Musizieren, eine Herzenssache

Was ist beim Musizieren im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu beachten?

Sebastian Barth, Sebastian Kerber — Die Sensibilität für Musikererkrankungen besteht erfreulicherweise seit vielen Jahren. Dabei werden insbesondere Erkrankungen, die den Musiker in der Ausübung seines Instrumentes einschränken, frühzeitig erkannt und entsprechend behandelt. Zu diesen Erkrankungen gehören z.B. orthopädische Probleme, neurologische Störungen, die Musikerdystonie und das Lampenfieber. Kardiovaskuläre Aspekte blieben hingegen relativ lange unbeachtet.

Historisch betrachtet mussten berühmte Musiker unterschiedlicher Stil-Epochen verschiedenste Erkrankungen erleiden. Dabei spielten nicht selten kardiovaskuläre Erkrankungen eine Rolle. Arnold Schönberg erlebte selber eine Reanimation, die zum damaligen Zeitpunkt noch durch eine heroische Injektion direkt ins Herz erfolgreich war. Thorakale Schmerzen sind ein häufiges Leitsymptom für Herzkreislauferkrankungen. Seit einiger Zeit ist mit der Tako Tsubo-Kardiomyopathie eine wichtige Differentialdiagnose dazugekommen. Dabei kommt es stressinduziert zu einer Herzleistungsschwäche, die im Extremfall zu einer intensivmedizinischen Behandlung führen kann. Insbesondere bei exponierten Musikern kann dieses Krankheitsbild durch exzessiven emotionalen und physischen Stress ausgelöst werden. Besonders häufig betroffen sind post-menopausale Frauen (80 Prozent der Patienten), wobei die Prognose insgesamt mit einer Krankenhausmortalität von 1 bis 3 Prozent gut ist.

Die «Volkskrankheit» Bluthochdruck spielt bei aktiv Musizierenden eine grosse Rolle. Zahlreiche Musikergruppen sind erheblichen Blutdruckanstiegen ausgesetzt, da Proben- und Auftrittssituationen erhebliche Stress-Situationen darstellen. Besonders exzessive Blutdruck- und Herzfrequenzanstiege sind bei Bläsern dokumentiert worden.

Aufgrund der fortschreitenden Überalterung der westlichen Welt gewinnt die Diagnostik und Therapie der Herzinsuffizienz zunehmend an Bedeutung. Neben ihrer prognostischen Bedeutung führt sie ähnlich wie eine Depression oder Dialysepflichtigkeit zu einer erheblichen Einbuße an Lebensqualität. Unbehandelt hat die Herzinsuffizienz eine schlechte Prognose. Zur Festlegung des therapeutischen Vorgehens ist die Klärung der Grunderkrankung unentbehrlich. Zu den häufigsten gehören dabei die koronare Herzerkrankung, Herzklappenfehler, Bluthochdruck, Rhythmusstörungen und die Myokarditis.

Ein wichtiges Begleitsymptom der Herzinsuffizienz stellt die Depression dar, wobei weiterhin unklar ist, ob sie Folge oder Ursache der Herzinsuffizienz ist. Bei depressiver Grundstimmung wird daher eine weiterführende Diagnostik bezüglich einer zugrunde liegenden Herzschwäche empfohlen.

Aufgrund der weiterentwickelten Diagnostik- und Therapieverfahren in der invasiven Elektrophysiologie hat dieser Bereich der Kardiologie enorm an Bedeutung bei Musikern gewonnen. Die Einteilung der Herzrhythmusstörungen erfolgt dabei nach dem Ursprungsort (Vorhof oder Kammer) und der Frequenz (Tachykardie oder Bradykardie). Hervorzuheben ist dabei in erster Linie das Vorhofflimmern, welches die häufigste Rhythmusstörung darstellt. «Herzrasen», «Herzstolpern», Ohnmachtsanfälle, Schwindel oder Wärmegefühl sind dabei häufig geschilderte Symptome. Neben der Anamneseerhebung ist die EKG-Dokumentation von zentraler Bedeutung, um die Herzrhythmusstörung zu identifizieren. Die invasive elektrophysiologische Untersuchung bietet zusätzlich den Vorteil, diagnostizierte Herzrhythmusstörungen in gleicher Sitzung zu abladieren und damit den Patienten zu heilen. Die Abgrenzung somatischer Befunde von psychischen Problemen ist oft besonders schwierig. Nicht selten muss eine ambulante Diagnostik «am Arbeitsplatz» mit dem Instrument vor Ort erfolgen, um Herz-Kreislaufveränderungen oder Herzrhythmusstörungen situativ zu erfassen.

Diagnostik und Therapie werden dann gelingen, wenn neben einer breiten internistischen und kardiologischen Ausbildung ein hohes Mass an Sensibilität für die berufsspezifische Situation von Musikern und eine tiefgehende Kenntnis der Effekte des Instrumentes bestehen.

Dr. med. Sebastian Barth, Oberarzt Kardiologie, Herz- und Gefäss-Klinik Bad Neustadt

Prof. Dr. med. Sebastian Kerber, Chefarzt Kardiologie I Herz- und Gefäss-Klinik Bad Neustadt

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