Musikgipfel in Berlin

«Die Einhaltung des Urheberrechts ist keine Behinderung von Wirtschaft. Es ist Wirtschaft.» So brachte es ein Musikschaffender auf den Punkt. – Beim Treffen von deutschen Politikern, Musikverbänden und Kreativen am 14. Juni ging es auch um Musik, obwohl die Zeichen im Bundestag auf Sturm standen.

Eröffnungsrede von Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Foto: Tagesspiegel Verlag,Foto: Tagesspiegel Verlag,Foto: Tagesspiegel Verlag

Der erste «Musikgipfel» in der Redaktion des Berliner Tagesspiegels, ein Treffen von Vertretern der Musikwirtschaft und Politikern, war eine Positionsbestimmung. Verbände der Musikbranche, Kreative sowie Akteure aus der Politik diskutierten über die Zukunftsfähigkeit der Musikwirtschaft in Zeiten von Digitalisierung und Bürokratisierung. Urheberrecht und Musikförderung waren wichtige Themen. Einfache Antworten gab es nicht.

Werte statt Konsum

Image
Kulturstaatsministerin Monika Grütters

Gegen Degradierung der Musik als Handelsware wandte sich Kulturstaatsministerin Monika Grütters in ihrem Eröffnungsvortrag. Musik sei ein Kulturgut, Ausdruck von Kreativität und Mass für die Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft. Sie betonte die Verantwortung der Kreativen und der ganzen Musikbranche, weil Musik einen gesellschaftlichen Wert habe, der über den Wirtschaftswert hinausgehe. Das Aus des Musikpreises «Echo» begrüsste sie in diesem Zusammenhang, denn das Klingeln der Kassen könne nicht Massstab von Preiswürdigkeit sein. Verrohung dürfe nicht salonfähig und schulhofkompatibel werden.

Die Ministerin sieht zudem die Gefahr des Zusammenschrumpfens der musikalischen Vielfalt auf gut konsumierbaren Mainstream. Untersuchungen zeigen, dass sich in Zeiten der Click-Kultur die Musik als solche verändert. Die ersten 30 Sekunden Abspielzeit zählen, deshalb setzen die Musiker die Catchy Bits noch vor den Refrain, lassen sich weniger Zeit, wagen weniger Experimente. In ihrem Haus seien Förderprogramme für Musikgenres aufgelegt, die sich der Logik der Click-Ökonomie entgegenstellten. Kreativität, Originalität und Vielfalt sollen Chancen auf dem Musikmarkt haben.

Monika Grütters betonte bezüglich Urheberrecht und IT-Plattformen, Interessenkonflikte zwischen Nutzern, Urhebern, IT-Branche und Musikindustrie seien normal und die Interessen innerhalb der Gruppen auch nicht homogen. Es gelte, Kompromisse zu finden. Ihr Standpunkt: Plattformen sollen nicht die Möglichkeiten haben, ihre Geschäftsmodelle auf Kosten der Kreativen durchzusetzen. Gleichzeitig wollen die Kreativen auf Plattformen als Vertriebsweg und Werkzeug der Öffentlichkeitsarbeit nicht verzichten. Man müsse regulieren ohne zu zerstören, und sei auf einem guten Weg.
 

Klare Forderungen von Seiten der Urheber

Image
Christiane Wirtz, Staatssekretärin im Bundesjustizministerium

Christiane Wirtz, Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, signalisierte Kompromissfähigkeit und betonte die Erfolge, die dank europäischem Urheberrecht für Rechteinhaber bereits erzielt worden seien. Gleichzeitig seien Präsenz und Verfügbarkeit von Musik enorm gewachsen. Fragen werfe weniger der rechtliche Rahmen auf als die Umsetzung. Wie die Regulierung in den Griff bekommen, damit die Urheber gerecht an der Wertschöpfung beteiligt werden? Ihr Standpunkt: Urheber stärken, Plattformen erhalten. Streaming sei mittlerweile das vorherrschende Medium des Musikkonsums, das gesamte Weltrepertoire an Musik sei verfügbar. Die Gema, Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, habe grosse Mehreinnahmen. Regulatorische Herausforderungen seien jedoch nicht Streaming-Anbieter wie Spotify, sondern Hybride wie Youtube, auf denen die Nutzer selbst Inhalte hochladen. Die Nutzer wollen auf diese Praxis nicht verzichten. Sollen die Plattformen urheberrechtlich für die Inhalte haften? Das würde zu ihrer Schliessung führen. Ein Weg seien Upload-Filter oder die Bereitstellung von Metadaten durch die Rechteinhaber, um Lizenzen zu prüfen. KMU und kleine Plattformen im europäischen Binnenmarkt sollten jedoch faire Chancen haben und von den hohen Lizenzgebühren ausgenommen werden – ein Weg, um Innovationen in Europa zu fördern.

