Hitchcockscher Schwindel

Das Klavierstück «Vertigo» von Philipp Manuel Gutmann entwirft in kurzer Zeit ein dramatisches Geschehen.

Ausschnitt aus dem Original-Filmplakat von Saul Bass, 1961. Quelle: Library of Congress

Vertigo – wer denkt bei diesem Wort nicht an Alfred Hitchcocks Psychothriller? Ein Film, der sich um einen Polizisten (James Stewart) dreht, der nach einer traumatischen Erfahrung an Höhenangst leidet. Ein Film übrigens, in dem Bernard Herrmanns kongeniale Musik eine zentrale Rolle spielt. Den Namen «Vertigo» hat nun auch der junge österreichische Komponist Philipp Manuel Gutmann einem seiner neusten Werke vorangestellt und nennt es im Untertitel «Bagatelle für Klavier». Im Juni 2021 hat er damit den Publikumspreis der 1. Tage für neue Klaviermusik Graz gewonnen.

Philipp Manuel Gutmann wurde 1993 in Zwettl (Niederösterreich) geboren. Er studierte Komposition in Wien (bei Dirk D’Ase) und in Zürich (bei Kaspar Ewald und Isabel Mundry). Trotz seiner jungen Jahre kann er schon ein beachtliches Œuvre vorweisen. Bühnenwerke und Sinfonisches finden sich darin genauso wie Kammermusik und zahlreiche Werke für Chor. Und ein besonderes Faible scheint er offenbar für Blasorchester zu haben.

Zurück zu seinem Klavierstück Vertigo, das sich tatsächlich auf Hitchcocks Film bezieht. Es beginnt «langsam und bedrohlich» mit Repetitionsfiguren, die sich in Tempo und Lautstärke allmählich steigern. Dazu gesellen sich melodische Fetzen, die offensichtlich Motive aus Bernard Herrmanns Filmmusik zitieren. Akkorde werden abwechselnd mal rauf, mal runter gebrochen. Aus dem ruhigen Beginn wird auf der letzten Seite schlussendlich ein ungestümes Jagen. Der daraus resultierende Effekt ergibt nun wirklich ein Gefühl der Orientierungslosigkeit, des Schwindels.

Pianistisch ist Vertigo gar nicht so vertrackt, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Der Klaviersatz liegt ganz ausgezeichnet. (Der einzige Fingersatzhinweis ganz am Anfang sollte aber wohl besser 3213 lauten.) Es ist jedenfalls nicht erstaunlich, dass das Publikum in Graz von dem Werk angetan war, denn Gutmann schafft es, mit modernen Mitteln auf wenigen Seiten sofort eine dramatische und anschauliche Szene zu beschwören.

Und wem diese Musik trotzdem fremd bleibt, sollte sich vielleicht wieder mal Hitchcocks Meisterwerk zu Gemüte führen …

Philipp Manuel Gutmann: Vertigo, Bagatelle für Klavier, D 01 450, € 12.95, Doblinger, Wien

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