Rekonstruiert, erstmals ediert oder ganz neu

Konzerte für Oboe oder Englischhorn von Gustave Vogt, Domenico Cimarosa und Pēteris Vasks.

Oboenblaetter. Foto: Vivasis/depositphotos.com

In einer Liste der bedeutendsten Oboistinnen und Oboisten der Musikgeschichte dürfte neben Leuten wie den Gebrüdern Plà, Carlo Yvon, Antonio Pasculli, Léon Goossens, Evelyn Rothwell oder Heinz Holliger auch der Name Gustave Vogt (1781–1870) nicht fehlen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildete er während knapp 50 Jahren zwei Generationen von Spielerinnen und Spielern aus und prägte die Pariser Oboenschule fundamental. Von einem dreisätzigen Konzert für Englischhorn und Orchester ist nur der 2. Satz im Original überliefert. In einer transponierten Version erscheint dieselbe Musik in seinem 2. Oboenkonzert, was den Oboisten und Herausgeber Michel Rosset darauf gebracht hat, nun analog auch den 1. und 3. Satz für das Englischhorn zu übertragen. Seine verdienstvolle Rekonstruktion überzeugt in hohem Masse.

Die drei direkt aneinander anschliessenden Sätze folgen einem romantischen Gestus, und der opernhafte Ton erinnert gelegentlich an die knapp 20 Jahre ältere Scène für Englischhorn und Orchester von Antoine Reicha. Die hohe Virtuosität liegt gut in der Hand, die gesanglichen Passagen sind immer fein und reichhaltig ausgeziert, und auch formal überzeugt die gut viertelstündige Komposition aufs Schönste.

Beim selben Verlag ist erstmals Domenico Cimarosas originelles C-Dur-Konzert erschienen. Es entstand 1781, also 3 Jahre nach Mozarts berühmtem Beitrag zu dieser Gattung. Wiewohl es durchaus Anklänge an das grosse Vorbild gibt, sind die beiden Konzerte nicht vergleichbar. Cimarosa komponiert viel knapper – er schafft es beispielsweise im 3. Satz in gerade einmal 2 Minuten ein veritables Rondo zu schreiben – und verbindet die Sätze mit «Attacca»-Vorschriften. Das Herzstück des Konzerts ist ein gesangliches Andante sostenuto in a-Moll: Hier beweist sich Cimarosa als inspirierter Opernkomponist.

Ein ganz neues Konzert hat Pēteris Vasks‘ soeben veröffentlicht. Sein Englischhornkonzert (1989) hat bereits grosse Beliebtheit erlangt, vermutlich wegen der unverholenen stilistischen Nähe zu Jean Sibelius‘ Schwan von Tuonela. Auch sein nun (als Klavierauszug mit Solostimme) erschienenes Oboenkonzert wird vermutlich den Weg in die Konzertsäle finden, da seine einfach gehaltene modale Tonsprache dem Musikgeschmack der Abonnementspublika entgegenkommt. Zwei melodische Pastoralsätze (Morgen- und Abendpastorale) umrahmen einen lebendigen Mittelsatz, in dem sich verschiedene Tänze und ein Arioso ein Stelldichein geben und eine ausführliche Solokadenz umrahmen. Der spröde Klavierauszug dürfte für eine Aufführung nicht befriedigen, sondern dient lediglich als Vorbereitung für eine Einstudierung mit Orchester.

Gustave Vogt: Solo de Concert pour le Cor anglais, für Englischhorn und grosses Orchester, Erstausgabe und Rekonstruktion von Michel Rosset; Partitur: EW 1216, € 32.50; Klavierauszug: EW 1208, € 18.50; Edition Walhall, Magdeburg

Domenico Cimarosa: Konzert C-Dur für Solo-Oboe, 2 Hörner, 2 Violinen, Viola und Basso, Erstausgabe von Sandro Caldini; Partitur: EW 1200, € 23.50; Klavierauszug: EW 1194, € 14.90; Edition Walhall, Magdeburg

Pēteris Vasks: Konzert für Oboe und Orchester, Klavierauszug von Claus-Dieter Ludwig, ED 23365, Druckausgabe € 32.00, Schott, Mainz

 

 

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