In den anschliessenden Meinungsäusserungen von Betroffenen zur Regulierung von Online-Plattformen war der Tenor klar: Um das sogenannte Value Gap zu verhindern, dass also die Urheber in der musikalischen Wertschöpfung unverhältnismässig schlecht gestellt sind, braucht es europäische Regelungen. Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer des Bundesverbands Musikindustrie e.V., wandte sich gegen Kompromisse beim Umgang mit Plattformen und forderte, die EU-Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt als Hebel anzuwenden, um die Plattformen zur Lizenzierung zu verpflichten. Deutschland müsse sich für eine funktionierende Kultur- und Kreativwirtschaft positionieren! Er appellierte an die EU-Abgeordneten, im Sinne der Initiative «Make the Internet fair for Creators» zu entscheiden. Konkret müsse klargestellt werden, dass «User-uploaded-Content»-Plattformen wie Youtube «an der Vervielfältigung und Zugänglichmachung unserer Werke im urheberrechtlichen Sinne beteiligt sind». Deshalb sei dafür zu sorgen, dass Regelungen zum Haftungsausschluss («Safe Harbour») keine Anwendung auf solchen Plattformen fänden, da diese Regelungen für rein technische Vermittler gedacht seien.

Micki Meuser, Filmkomponist, Musikproduzent, Bassist, vom Berufsverband für Medienmusiker und Vorstandsmitglied des Deutschen Komponistenverbandes, sprach klar aus dem Herzen der Urheber. Die Piraterie habe den Musikern die Existenzgrundlage geraubt. Weltweit mächtige Strukturen machten mit der Arbeit der Künstler Kasse. Die Künstler stellten Produkte her, der Ertrag lande in der IT. Er forderte vom europäischen Gesetzgeber, eine Pflicht zur Lizenzierung für jede Nutzungsart der Werke durchzusetzen. Auf den Vorschlag, KMU und Start-ups unter einer bestimmten Grösse von Lizenzzahlungen auszunehmen, antwortete er, es ginge nicht an, dass Komponistinnen und Künstlerinnen mit dem Verzicht auf ihre Vergütung Start-ups finanzierten. Die Förderung von Start-ups sei Sache des Staates und nicht der Kreativen! Die Forderung nach Einhaltung des Urheberrechts sei keine Behinderung von Wirtschaft. Es sei Wirtschaft!
 

Vielfältige Nachfrage nach Förderung

Auch hinsichtlich der Musikförderung wurden viele Wünsche an die Politik geäussert, beginnend bei der Stärkung des Musikunterrichts einschliesslich aktivem Musizieren in vorschulischen und schulischen Einrichtungen (vier Wochenstunden), die Udo Dahmen, Künstlerischer Direktor und Geschäftsführer der Popakademie Baden-Württemberg und Vizepräsident des Deutschen Musikrates e.V., vortrug, bis zur Forderung von Zuschüssen für Konzertreisen ins Ausland.

Konsens herrschte bezüglich der Feststellung, dass Kunst nur frei sein kann, wenn Künstler und Künstlerinnen in der Lage sind, von ihrer Arbeit zu leben.

Das Stichwort Künstlergrundeinkommen fiel, wurde jedoch nicht diskutiert. Musiker und Musikerinnen müssen befähigt werden, administrativ und wirtschaftlich zu denken, das soll Teil ihrer Ausbildung werden. Es könne nicht angehen, dass die musikalischen Ausbildungsinstitute ihre Kohorten geschlossen in die Altersarmut führten. Weitere Forderungen: Entwicklung passgenauer Förderinstrumente für Selbständige und KMU auf Länderebene in Ergänzung zu den Förderungen des Bundes; Förderung der Club-Landschaft durch Ausbau von Programmen auch im ländlichen Raum; Zuschüsse zur Förderung von Mobilität und Internationalisierung, um neue Märkte zu erschliessen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit auszubauen; Kulturraumschutz bezüglich Lärmemissionen nach dem Prinzip, dass heranrückende Neubebauung selbst für den Lärmschutz sorgen müsse; Auf- und Ausbau von Programmen zur Förderung von Technologie- und Digitalkompetenzen; Würdigung der Bedeutung von Musiktechnologie-Innovationen; Livemusik und Clubleben sollen Teil der Stadtentwicklungspolitik werden.

Deutlich wurde, dass die föderale Struktur der Bundesrepublik zwar viele Förderinstrumente bereithält, jedoch zu Kompetenzgerangel und Unübersichtlichkeit bei Programmen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene führt.

Vertreterinnen und Vertreter von 15 Verbänden waren zu diesem Musikgipfel gekommen und trugen ihren Forderungskatalog zusammen. Die Expertinnen aus der Politik waren jedoch, wenn überhaupt, so nur als Rednerinnen anwesend, nicht als Zuhörerinnen. Im Bundestag sei die CSU dabei, das Land zu chaotisieren, sagte die Bundestagsabgeordnete Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen, im Davoneilen. Die Politikerinnen kehrten mit schlimmen Befürchtungen vom Musikgipfel in den Bundestag zurück. Das zeigt, wie fragil in der Gegenwart Absprachen und Rahmenbedingungen doch sind. Das politische Manöver eines Ministers kann die Stabilität in Deutschland und in der EU gefährden, über die Folgen möchte man gar nicht nachdenken.

Dennoch war die Gewissheit über die Zukunftsfähigkeit der Musikwirtschaft am Ende des Tages um einen Punkt höher geklettert, als am Anfang. Daran zeigte sich: Musiker sind wahre Optimisten.
 

Das könnte Sie auch interessieren