Neoklassizismus in der Schweiz

Am zweiten Septemberwochenende sind in Brunnen Werke von Othmar Schoeck und von einigen seiner Schweizer Zeitgenossen zu hören, kontrastiert durch die Uraufführung eines Streichquartetts von Cécile Marti und das Podium «futur composé», geleitet von Dieter Ammann.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war Igor Strawinsky wohl der bedeutendste Vertreter des musikalischen Neoklassizismus. Aber auch Othmar Schoeck und seine Zeitgenossen in der Schweiz schrieben Werke in dieser Stilrichtung. Unter dem Motto «Passé composé» ermöglicht das Othmar Schoeck Festival dieses Jahr Begegnungen mit Volkmar Andreae, Fritz Brun, Raffaele d’Alessandro, Richard Flury, Walter Furrer, Arthur Honegger, Peter Mieg, Paul Müller-Zürich, Hans Schaeuble und Werner Wehrli. Begegnungen deshalb, weil ausgewiesene Fachpersonen zusätzlich zu den musikalischen Aufführungen die Komponisten und ihr Werk reflektieren in einer Ausstellung, in Vorträgen und Einführungen, ausgehend von Fragen wie: Was bedeutete es, in dieser von zwei Weltkriegen geprägten und zerrissenen Zeit als Komponist in diesem Land zu leben? Wie sah damals das musikalische Leben in der Schweiz aus?

In der Masterclass Liedduo unter der Leitung von Cornelia Kallisch erarbeiten Gesangsstudierende der Hochschule Luzern – Musik an zwei Tagen Lieder von Volkmar Andreae (1879–1962), Fritz Brun (1878–1959), Walter Furrer (1902–1978), Peter Mieg (1906–1990), Werner Wehrli (1892–1944) und Othmar Schoeck (1886–1957). Einführungen zu den einzelnen Komponisten geben Marc Andreae, Sibylle Ehrismann, Anselm Gerhard, David Reissfelder, Michael Schneider und Cristina Urchueguía.

Damit bietet das Othmar Schoeck Festival vom 10. bis am 12. September 2021 in Brunnen ein Panorama der musikalischen Vergangenheit der Schweiz. Gleichzeitig gewährt es mit dem Podium «futur composé» unter der Leitung von Dieter Ammann Einblick in aktuelle Arbeiten von Kompositionsstudierenden der Hochschule Luzern – Musik. Und besonders hervorzuheben ist die Uraufführung von Ellipse für Streichquartett, geschrieben von Cécile Marti für das Othmar Schoeck Festival.

Ein hybrides Festival

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Cécile Marti mit der Ellipse-Skulptur. Foto: Martin Messmer

 

Anstatt letztes Jahr das Othmar Schoeck Festival abzusagen, wurde es bis auf eine Ausnahme ohne Publikum vor Ort durchgeführt. Die Anlässe wurden gestreamt. Heuer hingegen freuen sich die Veranstalter darauf, ein grosses Publikum vor Ort willkommen zu heissen. Da die epidemiologische Lage bekanntlich nach wie vor fragil ist und für das Publikum und die Ausführenden grösstmögliche Sicherheit geboten werden soll, schreiben die Organisatoren für den Einlass vor Ort das Covid-Zertifikat sowie Maskenpflicht vor. Zudem werden die Veranstaltungen gestreamt. So sind sie für alle Interessierten zugänglich.

Aufgrund der letztjährigen Erfahrungen will man dieses Jahr einen Schritt weitergehen. Mit der Konzeption des ganzen Anlasses als hybrides Festival peilen die Organisatoren ein strategisches Ziel an: Die weitere Professionalisierung der Streams (Zusammenarbeit mit Marcel Babazadeh von atelierklangundraum.com) soll die Attraktivität einer Mitgliedschaft im Verein Othmar Schoeck Festival auch für internationale Schoeck-Fans markant steigern. Die Umsetzung dieses Konzepts ist möglich dank einer zusätzlichen Unterstützung durch die öffentliche Hand im Rahmen der von Bund und Kantonen ausgeschriebenen Transformationsprojekte.

Das Visuelle spielt besonders in zwei Veranstaltungen eine herausragende Rolle: Im Konzert des Urschweizer Kammerensembles wird die Aufführung eines Orgelkonzertes von der Empore auf eine Leinwand im Chorraum projiziert und die Uraufführung von Cécile Martis Ellipse für Streichquartett wird begleitet von einer Projektion, die die Entstehung der Ellipse als Skulptur zeigt.

Programm

Eröffnung und Abschluss: Konzert des Urschweizer Kammerensembles
10. 9., 20 Uhr, 12. 9., 19 Uhr; Einführung 30 Minuten vor Beginn
Pfarrkirche St. Leonhard Ingenbohl

Werke von Othmar Schoeck, Raffaele d’Alessandro, Paul Müller-Zürich und Hans Schaeuble;
Leitung: Stefan Albrecht, Orgel: Martin Dettling, Einführung: Heinrich Aerni

Unten im Kirchenschiff sitzen und trotzdem den Organisten Martin Dettling spielen sehen? Das ist möglich in diesem ausserordentlichen Konzert des Urschweizer Kammerensembles im Rahmen des diesjährigen Othmar Schoeck Festivals. Im ersten Teil spielt es unter der Leitung von Stefan Albrecht auf der Empore das Konzert für Orgel und Streichorchester von Paul Müller-Zürich. Das Geschehen wird von oben auf eine Leinwand im Chorraum übertragen. Dort sitzen die Musikerinnen und Musiker dann in der zweiten Konzerthälfte und spielen Werke von Othmar Schoeck, Hans Schaeuble und Raffaele d’Alessandro.

Konzert und Uraufführung: Belenus Quartett
11. 9., 20 Uhr, Grand Palais
Uraufführung von Cécile Martis Ellipse für Streichquartett sowie Streichquartette von Arthur Honegger, Othmar Schoeck und Richard Flury

Die Schweizer Künstlerin Cécile Marti ist eine Doppelbegabung: Sie widmet sich der Komposition und der Bildhauerei. Das Werk Ellipse für Streichquartett, das vom Belenus Quartett uraufgeführt wird, ist sowohl Musik als auch Skulptur. Gleichzeitig mit dem Erklingen der Musik wird eine Projektion gezeigt, die das Entstehen der Skulptur vom Rohling bis zur Endform dokumentiert.

Ausstellung: Hermann Hesse und seine Musikerfreunde – Andreae, Brun, Schoeck
Fondazione Hermann Hesse Montagnola, Konzeption: Eva Zimmermann
11. und 12. 9., 10 bis 18 Uhr, Villa Schoeck

 

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