Sprache als Schlüssel zur Musik
Die spielerischen Übungen, die Eberhard Feltz in «Genauer als Worte» vorschlägt, verhelfen zu neuen Einsichten und präziserem Umgang mit der Musik.

Ungewöhnlich an diesem Buch sind nicht nur das Format (24 x 17.5 cm, quer) und die Dicke (4 cm), einzigartig ist auch der Denkansatz gegenüber seinem Thema, der Musik als Sprache, die, gemäss Felix Mendelssohn, genauer als Worte sei. Wir haben diese Sprache teilweise verlernt durch pauschales Hören, Zeitdruck beim Erarbeiten von Interpretationen oder die Fixierung auf eine einzige Frage: «Wie beherrsche ich mein Instrument?»
Eberhard Feltz, Violin- und Kammermusiklehrer an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin und Mentor vieler bekannter Kammermusikensembles, hat auf Zureden der Leitung des Davos Festivals young artists in concert zum Anlass seines achtzigsten Geburtstags eine Auswahl seiner musikalischen Betrachtungen in Buchgestalt herausgebracht: Genauer als Worte. Intuitives Finden – eine Einführung, 44 Übungen und ein «Lösungsteil», der die aufgeworfenen Fragen beantwortet. Dies geschieht meist durch den Abdruck des originalen Meisterwerks, welches die Lernenden in der Fragestellung verändert oder gekürzt zu Gesicht bekommen haben. Das «Finden» kommt dabei einem Nachvollziehen des Komponierens nahe. Eberhard Feltz zögerte bisher mit solchen Veröffentlichungen, weil sein Lehren die unmittelbare Entgegnung durch die Schüler braucht. Der Leser oder die Leserin dieses Buches muss diesen Dialog mit sich selber führen, unter der Anleitung oder besser: auf Anregung des Autors.
Worum geht es denn eigentlich? Vereinfachend kann man den Begriff der «Phrase» anführen. Phrase oder enger formuliert: Satz ist ein Begriff in der Sprache, der auch in der Musik eine Elementarform bezeichnet. Das Sein der Musik ist aber rational nicht zugänglich. Eberhard Feltz will uns zur sinnlichen Wahrnehmung der Musik als Sprache führen, indem er uns anhand dieser Übungen und zahlreicher Zitate von Dichtern, Philosophen und Musikern das Meta-Dasein hinter den musikalischen Gestalten ahnen lässt. Der Autor plädiert für eine «Anhörung» der Welt im Sinne einer inneren «Anschauung» mit allen Sinnen unter der Führung des Ohrs.
Und welchen Nutzen bringt den Studierenden solches Tun? Wer sich auf diese «Übungen» einlässt, und zwar durchaus spielerisch, dem erschliessen sich neue Einsichten, welche auf seinen Umgang mit Musik direkten Einfluss haben werden. Reto Bieri, Intendant des Davos Festivals bis 2018, wo Eberhard Feltz Workshops abhielt, ist stolz auf die Herausgabe dieses Buches in luxuriöser Aufmachung und gibt in seinem Vorwort der Hoffnung Ausdruck, dass es zum «speculieren, studieren und überlegen» (Mozart-Brief vom 31. Juli 1778 über seine Beschäftigung mit Musik) anregen wird.
Eberhard Feltz: Genauer als Worte. Intuitives Finden – 44 Übungen, 346 S., Fr. 35.00 zzgl. Fr. 10.00 Versand, Eigenverlag Stiftung Davos Festival, 2017, ISBN 978-3-033-06344-0, info@davosfestival.ch