Die Wichtigkeit der Solidarität

Während sich der SMV darauf vorbereitet, den 23. Kongress der FIM im Juni in Genf auszurichten, finden Sie hier eine Zusammenfassung einiger besonders wichtiger Themen der letztjährigen Internationalen Orchesterkonferenz.

Vom 23. bis 26. Oktober des letzten Jahres fand im schwedischen Malmö die 5. Internationale Orchesterkonferenz (IOC) statt, die von der Internationalen Musikerföderation (FIM) veranstaltet wurde, zu deren Gründungsmitgliedern der Schweizerische Musikerverband gehört. Zu den Redner*innen gehörten übrigens auch zwei Mitglieder des SMV: der Zentralsekretär Beat Santschi, der auch Vize-Präsident der FIM ist, moderierte ein Panel «Für Solidarität im Orchester und auf internationaler Ebene sorgen: eine gewerkschaftliche Strategie», während die Gewerkschaftssekretärin Jessica Frossard an einem Panel mit der Thematik «Freiberufliche Musiker*innen im Orchester: derselbe Beruf, damit dieselben Rechte?» teilnahm. Bei dieser Gelegenheit konnte sie den Schleier über der Kluft zwischen freischaffenden und festangestellten Musiker*innen lüften. Letztere erreichen aufgrund der kurzen Dauer ihrer Engagements selten die in der Schweiz notwendigen Schwellenwerte, die für die Eröffnung von Ansprüchen auf Sozialleistungen erforderlich sind: Krankenstand, Rente (BVG) oder Mutterschaftsurlaub. Ausserdem konnte sie auch die Probleme darlegen, die sich aus zwei Massnahmen zum Schutz schwangerer Frauen ergeben, die mit dem Wesen des Berufs der Orchestermusikerin unvereinbar sind. In der Verordnung des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung über gefährliche und beschwerliche Arbeiten bei Schwangerschaft und Mutterschaft heisst es im Artikel 11, dass «Schwangere an Arbeitsplätzen mit einem Schalldruckpegel von ≥85 dB(A) [bei einer durchschnittlichen täglichen Belastung von acht Stunden] nicht beschäftigt werden dürfen», während der Artikel 35a des Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel bestimmt, dass «schwangere Frauen ab der 8. Woche vor der Niederkunft zwischen 20 Uhr und 6 Uhr nicht beschäftigt werden dürfen». Die Einhaltung dieser Maßnahmen führt zu einem Arbeitsverbot. Während bei festangestellten Arbeitnehmer*innen der Arbeitgeber für angemessene Arbeitsbedingungen sorgen oder den Einkommensverlust ausgleichen muss, werden schwangere freiberufliche Musikerinnen einfach nicht mehr eingestellt, was de facto zu einer Diskriminierung führt. Auf Initiative des SMV und weiterer Gewerkschaften und mit der Unterstützung des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes wurde im Parlament eine Motion zu diesem Thema eingebracht (siehe unsere Ausgabe von Dezember 2024).

Das Konferenzprogramm war umfangreich und bot die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen, Bedenken zu äussern oder Initiativen bekannt zu machen. Die Teilnehmer*innen befassten sich mit einer Reihe spannender und wichtiger Themen, die für Musiker*innen in Symphonie- oder Opernorchestern von Bedeutung sind, von den Arbeitsbedingungen über Gesundheitsprävention bis hin zu Umweltfragen und internationaler Solidarität. So wurden beispielsweise verschiedene Probleme im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben diskutiert, wie z. B. die Diskriminierung von Müttern oder Personen, die Kinder und ältere oder behinderte Angehörige betreuen. Während ältere Musiker*innen ein Recht auf mehr Freizeit haben sollten (einige Orchester bieten Teil- oder Vorruhestandspläne an, die ihren besonderen Bedürfnissen gerecht werden können) und die neuen Generationen tendenziell höhere Erwartungen oder Ansprüche an die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben haben, verschlechtert übermäßiger Stress jedenfalls die Qualität der Arbeit und kann das Privatleben beeinträchtigen. Während die Erweiterung des Repertoires auf andere Genres (Filmmusik oder Epic Music zum Beispiel) zwar neues Publikum oder neue Geldgeber anziehen kann, wurde aber auch festgehalten, dass diese Diversifizierung gut gemanagt werden muss, damit sie nicht zu einem erhöhten Druck am Arbeitsplatz führt. Es muss den Musiker*innen auch genügend Zeit gegeben werden, um sich darauf einzustellen. Das Privatleben ist auch davon betroffen, wenn unzureichende Gehälter Musiker*innen dazu zwingen, mehr als einen Job zu haben, was auf viele Freischaffende zutrifft.

Positiv ist zu vermerken, dass in Japan Musiker*innen und Zuschauer*innen ihre Kinder zum Konzert mitbringen können und diese während der Aufführung betreut werden. Ein anderes Beispiel: In Kenia war klassische Musik früher nur wenigen Privilegierten vorbehalten. Anhaltende Bemühungen, Musik und Musikerziehung zugänglicher zu machen, haben dazu geführt, dass viele Menschen mit unterschiedlichem sozialen Hintergrund Zugang zu klassischer und Orchestermusik haben, was zu einem Anstieg der Zuschauerzahlen geführt hat. Dies zeigt einmal mehr, wie wichtig eine effiziente Mediation ist, die im Vorfeld interveniert und das potenzielle Publikum erreicht

Besonders hervorgehoben wurde die Problematik der freischaffenden Zuzüger, besonders im Hinblick auf die Unterschiede zwischen ihren Rechten und denjenigen der Festangestellten. Auf globaler Ebene vertreten die Gewerkschaften die Freischaffenden wirksamer, als es in der Vergangenheit der Fall war. Auf diesem Gebiet leistete der SMV Pionierarbeit, indem er sich seit seiner Gründung 1914 für sie einsetzte (siehe die Broschüre über seine Geschichte, die zum hundertjährigen Bestehen herausgegeben wurde). Indem sie einer Gewerkschaft beitreten, haben Freischaffende Zugang zu Informationen und Mittel, um ihre Rechte durchzusetzen. Eine Podiumsdiskussion hob die fundamentale Bedeutung der Solidarität innerhalb des Orchesters und auf internationaler Ebene als Grundlage für die gewerkschaftliche Arbeit hervor. Aus diesem Grund hat sich in Deutschland der DOV in unisono umbenannt, um die Wichtigkeit der Solidarität und die Notwendigkeit, mit einer Stimme zu sprechen, zu unterstreichen. Es ist entscheidend, ein Gleichgewicht zwischen denen zu finden, die in kleinen und großen Orchestern arbeiten, oder zwischen freiberuflichen und festangestellten Musiker*innen, um sich auf eine gemeinsame Vision und gemeinsame Ziele zu konzentrieren.

Unsere Gewerkschaftssekretärin Jessica Frossard fasste ihre Eindrücke wie folgt zusammen: «Es ist eine einzigartige Erfahrung, für eine gemeinsame Sache zusammenzukommen und wesentliche Fragen mit Fachleuten zu diskutieren, die ähnliche Erfahrungen machen, aber andere Ressourcen und eine andere Kultur haben, sowohl was die politische Funktionsweise ihres Landes als auch die Mentalität in Bezug auf den Beruf und das Image jeder Gesellschaft in Bezug auf die hochkarätige Musik betrifft, die in den Berufsorchestern der von der FIM vertretenen Länder geboten wird. Die Arbeit war intensiv und der Austausch fruchtbar».

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