Ungerechtigkeit im Kanton Graubünden
Obwohl das Kulturförderungsgesetz des Kantons Graubünden vorsieht, dass Lehrpersonen an Bündner Musikschulen den gleichen Lohn wie Primarlehrpersonen erhalten, ist ihr Lohn um 25% tiefer. SMPV-Zentralvorstands-Mitglied und Grossrätin des Kantons Graubünden, Aita Biert, kämpft gegen diese Ungerechtigkeit.
Im Kulturförderungsgesetz (KFG) des Kantons Graubünden steht in Artikel 18² „Die Mindestjahresbesoldung und die Anzahl Unterrichtseinheiten für ein Vollpensum richten sich nach den Vorgaben für Primarlehrpersonen gemäss Schulgesetz.“ Tatsächlich ist es aber so, dass die festgelegte Lektionslänge bei Primarlehrpersonen 45 Minuten beträgt, die von Musiklehrpersonen 60 Minuten, wie das unter Missachtung des KFG in der Kulturförderungsverordnung von 2018 festgelegt worden ist. Bündner Musiklehrpersonen verdienen also faktisch einen Viertel weniger als ihre Kolleg*innen an Primarschulen, obwohl im KFG Lohngleichheit vorgeschrieben ist.
Liebe Aita, Du hast einen Auftrag (anderswo heisst das „Motion“) an die Bündner Regierung gestellt, diesen Missstand zu beseitigen. Wie wurde ursprünglich bei der Diskussion über die Kulturgesetzverordnung begründet, dass Musiklehrpersonen für den gleichen Lohn länger arbeiten müssen?
Aita Biert: Die Ratsmitglieder waren der Meinung, Musikunterricht brauche keine Vor- und keine Nachbereitung und die Verantwortung sei beim Musikunterricht, der oft Einzelunterricht ist, viel geringer als im Klassenunterricht.
Wir wissen ja beide, dass das nicht stimmt. Warum wehren sich die Musikschullehrpersonen nicht?
A.B.: Musiklehrpersonen haben ganz allgemein ein zu schwaches Selbstbewusstsein. Irgendwo geistert es noch immer durch ihre Köpfe, dass sie das Hobby zum Beruf machen durften, und sie sagen, sie seien „nur Musiklehrer*innen“.
Dabei sind sie Speziaist*innen, die mindestens ein Masterstudium abgeschlossen haben. Sie haben also eine höhere Qualifikation als Primarlehrpersonen. Aber sie haben Angst, ihren Job zu verlieren, wenn sie sich wehren, fürchten, die Schüler*innen würden weniger Unterricht nehmen, wenn er teurer wird und es könnten nur noch Kinder Gutsituierter den Musikunterricht besuchen. Dazu kommt, dass im Kanton Graubünden viele Grenzgänger*innen arbeiten, die den Lohn nicht als zu tief empfinden.
Du hast dann Deinen Auftrag zurückgezogen und den Gegenvorschlag der Regierung unterstützt. Warum das, und wie sah der aus?
A.B.: Die Regierung hat den Missstand erkannt. Ab 2026 wird die Abwicklung der Beiträge für Sing- und Musikschulen vom Amt für Kultur, Abteilung für Kulturförderung übernommen. Diesen Zuständigkeitswechsel sah die Regierung als Gelegenheit, die Unterrichtsstruktur und die Kostenfolgen grundlegend zu überprüfen und dann mit dem Verband Sing- und Musikschulen Graubünden (VSMG) und anderen Akteur*innen einen fairen Vorschlag auszuarbeiten, über den der Grosse Rat dann wieder hätte abstimmen können. Das schien mir sehr vernünftig. Es steht ja in der Verordnung auch, dass der Kanton maximal 14 Unterrichtseinheiten subventioniert pro Musikschüler*in und Jahr. Eine sofortige Anpassung hätte schon deshalb für massive Probleme gesorgt, weil plötzlich nur noch 10,5 statt 14 Stunden pro Jahr vom Kanton subventioniert worden wären. Aber ich hatte wirklich die Hoffnung, dass der Vorschlag der Regierung eine Ratsmehrheit finden könnte.
Der Rat hat den Vorschlag knapp mit 56 zu 48 Stimmen abgelehnt. Wie kam es zu diesem enttäuschenden Entscheid?
A.B.: Die Gegner drehten es so, dass wir eine Lohnerhöhung von 25% für die Musiklehrpersonen erreichen wollten, was sie schon verstehen könnten, sie hätten ja auch gerne mehr Lohn. Sie haben überhaupt nicht verstanden, dass es hier nicht um eine Lohnerhöhung sondern um die Gleichbehandlung der Musiklehrpersonen mit den Primarlehrpersonen geht, die im KFG festgelegt ist, also eigentlich um eine reine Umsetzung des Gesetztes, das sie selbst verabschiedet hatten. Das hat mich sehr enttäuscht!
Wie geht es nun weiter?
A.B.: Der Regierungsvorschlag, den J.D. Parolini eingebracht hat, wäre zielführend gewesen. Da dieser nun abgelehnt wurde, müsste die Regierung eigentlich von sich aus die Kulturverordnung dem Kulturgesetz konform anpassen, wie sie es von Beginn an hätte tun sollen. Ob sie das tut, werden wir sehen. Sonst müssen wir uns wirklich überlegen, ob nicht eine Klage sinnvoll wäre, weil das Gesetz ja klar missachtet wird. Den Kindergärtnerinnen des Kantons Graubünden ist es gelungen, über eine Klage, der stattgegeben wurde, den Primarlehrerlohn zu erstreiten. Vorläufig müssen der SMPV OstSüdost-Schweiz und der Verband Sing- und Musikschulen Graubünden juristisch abklären, ob eine solche Klage Aussicht auf Erfolg haben könnte. Und wir müssen die Musiklehrpersonen im Kanton für die Problematik sensibilisieren und sie motivieren, dem SMPV, ihrem Berufsverband beizutreten, damit wir eine immer grössere Gruppe sind, die sich gemeinsam für Gerechtigkeit und Gleichbehandlung einsetzen kann.
Hierher passt auch mein neues Lieblingsthema: „Musiklehrer*in, Musikpädagog*in“ müsste auch im Kanton Graubünden – wie bereits in den Kantonen Waadt und Luzern“ ein geschützter Beruf werden.
A.B.: Das würde der Anerkennung unseres Berufsstands sicher viel bringen, aber es ist noch ein sehr weiter Weg dahin. Ich hoffe, dass wir das Problem der ungleichen Besoldung schon vorher lösen können!

Aita Biert, Grossrätin SP des Kantons Graubünden und SMPV-Zentralvorstandsmitglied
