Bauen war immer

Der Neubau einer Musik-hochschule ist hochspannend und anspruchsvoll. Man muss das Gebäude nicht nur denken, sondern auch hören. Einblicke in die Entstehungs-prozesse von Räumen an den Schweizer Musikhochschulen.

Stephan Schmidt — An zwei Orten, mitten in der Altstadt Basels, ist während der letzten Jahrzehnte eine Art institutionelles Gesamtkunstwerk für musikalische Bildung entstanden. Seit der Grundsteinlegung im Jahr 1903 mit dem Neubau des Hauptgebäudes und des grossen Saals an der Leonhardsstrasse wurde kontinuierlich weiter verbessert, umgebaut, wurden neue Gebäude hinzugewonnen, Nutzungskonzepte immer wieder verändert und optimiert. Pflege, Weiterentwicklung und Ausbau folgten dabei stets dem für alle Beteiligten gleichermassen gültigen Streben nach ständiger Verbesserung und zeitgemässer Qualität. Da sich die Musik selbst, die Bedingungen für ihre Produktion und Vermittlung, die Anforderungen an die Aufführungspraxis und damit einhergehend die Strukturen der Ausbildung und Vermittlung ständig ändern, sind bauliche Veränderungen immer auch begleitende Zeichen dieses kontinuierlichen inhaltlichen Wandels: Die Eröffnung der Vera Oeri-Bibliothek (2010), des Jazzcampus (2014) sowie der Umbau des Grossen Saals (2017) waren wichtige Meilensteine der institutionellen Entwicklung und Zeichen dafür, dass den vielfältigen Bedürfnissen und Anforderungen von Musikschulen, Instituten und Musikhochschulen in den Bereichen Lehre, Forschung und öffentliche Veranstaltungen gleichermassen Raum und Gewicht gegeben wird. Mit ca. 1000 gut besuchten Veranstaltungen pro Jahr und der zentralen Lage mitten in der Stadt gehört die Musik-Akademie Basel auch zu den wichtigsten Kulturträgern Basels.

Stephan Schmidt

… ist Direktor der Musik-Akadmie Basel und der Musikhochschulen FHNW

Xavier Bouvier — Projet majeur pour l’art musical en Suisse romande, la Cité de la Musique de Genève entre dans sa phase de projet définitif. Sélectionné à l’issue d’un concours d’architecture international, le projet Résonances des architectes Pierre-Alain Dupraz et Gonçalo Byrne sera mis en œuvre à l’horizon 2024, date prévue de l’ouverture de cette ambitieuse et généreuse infrastructure. À l’instar de nombreuses structures similaires d’autres villes (Helsinki, La Haye, Londres, etc.) la Cité regroupera en un seul lieu des infrastructures de production et d’enseignement. Son programme de salles publiques se décline principalement en une salle symphonique de 1750 places – dédiée à l’Orchestre de la Suisse Romande et à des orchestres invités – un grand studio, et une salle expérimentale « blackbox ». Largement ouvert au public, le bâtiment comprendra également une bibliothèque, des espaces de restauration et de médiation, et l’ensemble du programme de salles d’enseignement de la Haute école de musique de Genève. La cohabitation dans un même lieu des musiciens professionnels de l’OSR et d’autres ensembles genevois, et des professeurs et étudiants de la Haute école de musique sera facteur de dynamisme et d’émulation.

«Pôle culturel ouvert à tous les publics, à toutes les générations, créatif, onirique et stimulant l’imagination » selon la philosophie du projet, la Cité de la Musique amènera à Genève un développement majeur en terme d’urbanisme culturel. Historiquement, le pôle musical genevois s’est constitué au milieu du 19e siècle autour de la Place Neuve, avec les constructions emblématiques et ambitieuses du Conservatoire de musique (1855), du Grand-Théâtre (1876), et du Victoria Hall (1894). Ce pôle historique sera amené à entrer en résonance avec un nouveau lieu, sur la Place des Nations, au cœur même de la Genève internationale. Cette implantation ouvre des perspectives nouvelles pour les musiciens, mais également pour l’Organisation des Nations Unies : lieu de nombreuses manifestations de diplomatie de la culture, l’institution a immédiatement manifesté son intérêt pour une telle grande infrastructure culturelle à ses portes. Ecrin emblématique des pratiques musicales classiques et contemporaines, la Cité s’ouvrira ainsi à d’autres cultures musicales, se déployant dans un double espace de pratiques musicales : historiques et contemporaines, porteuses de tradition et ouvertes aux cultures.

