Neuer Direktor in Luzern

Valentin Gloor ist seit dem 1. September 2019 der neue Direktor des Departements Musik der Hochschule Luzern. Im hier folgenden Gespräch gibt er Einblicke in seine Sicht auf den Musikplatz Schweiz.

MvO — Die Schweizer Musikhochschullandschaft ist Valentin Gloor bestens bekannt. Er war vor seiner Tätigkeit am Konservatorium Winterthur u.a. Gründungsrektor des Departements Musik sowie später Mitglied des Fachhochschulrats der Kalaidos Fachhochschule Schweiz.

Valentin Gloor, wie sehen Sie die aktuelle Schweizer Musikhochschul-Szene?

Da sind hochprofessionelle Institutionen am Werk! Sie haben es geschafft, über die letzten zwanzig Jahre im grossen Wandel hin zu Fachhochschulen das Bild von Musikausbildungen, die Inhalte und die Profile stetig weiterzuentwickeln. Und das Berufsfeld selbst steht ebenfalls im Wandel – auch diese Aspekte wurden in die Studiengänge integriert, und durch die Ausbildungen wird der «Markt» mitgestaltet. Der vierfache Leistungsauftrag von Ausbildung, Weiterbildung, Forschung und Dienstleistungen hat sicher dazu beigetragen, dass wir heute diesen grossen Facettenreichtum an Perspektiven sehen. Und dann handelt es sich ja auch noch um ein Feld mit starken internationalen Beziehungen. Ich nehme diese «Szene» als lebendig, vielfältig und lernhungrig wahr.

Wo warten die grössten Heraus-forderungen in diesem Markt?

Dieser «Markt» war doch schon immer sehr anspruchsvoll, was die berufliche Etablierung betrifft. Da wird von Absolventinnen und Absolventen über die künstlerische oder pädagogische Kompetenz hinaus ein enormer Effort in der eigenen Profilierung und Positionierung verlangt. Und die gesellschaftlichen Entwicklungen hinsichtlich Demographie, Migration, Bildungsansprüchen, Digitalisierung – bitte entschuldigen Sie diese Schlagworte! – werden die Berufsrealität von Musikerinnen und Musikern in den nächsten zwanzig Jahren sicher stark verändern, und zwar die künstlerische und die pädagogische. Wie gelingt es den Musikhochschulen, solche Entwicklungen vorauszudenken, um sie in die Ausbildungen der Zukunft zu integrieren?

Sie haben eine sehr vielfältige Vita, welche vom praktischen Musizieren, über Forschungstätigkeit bis zu Managementaufgaben geht. Wie werden Sie diese Interessen in Zukunft bündeln?

Auf eine Vielfalt von Tätigkeiten und Interessengebieten stosse ich eigentlich immer, wenn ich mit Menschen spreche, die in der musikalischen Bildung Leitungsaufgaben erfüllen. Die Vielfalt scheint eine normale Voraussetzung zu sein. Sie spiegelt ja auch die berufliche Realität von Musikerinnen und Musikern: Künstlerisches Schaffen, Vermitteln von Musik in vielen Facetten, Organisation, Konzeption, Projektleitung… die ganze Bandbreite wird von den meisten Musikerinnen und Musikern gelebt. Die Leitungsfunktion einer Musikhochschule beinhaltet all diese Stränge. Manchmal sind sie aber «transponiert»: Das künstlerische Tun übersetzt sich vielleicht in Aspekte von Kreativität, Präsenz und Performance…es wäre spannend, vertieft darüber nachzudenken. Jedenfalls bündelt diese Aufgabe meine Interessen eigentlich schon per se.

Bleibt da auch noch Zeit für eigenes, kreatives Schaffen?

Als transponierte Tätigkeit im vorher erwähnten Sinne: Ja, garantiert! Im herkömmlichen Sinne verstanden: Ich hoffe es und arbeite daran.

Welche Bedeutung messen Sie der Forschungstätigkeit an den Schweizer Musikhochschulen bei?

Eine zentrale! Für das Verständnis dessen, was wir tun, wer wir sind, wo wir stehen und wohin wir uns bewegen, ist die Forschung unverzichtbar. Wie schaffen wir es, die Forschung als Feld, aber auch die «forschende Geisteshaltung» in unsere Aus- und Weiterbildungen zu integrieren? Das ist für mich eine grosse Frage.

Als Direktor der Hochschule Luzern – Musik nehmen Sie nun auch Einsitz in der KMHS (Konferenz Musikhoch-schulen Schweiz). Was sind aus Ihrer Sicht die Chancen und Möglichkeiten dieses Gremiums?

Die KMHS bündelt die Interessen von Institutionen, die zugleich miteinander kooperieren und zueinander im Wettbewerb stehen. Das ist hoch anspruchsvoll! Wenn der branchenpolitische Balanceakt aber gelingt, hat die KMHS ein grosses Potential, zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in der musikalischen Bildung und Ausbildung, aber auch im Berufsfeld Musik beizutragen. Ich glaube, dass sie dies idealerweise mit starken Partnern zusammen tut.

Die KMHS hat sich kürzlich auch zur Kulturbotschaft des Bundesrates geäussert (s. September-Ausgabe der Schweizer Musikzeitung). Was ist Ihre persönliche Haltung zu dieser Botschaft?

