In einem Projekt spielen neun Schweizer Pianistinnen und Pianisten Beethovens sinfonisches Werk auf dem Klavier und setzen ihm moderne Musik gegenüber. Ein Konzertbericht vom 18. Januar in Bern und ein Interview.

«Mit Mühe beherrschte ich meine Erregung, als ich die Treppe zu der ärmlichen Wohnung hinaufstieg, in der der grosse Mann lebte. Als ich die Tür öffnete, befand ich mich in einer Art Verschlag, der nicht nur schmutzig war, sondern sich auch in schrecklicher Unordnung befand.» Mit diesen Worten erinnerte sich Gioacchino Rossini an einen Besuch bei Ludwig van Beethoven. Stellen wir uns weiter vor, wie Beethoven mittendrin an seinem Hausinstrument, vielleicht einem Clavichord, sass und komponierte: Vor ihm verstreut lagen Blätter mit skizzierten Themenköpfen, Motivideen und Melodiefragmenten. Auf dem Clavichord verwandelte Beethoven diese erstmals in Klang.
Eine fiktive Szene, die zumindest in der Vorstellung am ersten Konzert des Projektes «10 x Beethoven» Realität wurde. Auf dem Programm stand Beethovens erste Sinfonie in der vierhändigen Klavierfassung von Hugo Ulrich (1827–1872), gespielt von der Berner Pianistin und Komponistin Erika Radermacher und Michael Kaufmann, dem Direktor der Hochschule für Musik in Luzern. Das erste sinfonische Werk Beethovens erklang in ganz schlichter, scheinbar ursprünglicher Weise. Klar, die Palette der Orchesterklangfarben musste auf der Strecke bleiben. Dafür kamen andere Elemente des Meisterwerks zum Vorschein: Besonders die einstimmigen Melodien, etwa zu Beginn der Sätze zwei und vier, beeindruckten. Der einfache, verletzliche Ton des Klaviers zog die Zuhörer sogleich in den Bann und man lauschte der Melodie vielleicht sogar aufmerksamer, als man es beim Orchester tun würde.

Gelungener Auftakt
Eingeleitet wurde die C-Dur-Sinfonie mit der äusserst kurzen Komposition Vision von Urgestalt von Erika Radermacher. In dem Stück, dominiert von repetitiven Staccatofiguren in tiefer Lage, bereitete die Mitinitiantin des Projekts die an diesem Abend vorherrschende Tonart C-Dur vor. Ohne Pause führte das Werk in die Vorstellung des berühmten Walzers von Anton Diabelli (1781–1858) über. Die danach folgenden 33 Variationen von Beethoven präsentierte Radermacher in einer äusserst rasanten und dynamischen Interpretation. Diese unterstrich einerseits den humoristischen Charakter des Werks, bot aber andererseits nur wenige Verschnaufpausen und erzeugte durch das mancherorts gar grosszügig eingesetzte Pedal beinahe clusterartige Klänge.
Was für Gegensätze: Vom spielerischen Spätwerk (Diabelli-Variationen) ging es zum ernsten Erstlingswerk (1. Sinfonie), vom Giganten der Klavierliteratur zum Orchesterwerk in Klaviertranskription. Obwohl man hie und da die ausgeprägte Dynamik der Walzer-Variationen vermisste, war es ein gelungener und überraschender Abschluss des Abends, der Lust auf mehr machte: Wie wohl die heroischen Töne der Eroica auf dem Klavier klingen mögen? Oder das pastorale Gewitter aus der sechsten Sinfonie? Oder der oft als Trauermarsch bezeichnete zweite Satz der siebten Sinfonie?

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