Confoederatio Ludens

Das interdisziplinäre Forschungsprojekt CH Ludens arbeitet Schweizer Geschichte digitaler Spiele zwischen 1969 und 2000 auf – mit einem speziellen Augenmerk auf Sound und Musik an der Universität Bern.

Digitale Spiele schauen auf eine gut 50-jährige Geschichte zurück. Sie machen nicht nur den grössten Teil Unterhaltungs-
industrie weltweit aus, sondern sind auch ein Kulturgut und kommen vermehrt in den Fokus von Politik und Wissenschaft. Die seit der Jahrtausendwende etablierte Forschungsdisziplin der Game Studies hielt für lange Zeit auf einer auf die USA und Japan beschränkten Perspektive fest. Erst seit kürzester Zeit kommt das Bewusstsein einer eigenständigen, dynamischen und einflussreichen Geschichte digitaler Spiele in Europa und anderen Regionen auf, so hatte auch die Schweiz eine lebendige Szene von Spielern und Spieleentwicklung. In einer «Contre Histoire» arbeitet nun das Forschungsprojekt CH-Ludens dieses
Kulturerbe auf.

Sound und Musik in digitalen Spielen
Die 1980er und 1990er Jahre stellen einen Wendepunkt in Audiodesign digitaler Spiele von blossen funktionalen Biepen zu differenzierten plattform- und regionalspezifischen Ästhetiken dar. Erkennbare Sounds und Melodien zu schaffen war eine technische Herausforderung. Entweder fehlten eigenständige Soundchips oder sie mussten für jede Computerplattform eigens kodiert werden, und selbst dann hörten sich Melodien auf verschiedenen Geräten unterschiedlich an. Während die ersten Computer lediglich einen einkanaligen Bieper hatten, ermöglichten spätere Soundchips unterschiedliche Frequenzen, die möglichen Tonalitäten hörten sich jedoch oft fremdartig für das europäische Ohr an. So entwickelten sich individuelle Sounds von digitalen Spielen wie zum Beispiel die Atari-VCS Tonalität. Medienhistorisch waren diese entscheidende Momente für die Bildung spieletypischer Musik und Earcons, die bis heute Anwendung finden. Aus der Perspektive der kulturellen Anthropologie der Musik untersucht Addrich Mauch von der Universität Bern im Rahmen dieses Projekts spezifisch Schweizer Game Audio Designs dieser Zeit, ihre einzigartige ästhetische und funktionale Charakteristik sowie den kulturellen und technischen Einfluss im Kontext der globalen Spieleentwicklung.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Während sich die Game Studies an der Hochschule der Künste in Bern und der Universität Bern gerade erst etablieren, war die Zürcher Hochschule der Künste ZHdK die erste, die ein eigenes GameLab aufbaute und seither eine Reihe von Konferenzen veranstaltet und verschiedene Bücher veröffentlicht hat. Diesem Beispiel folgten kürzlich die Universität Lausanne UNIL (und die École Polytechnique Fédérale de Lausanne EPFL) mit eigenen GameLabs. Unter der Leitung von Eugen Pfister versammelt das SNF-Sinergia Projekt 20 Forschende von den vier Hochschulstandorten der Schweiz mit dem gemeinsamen Interesse der Geschichte digitaler Spiele in der Schweiz, wobei die unterschiedlichsten Methoden und wissenschaftlichen Fragen aufeinander treffen. Die akademischen Hintergründe reichen von kultureller Anthropologie der Musik, Literaturwissenschaften, Geschichte, Game Design und Game Design Studies, Digital Humanities, Grafikdesign, Linguistik bis zu Medienwissenschaften und vielen anderen.

Einerseits will mit interdisziplinären Ansätzen möglichst viel voneinander gelernt werden, und andererseits soll ein besseres Verständnis der
Digitalisierung der Schweizer Gesellschaft im 20. Jahrhundert geschaffen werden, indem digitale Spiele als kulturelle Technik verstanden werden. Darüber hinaus ist das Projekt ein wichtiger Schritt zur Bewahrung eines kulturellen Erbes der Schweiz, das in Vergessenheit zu geraten droht.

chludens.ch

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