Diese Kulturbotschaft berührt ein Herzensanliegen von mir – ich hoffe, ein Herzensanliegen von uns allen! Denn es geht um Nachwuchsförderung und um kulturelle Teilhabe. Die neue Kulturbotschaft ist ein wichtiger weiterer Schritt auf dem Weg zu einer vollständigen Umsetzung des Bundesverfassungsartikels 67a. Ein weiter Weg. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass über 70% der Schweizer Stimmbevölkerung dem Verfassungsartikel zur musikalischen Bildung zugestimmt haben. Über 70%! Das ist Ausdruck eines kraftvollen Auftrags an die Politik. Ein erster Schritt, gerade hinsichtlich Breitenförderung, wurde in der Botschaft 2016-19 gemacht. Das ist gut. Und diese neue Kulturbotschaft bringt das Potential mit, die Schweiz im Bereich der musika-lischen Talentförderung einen grossen Schritt voranzubringen und die wichtige Partnerschaft von Bildungsinstitutionen wie Musikschulen und Musikhochschulen weiter zu stärken. Aber im Bereich eines allgemeinen Zugangs aller Kinder und Jugendlichen zur musikalischen Bildung und im Bereich der schulischen Musikbildung, da wartet noch viel Arbeit auf uns zur Verbesserung der Rahmenbedingungen. Und die Kulturbotschaft 21-24 ist noch nicht im Trockenen. Wir müssen dranbleiben!

Die Politik oder der politische Einfluss auch im Bereich der Musikhochschulen dürfen nicht unterschätzt werden. Wie nehmen Sie diese Situation in der Schweiz wahr?

Wenn Politik gesellschaftliches Aushandeln von relevanten Themen und Positionen ist, kann ich damit gut leben. Wir sind ja davon überzeugt, dass das, was wir an Musikhochschulen tun, gesellschaftlich wichtig ist. Und wenn es wirklich gesellschaftlich wichtig ist, werden gesellschaftliche Ansprüche daran formuliert – zu einem guten Teil via Politik.

Luzern hat ein vielfältiges Kulturleben – wo möchten Sie da in Zukunft Ihre Musikhoch- schule am liebsten positionieren?

Die Hochschule Luzern – Musik ist bereits in diesem Kulturleben positioniert, ist ein wichtiger Teil davon. Natürlich ist es meine Aufgabe und mein Ziel, die bestehenden Partnerschaften zu pflegen, zu erweitern und neue Partnerschaften einzugehen. Aber es ist wichtig zu sehen, welch hervorragende Arbeit hier bereits geleistet wurde. Ich nehme diese Positionierung im Kulturleben als sehr überzeugend wahr.

Die Arbeiten sind im Plan, dank dem enormen Engagement meines Vorgängers Michael Kaufmann und dank dem Einsatz der vielen Beteiligten in Arbeitsgruppen, Projektleitungen und in der Ausführung. Die Eröffnung wird im Sommer 2020 über die Bühne gehen. Und uns erwartet als Musikhochschule eine ganz neue Situation. Wir ziehen zusammen, wir rücken zusammen. Es ist ein konsequenter Schritt in einem langen Prozess – mehrere Institutionen mit langer Geschichte, Tradition und mit eigener Kultur haben sich in unserer Musikhochschule zusammengefunden. Nun finden wir uns zu neuer Kultur zusammen. Wir werden uns alle viel mehr begegnen. Das wird uns zu neuen Ideen, neuen Projekten, neuen Sichten inspirieren. Wir wer-den uns weiter vorwärts bewegen. Das wäre mein Wunsch. Es wird ein pulsierender Musikort entstehen – wir sind ja am Südpol in Kriens einge- bettet in einen grossartigen Campus: Luzerner Sinfonieorchester, Veranstaltungsort Südpol mit der freien Szene, Luzerner Theater, Musik- schule – und eben Musikhoch- schule. Alles zusammen. Wir werden uns also intern in eine intensivere, inspirierende Zusammenarbeit begeben – aber auch mit Partnern.

Die Hochschule Luzern – Musik bietet eine musikalisch-künstlerische Aus- und Weiterbildung mitten im lebendigen kulturellen Umfeld der Musikstadt Luzern. Die Studierenden profitieren von einem flexiblen Ausbildungssystem, welches individuelle Zielsetzungen und einen grossen Spielraum in der Fächerkombination zulässt. Konzert- und Bühnenpraxis sind dabei von Anfang an wichtige Bestandteile der Ausbildung: Die zahlreichen Ensembles der Hochschule und die regelmässige Kooperation mit dem Luzerner Theater, dem Luzerner Sinfonieorchester, der Lucerne Festival Academy, den Jazzfestivals Willisau und Schaffhausen oder der Jazzkantine Luzern bieten dafür ein praxisnahes und abwechslungsreiches Umfeld.

Das breitgefächerte Bachelor- und Master-Studienangebot umfasst die Bereiche Klassik, Jazz, Kirchen- und Volksmusik, Dirigieren, Blasmusikdirektion, Komposition, Theorie sowie Musikpädagogik und Musik & Bewegung. Ergänzend kommt das PreCollege hinzu. Darüber hinaus bietet die Hochschule Luzern – Musik zahlreiche CAS-, DAS- und MAS-Programme sowie individuelle Kurse, Workshops und Akademien zur Weiterqualifikation an.

In den beiden Kompetenzzentren CC Music Performance Research und CC Forschung Musikpädagogik erforscht das Departement Musik Aspekte der Musikproduktion und -rezeption sowie der Musikausbildung und des Konsums von Musik.

Auf das Studienjahr 2020/21 bezieht die Hochschule Luzern – Musik den Neubau im Süden von Luzern. Dieser vereint sämtliche Institute, eine öffentliche Bibliothek, Forschungs-, Unterrichts- sowie Veranstaltungsräume unter einem Dach. Unter anderem verfügt der Neubau über einen eigenen Kammermusiksaal, einen Jazzclub sowie eine multifunktional einsetzbare Blackbox. Dank der durchmischten Nutzung wird ein offener, lebendiger Arbeits- und Begegnungsort für Studierende, Mitarbeitende, Partner und ein musikinteressiertes Publikum geschaffen.

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