zufälligen und womöglich falschen Abfolgen in den Hintergrund-Neuronen «einbrennen».

«Gemäss unserem Modell werden die synaptischen Veränderungen durch ein Signal moduliert, das die Wirkung der Hintergrund- auf die Vordergrund-Aktivität abschätzt», erklärt Letztautor Jean-Pascal Pfister: Falls sich die aktuelle Hintergrund-Aktivität unterstützend auswirkt, wird die ursprüngliche Hebb’sche Lernregel angewandt – andernfalls wird das Vorzeichen der Lernregel umgekehrt und die Verbindung von sequenziell aktivierten Neuronen geschwächt.

«Im Falle der Melodie bedeutet dies, dass innerhalb der Pause diejenige Hintergrund-Aktivität unterdrückt wird, die eine frühzeitige oder falsche Fortsetzung der Melodie auslösen würde», fügt Pfister hinzu.

Das Modell der Berner Forschenden macht experimentell direkt testbare Voraussagen. Wie genau übergeordnete Signal die synaptischen Verbindungen anpassen, könne dadurch experimentell festgestellt werden, so Pfister weiter.

Originalartikel:
Johanni Brea, Walter Senn und Jean-Pascal Pfister: Matching storage and recall in sequence learning with spiking neural networks. The Journal of Neuroscience, June, 5 June 2013, 33(23): 9565-9575; doi: 10.1523/​JNEUROSCI.4098-12.2013
 

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