Nachruf auf Yvonne Naef (1957 – 2025)

Nur wenige Monate nach ihrer Pensionierung an der ZHdK ist die renommierte Schweizer Mezzosopranistin, Yvonne Naef, nach kurzer, schwerer Krankheit viel zu früh verstorben.

Mit Yvonne Naef verlieren wir eine aussergewöhnliche Künstlerin und Pädagogin, deren Wirken viele Menschen nachhaltig geprägt hat.

Yvonne Naef verbrachte einen großen Teil ihres Lebens auf der Bühne. International tätig als Mezzosopranistin sang sie an bedeutenden Opernhäusern und Festivals, darunter die Metropolitan Opera in New York, die Mailänder Scala, das Opernhaus Zürich, die Opéra Bastille sowie die Bayreuther Festspiele. Auf der Bühne entfaltete sich ihre künstlerische Präsenz mit ausgeprägter Autorität und Klarheit. Rollen wie Fricka (Die Walküre), Brangäne (Tristan und Isolde) Didon (Les Troyens) oder Eboli (Don Carlos) waren bei ihr niemals reine Demonstrationen von Können, sondern wurden durch ihre besondere Musikalität und Gestaltungskraft lebendig. Doch ihr Einfluss reichte weit über die Bühne hinaus und zeigte sich ebenso in ihrem künstlerischen Denken wie in ihrer pädagogischen Arbeit und ihrem menschlichen Wirken.

Im Zentrum ihres musikalischen Verständnisses stand stets die Musik selbst. Singen war für sie kein blosser interpretatorischer Akt, sondern ein bewusstes Sich-Einlassen auf Werk, Text und Augenblick. Sie verfügte über eine hohe technische Souveränität, verstand diese jedoch nie als etwas, das im Vordergrund stehen sollte. Entscheidend war für sie die Haltung, der Musik Raum zu öffnen und sie wirken zu lassen. Daraus erwuchsen jene Tiefe und Präsenz, die viele als unverwechselbar empfanden.

Yvonne Naef war eine Erscheinung von Autorität. Ihre Präsenz war klar, eindrücklich und von bemerkenswerter Dichte. Sie musste nichts behaupten und nichts hinzufügen. Ihr Bezug zur Kunst war geprägt von Demut, nicht im Sinne von Zurücknahme, sondern als ernsthafte Beziehung zu etwas, das grösser ist als man selbst.

Diese Haltung prägte auch ihre pädagogische Tätigkeit. Yvonne Naef arbeitete mit dem ganzen Menschen in einer stets warmherzigen Zuwendung, die zugleich forderte und trug und in der auch ihr subtiler Humor seinen Platz hatte. Klang, Sprache, Körper und Haltung bildeten für sie eine untrennbare Einheit. Sie wusste, wie der Körper so geführt werden kann, dass die Stimme frei wird, und wie Technik zu einem verlässlichen Fundament wird, das Hingabe erst ermöglicht. Ihr Unterricht zielte nicht auf Effekte, sondern auf Wahrhaftigkeit und Befähigung.

Als Pädagogin stellte sie hohe Anforderungen, getragen von Respekt vor der Kunst und vor den Menschen, die sich ihr anvertrauten. Sie besass einen wachen Blick für Entwicklung und begleitete viele junge Sängerinnen und Sänger durch entscheidende Phasen ihres künstlerischen und persönlichen Werdens.

Yvonne Naef hinterlässt Spuren in Stimmen und Lebenswegen, und sie weckte bei vielen ein tiefes Verständnis dafür, was es heisst, sich der Musik mit Hingabe und Wahrhaftigkeit zu widmen. Für viele wurde sie zu einer tragenden Figur, die Entwicklung ermöglichte und Vertrauen in den eigenen Weg wachsen liess.

Wir werden sie als Künstlerin, als Lehrerin und als aussergewöhnlichen Menschen vermissen. Für alles, was sie gegeben hat, sind wir dankbar.

 

Der SMPV trauert um Yvonne Naef, die dem Verband über viele Jahre hin treu verbunden war und die selbst einst ihr Lehrdiplom beim SMPV erworben hat.

Credit: Marco Borggreve

Das könnte Sie auch interessieren