Lilis bezaubernde Geigenwerke

Die wenigen Werke für Violine und Klavier von Lili Boulanger sind neu herausgegeben worden.

Lili Boulanger fotografiert von Henri Manuel, 1913. Quelle: Wikimedia commons

Die frühbegabte, aber an einer chronischen Lungenkrankheit leidende Lili Boulanger (1893–1918) konnte mit Hilfe ihrer älteren Schwester Nadia (1887–1979) Komposition studieren und wurde von wichtigen Komponisten gefördert. Mit 23 Jahren gewann sie den Prix de Rome. Unter den 50 erhaltenen Werken finden sich weltliche und geistliche Chorkantaten, sogar eine unvollendete Oper. Um die Verbreitung der Werke nach Lilis Tod kümmerte sich Nadia, die bis ins hohe Alter eine berühmte Kompositions- (Copland, Piazzolla, Glass, Bacewicz …) und Klavierlehrerin (Lipati) war.

Vier Stücke für Violine und Klavier sind von Lili Boulanger überliefert: D’un matin de printemps (1917/1918), Nocturne (1911), Introduction – Cortège (1914) und Pièce (1910). Die Herausgebenden haben die Erstdrucke als Vorlagen für die Neuedition herangezogen. Autografe und Alternativ-Fassungen dienten nur zur Klärung herausgeberischer Fragen.

Pièce der Siebzehnjährigen ist lediglich handschriftlich überliefert und hier so getreu wie möglich wiedergegeben. Dieses mystische, langsame Stück mit der wellenförmigen Klavierbegleitung birgt überraschende chromatische Harmoniefortschreitungen, enharmonische Umdeutungen und farbige Dissonanzen. Auch das rassige erste, das zarte zweite und das flamencoartige dritte Stück haben uns beim Musizieren bezaubert. Sie wurden 1972 von Yehudi Menuhin uraufgeführt.

Lili Boulanger: Die Violinwerke, für Violine und Klavier, hg. von Edmund Wächter und Elisabeth Weinzierl, VLB 232, € 19.50, Schott, Mainz

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