Dissonanter Knopfgiesser und Klangflächen für Solvejg
Bekannter als Henrik Ibsens Theaterstück ist Edvard Griegs Schauspielmusik zu «Peer Gynt». Das Basler Orchester TriRhenum spielte sie im Wechsel mit Lukas Langlotz’ «Rounds», das ebenfalls dem «nordischen Faust» nachspürt.

Das Sinfonieorchester TriRhenum fällt in der Basler Musiklandschaft durch seine oft originellen Programme mit eher selten gespielten Werken und Kompositionsaufträgen an Basler Komponisten auf. Oder durch besondere Konzertformate wie The Basel Night at the Proms. Gegründet wurde das ambitionierte Laienorchester mit Mitgliedern aus der Nordwestschweiz und Südbaden 1999 von dem aus England gebürtigen Dirigenten und Hornisten Julian Gibbons, der es bis heute leitet. Jährlich werden zwei Konzertprogramme erarbeitet. Das jüngste, aufgeführt in der Basler Martinskirche (mit Wiederholung in Reinach BL), war dem Thema «Peer Gynt» gewidmet. Es wurden aber nicht nur Ausschnitte aus Griegs Schauspielmusik op. 23 sowie die beiden Orchestersuiten op. 46 und op. 55 gespielt, sondern auch eine Uraufführung des 1971 geborenen Komponisten Lukas Langlotz: Rounds. Vier Tableaus zu «Peer Gynt». Langlotz ist in Basel kein Unbekannter, unterrichtet er doch an der Musikakademie Komposition, Musiktheorie, Gehörbildung und Partiturspiel. Studiert hat er unter anderem bei Rudolf Kelterborn und Betsy Jolas. Seine Werke haben oft einen religiösen Hintergrund oder beziehen sich auf historische Musik.
Die Konzertdramaturgie folgt dem Drama
Die Entscheidung, die Werke von Grieg und Langlotz nicht hintereinander, sondern ineinander verwoben aufzuführen, erwies sich als sehr gut. Die Sprecherin Dominique Gisler vertiefte das Verständnis mit eingeschobenen Zitaten aus dem Drama. Der Abend war eine hervorragende Motivation, sich mit Ibsens Werk über die Identitätssuche und -findung seines Helden zu beschäftigen. Peer Gynt, ein Reisender zwischen Traum und Realität, der Welt der Berggeister und der Welt des 19. Jahrhunderts, ist eigentlich eine durch und durch unsympathische Person ohne Empathie, ohne Respekt gegenüber Frauen, dafür mit grössenwahnsinnigen Weltherrschaftsfantasien. Als Kaufmann und Sklavenhändler in Afrika reich geworden, lügt er sich sein nutzloses Leben zurecht. Um alle seine Reichtümer betrogen, kehrt er als alter Mann nach Norwegen zurück. Der «Knopfgiesser», ein Todesengel oder Teufelsabgesandter, sagt ihm sein Ende voraus, gerettet wird er durch Solvejg, die ihr ganzes Leben in einer Hütte auf ihn gewartet hat und ihn liebt. Sie wird oft als Personifikation von Peers Seele interpretiert.
Ibsens Werk, gelegentlich als «nordischer Faust» bezeichnet, basiert zwar auf Feenmärchen, ist aber auch eine bitterböse Satire auf seine Zeit. Die lyrische und folkloristische Musik Griegs, der sich mit der Person von Peer Gynt überhaupt nicht identifizieren konnte, passt nicht besonders gut zum Drama, ist aber beim Konzertpublikum enorm beliebt. Für ein Amateurorchester wie das Sinfonieorchester TriRhenum, das von Julian Gibbons offensichtlich gut vorbereitet wurde, ist sie sehr dankbar. Man hörte einige herausragende solistische Leistungen (Viola, Oboe, Flöte, Klarinette) und eine sehr homogene Streichergruppe. Intonationstrübungen in den Bläsern fielen nicht allzu stark ins Gewicht.
Langlotz’ «Theatermusik»
Das Orcheste meisterte auch das neue Werk von Lukas Langlotz – in den Worten des Komponisten «Theatermusik ohne Bühne» – gut. Rounds verzichtet zwar auf ungewöhnliche Spieltechniken, ist aber durchaus zeitgenössische Musik, wenn auch nicht in ihrer avantgardistischsten Ausprägung. Der erste Teil, der Peer charakterisiert, könnte vielleicht auch vom späten Penderecki stammen, der zweite Satz, ein Scherzo in Rondoform, das einerseits die Trollwelt, aber auch die Atmosphäre im Irrenhaus in Kairo schildert, steht in der Tradition der Scherzos von Mahler oder Schostakowitsch, ohne aber deren Biss und grimmigen Humor zu besitzen. Die «Knopfgiesser»-Musik des dritten Teils – momentweise sehr dissonant – ist eindringlich, und der letzte Abschnitt, der Solvejg gewidmet ist, enthält schöne Klangflächen, aus denen der Pfingsthymnus Veni Creator Spiritus auftaucht. Er schliesst quasi mit einem Fragezeichen. Wie im Theaterstück bleibt das Ende offen. Das Publikum in der gut besuchten Kirche war begeistert.