Xavier Bouvier

… est coordinateur de l’enseignement à la HEM Genève.

Steff Rohrbach — Seit September 2014 findet die Basler Jazzausbildung im neuen Jazzcampus an der Utengasse statt. Ein Ort, der weltweit seinesgleichen sucht und der sich mit seinen idealen infrastrukturellen Möglichkeiten zum Kompetenzzentrum und Gravitationsort für den Jazz entwickelt. Wer den Jazzcampus erstmals betritt, mag zuerst etwas irritiert um sich blicken. Die Erwartung eines modernen Bauwerks wird nicht unbedingt auf Anhieb befriedigt, denn die verschiedenen Gebäude wirken fast, als stünden sie schon immer hier. Auf den zweiten Blick offenbaren sich eine überraschende Sprache und eine architektonische Haltung, die wir nicht gewohnt sind. Schon der Innenhof mit seinem Kamin, die Fassaden ringsherum mit ihren Erkern, und erst recht dann die Räumlichkeiten überzeugen uns schnell, dass hier eine ganz auf die Bedürfnisse der Jazzausbildung ausgerichtete Architektur etwas ermöglicht hat, das es so anderswo nicht gibt. Entstanden ist ein Gebäudeensemble, das bezüglich Akustik und Raumklang zu einem eigentlichen Referenzobjekt geworden ist. Ganz auf die Vorstellungen und Bedürfnisse heutiger Musikerinnen und Musiker bauend, haben Akustiker und Architekten von allem Anfang an zusammengearbeitet und dadurch akustisch notwendige Elemente in die architektonische Raumgestaltung integriert. Entstanden sind 49 Musikräume unterschiedlichster Grössen von kleinen Labs über Unterrichtsstudios bis zu Ensembleräumen mit fast durchwegs separater Luftzufuhr (keine Schallübertragung) und speziell entwickeltem, atmosphärisch veränderbarem Licht.

Steff Rohrbach

… verantwortet Kommunikation & Projekte an der Hochschule für Musik Basel, Jazzcampus

Marco Castellano — Am Standort der ehemaligen Grossmolkerei bot sich die einmalige Chance, erstmals die unterschiedlichen Disziplinen der ZHdK mit zahlreichen Ausstellungs- und Aufführungsorten unter einem Dach zu vereinen. Die Toni-Molkerei im Entwicklungsgebiet Zürich-West war im Bewusstsein der Bevölkerung als Produktions- und anschliessend als Kulturort bereits gut verankert. Die grösste Herausforderung bestand darin, die vielfältigen und komplexen Bauaufgaben, die sich aus den unterschiedlichsten Nutzungen unter einem Dach ergeben, zu realisieren. Die Traglast der alten Molkerei war begrenzt, so dass sämtliche Raumstrukturen (Musikunterrichtsräume, Konzertsäle, Tonstudios) nur mit Leichtbaukonstruktionen realisiert werden konnten, was in akustischer Hinsicht eine Herausforderung war. Im Vorfeld haben entlang den unterschiedlichen Disziplinen Vertretungen in Arbeitsgruppen Anforderungen an das Projekt definiert und den ganzen Prozess begleitet. Mit Repräsentanten von Musik, Film und Theater wurden beispielsweise von Beginn an die akustischen Anforderungen an die Räume sauber definiert und während des ganzen Realisierungsprozesses überprüft und angepasst. So unterscheiden sich die drei Konzert- und zwei Kammermusiksäle von den Anforderungen nicht nur in akustischer Hinsicht. In engem Dialog mit dem Akustikplaner haben die Architekten jedem Saal seine unverwechselbare Gestalt und Identität gegeben, die stark den Bau prägen, aber so, dass die Säle dennoch weit möglichst unterschiedlich flexibel genutzt werden können.

Marco Castellano

… ist Leiter Raum Bau an der ZHdK

Michael Kaufmann — Der Planungsstart zum Neubau der Hochschule Luzern – Musik erfolgte mit dem Landkauf im Jahr 2012. Zwei Jahre später wurde aus dem Architektur- und Planungswettbewerb das Siegerprojekt erkoren, worauf eine einjährige Phase der Optimierungen und finanziellen Anpassungen des Vorprojekts folgte. Im Frühjahr 2016 kam die Baubewilligung, im November 2016 der Baustart für das 80-Millionen-Projekt. Die gute Botschaft nach über drei Jahren Bauzeit: Die Hochschule Luzern – Musik kann im Sommer 2020 definitiv an den Standort «Südpol» am Rande der Stadt Luzern umziehen. Mitten hinein in das Stadtentwicklungsgebiet «Luzern-Süd» und in die direkte Nachbarschaft zum bereits bestehenden Südpolgebäude, das die städtische Musikschule Luzern, die Proberäume des Theater Luzern und des Luzerner Sinfonieorchesters sowie das alternative Kulturzentrum Südpol beherbergt. Damit entsteht auf dem Platz Luzern ein neuer und attraktiver «Kulturpol», schon jetzt «Kampus Südpol» genannt.

