Eine Schule für die Ewigkeit

Es war einmal ein junger Jazzmusiker, der hatte einen Traum: eine Jazzschule in Basel. Was im Jahr 1986 mit zwei Kellerräumen im Sommercasino begann, hat mit der Luxusschule an der Utengasse, die am 19. September 2014 eröffnet wird, nichts mehr gemein.

Aufnahme- und Performancesaal. Fotos: Niklaus Rüegg

Klaus Hubmann, Geschäftsführer Habitat, Stephan Schmidt, Direktor der Musik-Akademie und Bernhard Ley, Leiter Abteilung Jazz, Hochschule für Musik Basel, war die grosse Genugtuung anzusehen, als sie einer riesigen Schar von Medienleuten den neuen Jazzcampus vorstellten. Sichtlich stolz, doch auch bescheiden und dankbar, berichteten sie von den Vorzügen dieses Märchenhauses an der Utengasse 15/17, mitten im Herzen von Kleinbasel. Und die Journalisten rieben sich ungläubig die Augen. Was sie hier sahen, gibt es in Kultur und Bildung heute eigentlich gar nicht mehr – es sei denn, man trifft auf Kreise, die ein Interesse und die Finanzen dafür aufbringen. So geschehen, als «Mister Jazzschule» Bernhard Ley bei der Suche nach neuen Schulräumlichkeiten von den Stiftungen Habitat und Levedo unverhofft den Vorschlag unterbreitet bekam, im Rahmen der Quartierbelebungspläne an der Utengasse einen neuen Jazzcampus zu verwirklichen.

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Bernhard Ley, Klaus Hubmann, Stephan Schmidt (v.l.)

Auf diese wundersame Weise kam eine kleine Schule mit ganzen 250 Lernenden, 64 Studierenden und 45 Lehrpersonen in den Genuss eines im Grunde überdimensionierten Musentempels mit einer weltweit einzigartigen Infrastruktur. Zum Thema Geld wurde gegen aussen Stillschweigen vereinbart, doch dürften die Gesamtkosten grob geschätzt im oberen zweistelligen Millionenbereich liegen.

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Die Gebäudekuben sind der historisch gewachsenen Struktur nachempfunden.

Das Beste grade gut genug

Die Ausgangslage war paradiesisch: 2008, drei Jahre vor Baubeginn, fing man an sich Gedanken zu machen. Stiftungsverantwortliche, Architekten, Pädagogen und Studierende begaben sich auf die «grüne Wiese» und dachten sich die ideale Schule aus. Man hatte im Ausland etliche Schulen angeschaut, Brainstormings und Seminare mit Studenten organisiert. Ideen, Wünsche, «Nice-to-Haves» wurden gesammelt. Im Mai 2011 wurde mit dem Bau begonnen. Die alten Fabrik- und Wohngebäude wurden allesamt abgerissen. Nur das geschützte Frontgebäude an der Utengasse blieb erhalten. Damit die Bauarbeiten überhaupt vonstatten gehen konnten, mussten Teile eines historischen Nebenhauses erst ab- und anschliessend wird aufgebaut werden. Die Architekten Buol&Zünd haben einen Neubau in historisierender Ästhetik verwirklicht, mit Gebäudeteilen in hellem Sichtbackstein, die in verschiedenen Winkeln zueinander angeordnet sind. Die zwei Untergeschosse, das Erdgeschoss und die vier Obergeschosse des neuen Schulgebäudes beinhalten ein Volumen von 23’400m3 und fast 6000 m2 an Bruttogeschossfläche, was 30 Einfamilienhäusern entspricht. Der Innenhof behielt seine ursprüngliche Schräge. Unter einer Backsteinlaube lädt ein Open-Air-Cheminée zum gemütlichen Verweilen ein.

