Nicht immer ist das Instrumentenspiel alleine Schuld

Das Instrumentenspiel belastet den Bewegungsapparat mitunter beträchtlich. Auch wenn vordergründig das Musizieren den relevantesten Belastungsanteil ausmacht, lohnen sich mitunter vertiefte Nachforschungen.


Es ist ganz natürlich, dass zum Beispiel bei einer Violinistin Schmerzen während dem Musizieren zuerst einmal dem Instrumentenspiel zugeordnet werden. Fehlerquellen gibt es da ja mehr als genügend. Kleine Abweichungen bei der Körperhaltung, bei der Modulierung der Muskelspannung oder an der heiklen Kontaktstelle zwischen Körper und Instrument haben weitreichende Folgen.


In jedem Musikeralltag gibt es aber noch andere Tätigkeiten, die den Bewegungsapparat belasten. Arbeiten am Computer oder im Garten, sportliche Aktivitäten oder Haushaltarbeit – alle diese Aktivitäten kann man achtsamer oder weniger achtsam dosieren und so können sie auch Schmerzen am Bewegungsapparat auslösen. An dieser Stelle soll deshalb von einer völlig unscheinbaren Beschwerdequelle die Rede sein: der Schlafposition.


Andauernde Schmerzen
hinterfragt


In der Sprechstunde berichtet eine Violinistin über seit Jahren bestehende Schmerzen im Nacken mit Ausstrahlungen in den rechten Arm . Störend sind die Beschwerden normalerweise nur in Phasen mit häufigen langen Proben, speziell natürlich in Verbindung mit besonders anspruchsvollen Stücken. Abklärungen und Anpassungen bezüglich Körperhaltung und Instrumentenhaltung erfolgten wiederholt. Sie wirkten sich auch positiv aus.


Im Laufe des letzten Jahres hat es immer wieder Phasen gegeben, in denen die Musikerin elektrisierende Zwicke im Arm verspürt hat. Dieses Symptom ist in den letzten zwei Wochen vermehrt aufgetreten und das ist auch der Konsultationsgrund. Hauptbefund bei der Untersuchung ist eine Kraftverminderung im Trizeps­muskel – als Ausdruck einer Beeinträchtigung der siebten zervikalen Nervenwurzel.


Die Schilderungen der Patientin enthalten keine offensichtlichen Hinweise auf eine wichtige Rolle der Schlafposition. Schmerzen die frühmorgens besonders gross sind oder auch nächtliche positionsabhängige Schmerzen könnten solche Zeichen sein. Nur die Bemerkung, dass früher noch mehr als heute der rechte Arm nachts einschläft, lenkt die Aufmerksamkeit auf den Schlaf.


Gerade bei langdauernden Beschwerden, die trotz adäquater Behandlung nicht nachhaltig bessern, erhebe ich immer die Schlafanamnese. Ich lasse mir auch häufig die eingenommenen Schlafpositionen zeigen. Das ist natürlich ein sehr unsicheres Terrain, da wir uns nachts viel mehr bewegen als wir denken. Wer kann schon darüber Auskunft geben, in welcher Position er in den Tiefschlafphasen schläft?


Unsere Violinistin hat die Gewohnheit beim Schlafen auf der rechten Seite den rechten Arm hoch zu halten und zudem den Kopf zu überstrecken. Das kann sich auf den Platz für die Nervenwurzeln beim Austritt aus dem Rückenmarkskanal negativ auswirken. Weil sie zudem nur ein ganz flaches Kissen verwendet, ist der Kopf auch in Rückenlage überstreckt. Das wirkt ebenfalls ungünstig auf den ohnehin knappen Reserveraum zwischen Nervenwurzel und Wirbel aus.


Die Schlafposition ändern –
wie soll das gehen?


Eine Schlafposition zu verhindern oder zu ändern, ist nicht einfach. Da wir nur in Wachphasen eine bewusste Kontrolle ausüben können, braucht es andere Kniffe. Ich empfehle meistens, dass auf der zu vermeidenden Seite ein störender Gegenstand am Pyjama angebracht wird. Ein Spraydosendeckel, den man in einen Socken legt und dann mit Sicherheitsnadel fixiert, erfüllt diese Funktion gut. So dreht sich die betroffene Person sofort wieder weg von der Problemposition und nicht erst, wenn eine schmerzhafte Reizung der Nerven die Positionsänderung erzwingt.


Bei unserer Patientin beeinflusst diese Art der Steuerung der Schlafposition und das Verwenden eines etwas höheren Hirsekissens den Verlauf sehr direkt. Innerhalb von drei Wochen kommt es kontinuierlich zu einer stabilen Besserung. Entscheidend ist offensichtlich, dass durch das Vermeiden der nächtlichen Nervenirritation auch eine Physiotherapie nun nicht nur kurzzeitige, sondern auch nachhaltige Veränderungen bewirken kann.


Dr. med. Christoph Reich-Rutz,
Zürich


Facharzt Rheumatologie und
Manuelle Medizin


> www.christophreich.ch

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