Musik und Recht: Selbstständig oder angestellt?

Aus der Rechtsberatungspraxis des Schweizerischen Musikpädagogischen Verbandes SMPV: Dr. iur. Yvette Kovacs, Rechtsberaterin des SMPV und Rechtsanwältin in Zürich, antwortet auf Fragen von SMPV-Mitgliedern.

Frage eines SMPV-Mitglieds: Ich bin Musiklehrperson an einer Musikschule und bin zusätzlich auch als Chorleiterin tätig. Nach einer längeren Krankheitsperiode will mir die Schulleitung nur meine Stunden als Lehrperson als Krankenlohn auszahlen und behauptet, meine Tätigkeit als Chorleitung sei im Auftragsverhältnis und daher hätte ich keinen Anspruch auf Krankenlohn. Dies, obwohl die Lehr – und Chorleitertätigkeit zusammen an mich vergeben wurden. Kann das rechtens sein?

Antwort Dr. Kovacs:

  1. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob die Tätigkeit als Chorleiterin im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses erfolgt oder in selbstständiger Tätigkeit ausgeführt wird.
  2. Fast jede Tätigkeit kann selbstständig oder unselbstständig ausgeübt werden. Darüber entstehen denn auch regelmässig Meinungsverschiedenheiten. Deshalb sollte die Tätigkeit schriftlich in einem Vertrag umschrieben sein. Insbesondere sollte auch die Frage geklärt werden, ob eine Anstellung oder eine Beauftragung erfolgt. Schlussendlich entscheidet die Ausgestaltung des konkreten Vertrages (und nicht der Titel), ob eine Anstellung oder eine freie Tätigkeit vorliegt. Je genauer diese umschrieben ist, umso eindeutiger kann die rechtliche Einordnung erfolgen.
  3. Zur Abgrenzung dieser Tätigkeitsarten haben die Gerichte eine ausgedehnte Praxis entwickelt. Dabei erachten sie folgende Abgrenzungskriterien als wesentlich:
    3a) Für die Selbstständigkeit sprechen insbesondere folgende Merkmale:
    – Freie Bestimmung der Arbeitszeit durch den Chorleiter
    – Der Chorleiter ist nicht an Weisungen des Chorvorstandes gebunden und übt die Tätigkeit in eigener Verantwortung aus.
    – Die Auswahl des Programmes erfolgt durch den Chorleiter.
    – Der Chorleiter hat sämtliche Sozialversicherungsbeiträge selbst zu bezahlen.
    – Der Chorleiter erhält ein Honorar für selbstständige Tätigkeit (nicht einen Lohn).
    – Es wird keine Vergütung im Krankheitsfall und für Ferien bezahlt.
    3b.) Für die Unselbstständigkeit (Anstellung als Arbeitnehmer) spricht insbesondere folgendes:
    – Der Chorleiter wird als Arbeitnehmer angestellt.
    – Der Chorleiter ordnet sich in die Organisation der Arbeitgeberschaft (Verein, Schule etc.) ein und richtet sich nach den Weisungen derselben.
    – Die Auswahl des Programmes erfolgt durch den Arbeitgeber.
    – Der Arbeitgeber bezahlt einen Lohn und zieht davon die Sozialversicherungsbeiträge ab.
    – Der Arbeitgeber bezahlt Krankheit und Ferien im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben.
  4. Nur im Anstellungsverhältnis ist die Lohnfortzahlung für eine beschränkte Zeit, in Abhängigkeit zur Anstellungsdauer, gesetzlich vorgeschrieben. Demgegenüber gilt für die selbssttändig Tätigen, dass sie grundsätzlich für sich selbst sorgen müssen und bei Krankheit nichts erhalten. Vorbehalten bleiben die Fälle, in denen ausdrücklich im konkreten Vertrag oder in einem Gesamtarbeitsvertrag festgehalten ist, dass bei Krankheit Leistungen vom Auftraggeber erbracht werden.
  5. Das Fazit ist, dass im vorliegenden Fall die einzelnen Abgrenzungskriterien festgestellt und eingeordnet werden müssen. Die Chorleiterin teilte in der Folge mit, dass sie sich auch bei der Chorleitungstätigkeit nach dem Stundenplan der Musikschule richten muss und die Konzertprogramme vorbestimmt seien. Zudem werden ihr AHV/IV/EO-Beiträge auf die Löhne aller Tätigkeiten abgezogen. Hinzu kommt, dass die Lehrtätigkeit zusammen mit der Chorleitung vertraglich geregelt ist. Das sind starke Indizien, dass beide Tätigkeiten einheitlich als Anstellungsverhältnis zu handhaben sind. Damit muss der Krankenlohn für beide Tätigkeiten gleichermassen ausbezahlt werden.

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