Literatur-Monolithen

Eine Ausgabe mit den neuesten Forschungsergebnissen, die sich aber kaum auf den Notentext auswirken.

Monolithen. Foto: Joeri van Veen/flickr

An Stücken, an denen kein Schüler, keine Schülerin vorbeikommt, wollen alle Verlage verdienen. Bachs zwei- und dreistimmige Inventionen gehören in jeden Unterricht auf einem Tasteninstrument, um, wie er selbst schrieb, «eine cantable Art im Spielen zu erlangen, und darneben einen starcken Vorgeschmack von der Composition zu überkommen». Kein Wunder, dass der Peters-Verlag nach jahrelangen Einkünften aus den Ausgaben von Carl Czerny (1840) und Ludwig Landshoff (1933) und dem Faksimile der Originalhandschrift (1942) nun wieder am Markterfolg dieser Musik teilhaben möchte.

Für Ulrich Bartels, einen ehemaligen Mitarbeiter des Bach-Instituts in Göttingen, war es ein Einfaches, den erst 2007 von seinen Kollegen fertiggestellten Kritischen Bericht zum 1970 edierten Notenband der Neuen Bach-Ausgabe auszuweiden und dazu – nach der letzten Restaurierung der Originalquelle im Jahre 2003 – weitere Spuren des Arbeitsprozesses innerhalb Bachs eigener Handschrift aufzuzeigen. Am eigentlichen Notentext änderte sich dadurch wenig – über weite Strecken folgt er im Layout wie in den Details der Bach-Ausgabe. Einzig mit Warnakzidenzien wurde weniger gespart, und in den dreistimmigen Sinfonien erleichtern Umlegungen der Mittelstimme da und dort die Notenlektüre. Darin liesse sich noch konsequenter verfahren, um endlich eine optimale, wissenschaftlich fundierte wie praktisch wirklich brauchbare Ausgabe zu erhalten.

Noch etwas: Mögen die Abschriften von Bachs Schülern Gerber und Kayser philologisch auch lediglich als Nebenquellen gelten, so wäre eine Übertragung ihrer sämtlicher Verzierungen in den Haupttext zu wünschen, um auch den heutigen Klavierspielern klar zu machen, dass solch «wesentliche Ornamente» selbst dann zur Musik gehörten, wenn noch weniger von ihnen (oder gar keine) in den Noten stünden.

Johann Sebastian Bach: 15 zweistimmige Inventionen BWV 772-786, 15 dreistimmige Sinfonien BWV 787-801, hg. von Ulrich Bartels, EP 11422, € 14.95, Edition Peters, Leipzig etc. 2015

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