90 Jahre Orchestra della Svizzera italiana
Mit einem Festkonzert und einer Buchveröffentlichung hat das Orchestra della Svizzera italiana (OSI) am 16. Oktober in Lugano sein neunzigjähriges Bestehen gefeiert.

Auf dem Programm standen vier Werke mit einem engen Bezug zum Orchester: Die Ouvertüre Campo Marzio (1937) von Ernst Krenek, benannt nach dem Quartier in Lugano, wo damals das Radio seinen Sitz hatte, ein klassizistisches Divertimento des Dirigenten und Komponisten Otmar Nussio, der von 1938 bis 1968 Chefdirigent des Orchesters war, sowie die Uraufführung des pfiffigen Divertissement Mélancomique – ein hausgemachtes Werk, komponiert vom Geiger Duilio Galfetti und instrumentiert von seiner Orchesterkollegin Katie Vitalie. Den Abschluss bildete eine fulminante Interpretation der fünften Sinfonie von Beethoven, mit der 1935 die ersten Konzerte des Orchesters eröffnet worden waren. Unter der Leitung von Enrico Onofri, italienischer Spezialist für Alte Musik, zeigte sich das Orchester in bester Musizierlaune.
Der Präsident der Orchesterstiftung Mario Postizzi unterstrich in seiner Rede die wichtige kulturelle Funktion, die das OSI für die italienische Schweiz besitzt. Es ist das einzige Sinfonieorchester im Kanton Tessin und hat seine Residenz im 2015 eröffneten Kulturzentrums LAC (Lugano Arte e Cultura), gastiert aber auch in den Tessiner Regionen sowie im angrenzenden italienischsprachigen Teil des Kantons Graubünden. Mit seinem gesellschaftlichen Engagement, so Postizzi, leiste es einen bedeutenden Beitrag zur kulturellen Identität des Kantons Tessin. Dieser wird oft nur als Tourismusdestination wahrgenommen und muss sich bis heute seinen Platz zwischen Italien und der Deutschschweiz suchen.
Dirigierende Komponisten
Das OSI kann auf eine langjährige Zusammenarbeit mit bedeutenden Komponisten als Dirigenten ihrer eigenen Werke zurückblicken, darunter Ernst Krenek, Pietro Mascagni, Artur Honegger, Richard Strauss und Igor Strawinsky. Viele der frühen Aufnahmen sind leider nicht mehr vorhanden, sie sollen 1962 beim Umzug des Radios in die neuen Gebäude in Lugano-Besso «entsorgt» worden sein. Die jüngere Vergangenheit ist hingegen gut dokumentiert, so das 2002 gegründete Progetto Martha Argerich, in dem das OSI mit dem Dirigenten Diego Fasolis eine zentrale Rolle spielte.
Chefdirigent nach Nussio war ab 1968 dreissig Jahre lang Marc Andreae. Danach wurde der Posten des «direttore principale» auf Zeit eingerichtet, den zuletzt Markus Poschner innehatte. Andere Gastdirigenten auch mit längerer Verpflichtung waren Serge Baudo, Mikhail Pletnev, Vladimir Ashkenazy und gegenwärtig Krzysztof Urbański. Die bei ECM erschienene CD mit Werken von Alfred Schnittke und Paul Hindemith und mit der Solistin Anna Gourari (Dirigent Markus Poschner) errang 2025 bei den International Classical Music Awards (ICMA) den Preis in der Kategorie Gemischte Aufnahmen.
Buch zum Jubiläum
1991 trennte sich RSI vom Orchester. Eine staatliche Stiftung mit einem gesellschaftlich breit abgestützten Aufsichtsgremium wurde gegründet. Damit übernahm das OSI die erwähnte Rolle als identitätsbildende Institution in der italienischen Schweiz, die es seither sowohl in musikalischer als auch organisatorischer Hinsicht mit viel Einfallsreichtum ausfüllt. Ein kleines Buch von Lorenzo Sganzini Il respiro dell’orchestra (Der Atem des Orchesters), das nun beim Jubiläumskonzert der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, zeichnet den Weg des Orchesters und seine heutigen Aktivitäten detailreich auf.
www.osi.swiss
Streaming des Jubiläumskonzerts: https://www.rsi.ch/cultura/musica/I-primi-90-anni-dell%E2%80%99OSI–3206238.html
Lorenzo Sganzini: Il respiro dell‘orchestra, Edizioni Casagrande, Bellinzona, 2025 www.edizionicasagrande.com/libri_dett.php?id=2978