«… und plötzlich geht ihnen die Seele auf»

Peter Sigrist ist als Pädagoge, Sänger und Dirigent ein Allrounder. Seine Chöre leitet er mit Geschick und grosser Arbeit am Detail. Damit bringt er seine Sängerinnen und Sänger zu grossartigen Leistungen. Nach 45 Jahren nimmt er nun Abschied vom Konzertchor Luzern.

Peter Sigrist im Juni 2017. Foto: zVg

Peter Sigrist stammt aus einer Musikerfamilie. Sein Vater war Lehrer und Organist und auch der Vater seiner Mutter übte diesen Beruf aus. Peter wuchs mit vier Geschwistern im Luzerner Maihofquartier auf. Sein Vater war an der dortigen Kirche für das Orgelspiel zuständig und leitete den Kirchenchor, einen Männerchor, wie es damals in der Kirche üblich war. Eines Tages ruft er den Sohn ins Studierzimmer und übt mit ihm die Partie des Solosoprans. Schliesslich übernimmt der Neunjährige im Chor diese Stimme. Das wiederholt sich bis er zwölf Jahre alt ist, dann entscheidet der Bub, nicht mehr öffentlich zu singen. Er befürchtet, dass seine Stimme nicht mehr halten könnte.

Nach der obligatorischen Schulzeit besucht Peter das Lehrerseminar und nimmt Orgelstunden an der Kirchenmusikschule bei Josef Bucher. Er unterrichtet mit zwanzig an der Gesamtschule im Ebnet, dann als Lehrer und Organist in Ettiswil, einem Dorf mit einer wundervollen Barockkirche, später auch in Dagmersellen. Neben der Lehrtätigkeit schreibt er sich an der damaligen Kirchenmusikschule ein und lässt sich als Organist, Dirigent und Sänger weiter ausbilden. «Ich tat es aus purer Lust an der Musik und weil ich mich verbessern wollte. Eine Vorstellung von meiner Karriere hatte ich nicht.»
 

Singen, dirigieren, unterrichten

Neben Unterricht und Musikstudium tritt Peter Sigrist als lyrischer Tenor auf, wo immer er angefragt wird. Als 22-Jähriger singt er die Arien aus J. S. Bachs Johannespassion nach nur kurzer Vorbereitungszeit. «Das darf dir nie wieder passieren», sagt er sich. Er nimmt sich vor, in Zukunft nur noch gut vorbereitet an Konzerten aufzutreten. In dieser Zeit übt er täglich auch vier Stunden an der Orgel.

Mit 27 Jahren legt er das Orgeldiplom mit der Bestnote ab. Neu unterrichtet er am Lehrerseminar Luzern (Musik und Orgel). Dazu kommen Gesangsstunden und Stimmbildungsmethodik an der Hochschule Luzern. Er erhält immer mehr Engagements als Sänger in allen grossen Städten der Schweiz und auch im Ausland. Oft singt er mit seiner zweiten Frau, der Sopranistin Rosmarie Hofmann, und gründet das Gesangsquartett musica sacra.

1972 ruft er den Chor des Kantonalen Lehrerseminars Luzern ins Leben: Als seine erste Klasse zum Abschluss kommt, wünscht sie, weiter im Chor zu singen. Von nun an finden die Proben ausserhalb der Schulzeit statt, jeden Dienstag ab 18 Uhr. Das ist bis heute so. Einzig der Name wurde angepasst: Konzertchor Luzern heisst er seit 2001. Anfänglich waren es rund fünfzig Singende, dann wurde der Chor bekannter, hatte Auftritte mit grossartigen Werken wie Le Laudi von Hermann Suter, Gloria und Stabat Mater von Francis Poulenc, Paulus und Elias von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Immer mehr Personen zeigten Interesse und wollten mitsingen. Heute zählt der Chor 110 Mitglieder. 1982 bis 2014 führte Peter Sigrist auch den Jungen Konzertchor Zürich und war immer wieder Gastdirigent in Deutschland.
 

Dranbleiben und Abschied nehmen

Mit sechzig Jahren lässt sich Peter Sigrist pensionieren und arbeitet als nun freier Sänger und Dirigent. Als Chordirigent gefällt ihm das Dranbleiben, sei es bei der Intonation, der Sprache, der Dynamik. Er kann begeistern. «Ich gebe alles, um die Singenden zu motivieren. Soll ein Konzert aber gelingen, bedeutet das harte Arbeit: üben, wiederholen, und immer wieder proben.» Es ist der Fortschritt, der ihn fasziniert. «Laien singen anfänglich verhalten, aber wenn sie sicher sind, geht ihnen plötzlich die Seele auf. Das ist unglaublich schön.»

Zum Abschied dirigiert Peter Sigrist am 12. November 2017 im KKL die 2.Sinfonie (Lobgesang) von Felix Mendelssohn-Bartholdy mit dem Konzertchor Luzern. Es war sein Wunsch, dieses Werk mit dem Barockorchester Capriccio aufzuführen. Der Abschied vom Konzertchor falle ihm nicht schwer, sagt der Dirigent überzeugt. Er habe sich zwei Jahre darauf eingestellt. Dann doppelt er verhalten nach: «Wie es nach dem letzten Konzert aussieht, wird sich weisen.» Sein Musizieren wird sich dann aufs Klavierspielen beschränken. «Ich möchte meine neu gewonnene Freiheit geniessen. Ich war mein ganzes Leben lang immer engagiert. Jetzt will ich frei sein.»
 

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