Musikkultur aufrechterhalten

Der Musiksektor brauche Planungssicherheit, rasche Hilfe und Perspektiven, er soll von den Behörden besser und frühzeitig in Entscheidungen eingebunden werden, Singen und das Spielen von Blasmusikinstrumenten dürfe nicht öffentlich stigmatisiert werden – mit diesen Kernaussagen reagiert der Schweizer Musikrat auf die neusten Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie.

Symbolbild: Filip – stock.adobe.com

Der Schweizer Musikrat (SMR) schreibt in seiner Mitteilung vom 30. Oktober:
«Der Bundesrat hat am 28. Oktober entschieden: Schweizweit sind öffentliche Veranstaltungen bis auf Weiteres nur mit höchstens 50 Personen zugelassen. Diskotheken und Tanzlokale müssen schliessen. Proben von Kulturvereinen im Laienbereich sind nur noch mit maximal 15 Personen möglich. Amateurchöre dürfen nicht mehr proben. Auch im Bildungsbereich gibt es teilweise erhebliche Einschränkungen. Kurzfristig braucht es nun die rasche Umsetzung der versprochenen Unterstützungsmassnahmen, mittel- bis längerfristig braucht es Perspektiven für den Musiksektor entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Dachverbände müssen besser und vor allem frühzeitig von den staatlichen Entscheidungsträgern eingebunden werden. Nur gemeinsam kann es gelingen, die kulturelle Vielfalt zu erhalten.

Alle müssen ihren Beitrag leisten

Die Akteurinnen und Akteure im Musiksektor können nachvollziehen, dass es harte Massnahmen braucht, um die steigenden Infektionszahlen einzudämmen und eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern. Alle müssen ihren Beitrag leisten. Deshalb haben professionelle Musikschaffende, Unternehmen im Musiksektor (insbesondere Veranstalter), die Vereine im Bereich der Laienkultur, die Bildungsstätten und die Musiklehrpersonen die Massnahmen von Bund und Kantonen von Anfang an mitgetragen, viel in Schutzkonzepte investiert und diese konsequent und verantwortungsbewusst umgesetzt. Nichtsdestotrotz haben die Massnahmen zur Eindämmung der Epidemie drastische Auswirkungen auf den gesamten Musiksektor.

Der Musiksektor braucht Planungssicherheit

Es wird immer schwieriger, überhaupt noch Anlässe zu planen, weil unsicher ist, wann, ob und unter welchen Bedingungen sie überhaupt werden stattfinden können. Das hat insbesondere Einfluss auf die Finanzierungsmöglichkeiten und die Sponsorensuche, die dadurch zusätzlich erschwert sind. Auch bei Anlässen mit nur 50 Personen oder weniger ist zudem ungewiss, ob das Publikum überhaupt kommt, da gleichzeitig von den Behörden verständlicherweise auch dringend dazu aufgerufen wird, die sozialen Kontakte zu reduzieren. Viele Anlässe können infolge der eingeschränkten Publikumszahlen nicht mehr rentabel durchgeführt werden.

Der durch die behördlichen Massnahmen ausgelöste Organisationsaufwand ist jedes Mal für alle Akteurinnen und Akteure im Musiksektor gewaltig. So mussten manche Tourneen bereits zum dritten Mal verschoben werden.

Die Kulturverbände – insbesondere die Dachorganisationen – müssen besser und vor allem frühzeitig von den staatlichen Entscheidungsträgern eingebunden werden, damit sie ihre praktischen Erfahrungen einbringen, Fragen frühzeitig klären, sich auf kommende Massnahmen gut einstellen und diese auch nachvollziehen und verstehen können (z.B. das Probenverbot für Laienchöre). Nur gemeinsam kann es gelingen, die kulturelle Vielfalt zu erhalten sowie Kulturschaffenden und Kulturunternehmen zu ermöglichen, wieder ihrer Arbeit nachzugehen und damit ihre Lebensgrundlage selbst zu erwirtschaften.
 

Der Musiksektor braucht rasche Hilfe

Die versprochenen Unterstützungsmassnahmen müssen rasch umgesetzt und gleichzeitig die damit verbundenen Fragen unter Einbezug der Kulturverbände geklärt werden. Die Erwerbsmodelle im Kultursektor sind komplex und es braucht das Knowhow der Dachorganisationen, damit die Massnahmen zielführend sind. Das betrifft insbesondere kulturspezifische Massnahmen wie die Ausfallentschädigungen oder die Beiträge an Transformationsprojekte, aber auch gesamtwirtschaftliche Massnahmen wie die Kurzarbeit, den Erwerbsersatz für Selbstständige und arbeitgeberähnliche Personen. Ebenso die Härtefallregelung für Unternehmen aus der Wertschöpfungskette der Veranstaltungsbranche.

Ein weiteres Problem zeichnet sich schon jetzt ab. Werden aufgrund der herrschenden Planungsunsicherheit kaum mehr Veranstaltungen organisiert, dann greift auch die Ausfallentschädigung für Kulturunternehmen nicht mehr, weil dann nichts mehr ausfallen kann. Mit dem gleichen Problem sehen sich auch die Vereine in der Laienkultur konfrontiert. Auch sie erhalten nur Finanzhilfen für die Absage, Verschiebung oder für die eingeschränkte Durchführung von Veranstaltungen. Da sie bis auf Weiteres nur noch sehr eingeschränkt oder gar nicht mehr proben dürfen, werden kaum mehr Konzerte angesagt.
 

Der Musiksektor braucht mittel- und längerfristige Perspektiven

Zurzeit ist äusserst ungewiss, wie es weitergehen soll. Eines aber ist klar: Die kulturelle Vielfalt muss unbedingt erhalten bleiben.

Zur vielfältigen Musikkultur in der Schweiz gehören die Laienkultur, die professionellen Musikschaffenden aller Genres, ebenso wie die Musikwirtschaft (etwa Clubs, Festivals, Labels oder Agenturen). Voraussetzung für diese Vielfalt ist die musikalische Bildung an Volksschulen, Musikschulen, in Musikhochschulen, an pädagogischen Hochschulen oder auch vermittelt von freischaffende Musiklehrpersonen sowie Laienvereinen.

Es ist unbedingt einer öffentlichen Stigmatisierung von Singen und dem Spielen von Blasmusikinstrumenten vorzubeugen. Es wäre verheerend, wenn die Laienkultur und damit die lokal verwurzelten Vereine, die so viel zum gesellschaftlichen und kulturellen Leben in der Schweiz beitragen (grossmehrheitlich durch freiwilliges Engagement), wegen langandauernder Einschränkungen oder sogar Verboten der Vereinstätigkeiten untergeht.

Es braucht nun klare Informationen und eine Perspektive mit Exit-Strategie. Gewisse Auswirkungen werden erst stark verzögert eintreten. So sind beispielsweise wichtiger Bestandteil des Einkommens vieler Musikschaffenden die Tantiemen aus Urheber- und Interpretenrechten. Der Zusammenbruch des Live-Bereichs im laufenden Jahr wird 2021 zu einem empfindlichen Einbruch der Einnahmen der Rechteinhaber (Komponistinnen, Produzenten, Verlage, Interpretinnen) führen.»

 

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