
Musik & Gender
Vom 13.-16.7.2016 findet am Berner Institut für Musikwissenschaft die internationale ICTM-Tagung zum Thema «Gender – Performance – Activism: Transcultural Conversations» statt. Dabei werden zahlreiche internationale ReferentInnen zu aktuellen Fragen der ethnomusikologischen Genderforschung diskutieren.
Britta Sweers — Das Berner Institut für Musikwissenschaft richtet vom 13.-16.7.2016 in Verbund mit dem Center for Global Studies der Universität Bern die ethnomusikologische Tagung Gender – Performance – Activism: Transcultural Conversations aus. Die Konferenz findet im Rahmen des im zweijährigen Rhythmus ausgerichteten Treffens der Study Group Music & Gender statt. Die Study Group ist eine Untergruppe des International Council for Traditional Music (ICTM) – der weltweit größte und international am dichtesten vernetzte wissenschaftliche Verbund für Ethnomusikologie (www.ictmusic.org). Der ICTM wurde 1947 – mit dem britischen Komponisten Ralph Vaughan Williams (1872-1958) als ersten Präsidenten – zunächst als International Folk Music Council (IFMC; ab 1981: ICTM) – von führenden internationalen Ethnomusikologen gegründet.
Die Study Group, die zu den wichtigsten Impulsgebern für die internationale ethnomusikologische Forschung zu Musik und Gender gilt, wurde 1985 von Barbara L. Hampton, Professorin am Hunter College New York, gegründet. Zentrales Ziel ist u.a. die Entwicklung eines tieferen Verständnisses der Rollen und Funktionen von Gender in verschiedenen Kulturen und Gesellschaften durch die Auseinandersetzung mit Musik und Tanz. Dadurch sollen nicht nur entsprechende Forschungslücken geschlossen, sondern auch die fachmethodische und theoretische Basis erweitert werden. Damit verbunden ist aber immer auch eine Reflexion über die Gender-Rollen innerhalb der eigenen Fachdisziplin. Die Bedeutung der Study Group wurde auch darin deutlich, dass die ethnomusikologische Publikationsdichte zu genderbezogenen Themen nach 2005 – als sich die Gruppe inoffiziell auflöste – erkennbar einbrach.
Auf der ICTM-Welttagung 2015 in Astana (Kasachstan) wurde von den Mitgliedern einstimmig beschlossen, dass das In-stitut für Musikwissenschaft die erste Tagung nach der Neugründung von 2013 ausrichten soll. Damit tagt nach langer Zeit erstmals wieder eine internationale ICTM-Study Group in der Schweiz, und Bern kann hier als Impulsgeber für die neuausgerichtete ethnomusikologische Gender-Forschung wirken.
Übergreifendes Ziel der Berner Tagung ist nicht nur die Reflexion der bisherigen genderbezogenen methodischen und theoretischen Ansätze, sondern auch mögliche Weiterentwicklungen innerhalb der ethnomusikologischen Forschung. Inhaltlicher Schwerpunkt ist dabei die Auseinandersetzung mit den Gender Studies im Kontext gegenwärtiger globaler Prozesse: Zentral sind dabei nicht nur Aspekte wie Migration, Transnationalismus, Diaspora und Fusion – die Entwicklungen werden auch im Hinblick auf Faktoren der Nachhaltigkeit untersucht (in welchen Situationen wechseln z.B. die Gender-Kontexte von Musiktraditionen?). Ein weiterer Fokus richtet sich auf die Frage nach dem Einfluss globaler Ströme auf etablierte Gender-Verhältnisse und –Präsentationen.
Als Keynote-Speakerin konnte die finnische Ethnomusikologin Pirkko Moisala gewonnen werden, die zu den Pionierinnen der ethnomusikologischen Genderforschung gehört. Der im Jahr 2000 von Moisala und Beverley Diamond (die auch auf der Tagung anwesend sein wird) herausgegebene Band Music & Gender war zentral für die Entwicklung einer umfassenden interkulturellen Wahrnehmungsperspektive.
Diese inhaltliche Breite zeigt sich auch in den anderen, fast 40 Präsentationen: Die Vorträge behandeln nicht nur die Aufführungspraktiken chinesischer Rockkünstlerinnen, Sikh-Musikerinnen und Inszenierungsstrategien von Beyoncé, sondern diskutieren auch Ansätze der Queer Studies, etwa im Kontext der nordskandinavischen Sámi-Musik. Weitere Themen – die auch das internationale Spektrum der TeilnehmerInnen reflektieren – umfassen u.a. globale Wahrnehmung der sahaurischen Sängerin Mariem Hassan, Gender-Konstruktionen in finnischer Roma-Musik, die Herausforderungen, mit denen sich Flamenco-Gitarristinnen konfrontiert sehen, die komplexe Situation homosexueller Musiker (und musikalischer Themen) in Uganda oder männliche Gender-Konstruktionen im Glam-Rock. Zugleich gibt es auch Vorträge zu Schweizer Themen, etwa zu einer jodelnden Amish-Musikerin in den USA und zu den historischen Grindelwalder Hackbrettfraueli.
Gäste sind herzlich willkommen – Tagesgäste können kostenlos vorbeischauen; wer an der gesamten Konferenz (mit Apéro; Soundscape-Führung, Konzert und Musikworkshop) teilnehmen möchte, kann sich anmelden unter http://www.musik.unibe.ch/forschung/tagungen/musicgendersymposium/index_ger.html. Hier finden sich auch weitere Informationen zur Tagung.