Das Ohr baut mit

Die klar wichtigsten Herausforderungen für die Architektur, für uns Nutzer und für alle Beteiligten sind jedoch die Fragestellungen rund um den Schallschutz und die Akustik: Beides sind planerisch und physikalisch hochkomplexe Themen, und letztlich wird das neue Gebäude in erster Linie genau an diesen Kriterien gemessen. Die wichtigsten Aspekte seien hier zusammengefasst und als Erfahrung weitergegeben:

• Akustikexperten von Anfang an dabeihaben: Unabdingbar ist der Einbezug der Akustikexperten beim Planungsstart. Sowohl Schalldämmung als auch Akustik für alle Raumkategorien sind bereits bei der Ausschreibung zum Architekturwettbewerb festzulegen.

• Erfahrungen von extern berücksichtigen: Zu empfehlen ist der Besuch von Konzertsälen und Musikhochschulen im In- und Ausland. Nur so kann man Erfahrungen anderer miteinfliessen lassen und unterschiedliche Konzepte miteinander vergleichen.

• Schalldämmung von A bis Z durchkomponieren: Die Gewährleistung einer absolut reduzierten Schallübertragung durch entsprechende bau- und konstruktionstechnische Massnahmen ist zentral. Dabei sind für Konzertsäle, Schlagzeugräume und Ensembleräume Box-in-Box-Konstruktionen vorzusehen. Meist sind diese gegenüber der Bauherrschaft zu erkämpfen, da sie erhebliche Mehrkosten mit sich bringen. Ebenso wichtig ist aufgrund der Standards auch die Festlegung von Schalldämmstufen für alle Raumkategorien, nur so ist während der Bauzeit auch eine Qualitätskontrolle möglich.

• Für Unterrichtsräume mit Standardakustik sind Musterräume zu empfehlen: Musikunterricht findet tagtäglich statt. Deshalb ist die Erstellung akustisch hochstehender Räume für alle Instrumentalgruppen – und damit auch der Einsatz flexibler Materialien wie Vorhänge, Teppiche, Panels usw. – wohl einer der anspruchsvollsten Aufgaben überhaupt. Wir haben uns in Luzern schon vor zwei Jahren für die Erstellung eines «Musterraums» entschieden, der in zwei Phasen durch das hochkomplexe Anbringen von differenzierten Panels und Reflexionsflächen optimiert wurde. Der grosse Vorteil dabei: Die Nutzenden können durch das Bespielen des Musterraums ihre Erfahrungen einbringen und direkt zur Verbesserung des Standards beitragen. Diese Investition lohnt sich, da damit hohe Korrekturkosten am fertigen Bau (und während des Betriebs) vermieden werden.

• Konzertsäle als akustische «Leuchttürme»: Zu guter Letzt ist auch das Erstellen akustisch vorzüglicher Konzert- und Clubräume wichtig, da nur so der «Wert» öffentlich bespielbarere Konzertorte entsteht. Hier sollten Kompromisse vermieden werden. Stattdessen lohnt sich der Beizug von weiteren Experten, die Akustiksimulation sowie der Einsatz der geeignetsten Materialien und die klare Fokussierung auf das, was man hören will. Wir setzen in Luzern bewusst auf einen hochstehenden Kammermusiksaal, der genau in diesem Aufführungssegment die optimale Akustik liefern soll.

Beim Bau einer öffentlichen Musikhochschule soll mit den finanziellen Mitteln sorgfältig umgegangen werden. Sparübungen bei Schall und Akustik sind jedoch fehl am Platz. Hier ist auf Perfektion und eine qualitativ hochstehende Ausführung zu setzen. Wenn man dafür bei der Ausgestaltung der übrigen Räume und beim Einbaustandard etwas zurückhaltender agiert, lässt sich eine Budgetbalance durchaus erzielen. Wir haben dies in Luzern mit dem Charakter einer «Musikwerkstatt» versucht.

Michael Kaufmann

… ist Direktor Hochschule Luzern – Musik.

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