An Materialien wurde nicht gespart, im Gegenteil. Mit der zweitbesten Lösung gab man sich nie zufrieden, auch wenn die beste drei Mal so teuer war. Akustisch wurde das bestmögliche Konzept verwirklicht. Bevor die 49 Musikräume individuell ausgestattet wurden, hatte man Schallabsorber in einen Testraum eingebaut und so die akustischen Eigenschaften simuliert. Jeder Raum bekam bewusst eine eigene Akustik, Die Hoch-, Mittel- und Tieftonabsorber wurden unterschiedlich angeordnet und tragen damit den unterschiedlichen Klangvorstellungen der Musiker beziehungsweise den Besonderheiten der Instrumente Rechnung. Neben zwei top eingerichteten Studios mit Aufnahmeräumen, gehören ein Jazzclub, ein Performancesaal, ein Aufnahmesaal und ein Bewegungssaal mit jeweils weit über 100 m2 Fläche zum grosszügigen Raumangebot.

Die extrem hohen Anforderungen an die Bauakustik verlangten eine Massivbauweise. Die optimal gedämmte Aussenhülle sorgt für einen sehr geringen Energieverbrauch und besitzt die höchste Schallisolationsstufe. Die beiden Studios sind als «Haus im Haus» gebaut worden. Zwischen den beiden Mauern gibt es einen Zwischenraum ohne Schallbrücken, so dass nicht einmal ein Helikopter direkt über Haus gehört werden kann. Die Studios werden sowohl mit digitaler als auch analoger Aufnahmetechnik ausgestattet, was heutzutage eine Exklusivität darstellt. Sämtliche Räume sind einzeln mit separaten Lüftungsrohren mit fünfzehn Monoblocks im zweiten Untergeschoss verbunden. So werden Schallbrücken zwischen die Räumen vermieden. Auch elektrisch ist jeder Raum autonom und mit eigenen Sicherungen ausgerüstet.
 

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Architekt Marco Zünd erklärt die Vorzüge des Performancesaals «Black Box».

Eine seltene Konstellation
Es ist tatsächlich wie im Märchen, was Bernhard Ley in den vergangenen drei Jahrzehnten widerfahren ist, ein Märchen, in dem der heutige Direktor der Hochschule für Musik – Abteilung Jazz ein zentraler Akteur war. Noch als Student der Jazzgitarre an der Musikhochschule Graz hatte er die Fäden gesponnen. Als er in seine Heimatstadt zurückkehrte, konnte er den Unterrichtsbetrieb im «Jazzcasino» auf rein privater Ebene aufnehmen. 1991 wurde ein Trägerverein zum Zweck der Gründung einer Berufsabteilung mit Anerkennung durch den Schweizerischen Musikpädagogischen Verband (SMPV) gegründet. Fünf Jahre später erfolgte der Einzug an der Reinacherstrasse. 1999/2000 ermöglichte ein «zu Null»-Entscheid im Grossen Rat die Integration der Berufsabteilung in die Musikakademie Basel. Die Allgemeine Abteilung zog im Jahr 2007 nach. Kaum hatte der umtriebige Direktor die Allgemeine Abteilung ebenfalls unter Dach und Fach, dachte er einen Schritt weiter. Da die Räumlichkeiten an der Reinacherstrasse allmählich zu eng wurden und die Infrastruktur den Anforderungen einer international ausgerichteten Schule nicht mehr genügten, machte sich Ley auf die Suche nach einem neuen Domizil. Im Rahmen der Neukonzeption des Volkshauses am Claraplatz evaluierte er eine mögliche Zusammenarbeit. Davon bekam die Stiftung Habitat Wind – der Rest ist Geschichte.

Der Jazzcampus ist eine Schule für die Ewigkeit – das Modewort «Nachhaltigkeit» ist hier nur der Vorname –, die in der Szene bereits weltweit für Aufsehen sorgt. Bernhard Ley rechnet denn auch mit einer starken Internationalisierung der Studenten- und Dozentenschaft. Der Jazzcampus ist als offene Schule konzipiert, die für Studierende und Lehrkörper 24 Stunden zugänglich ist. Offen soll sie auch für die Stadt sein. Der Jazzclub, für 150 Zuschauer ausgelegt, soll das Volk anlocken und für den Jazz begeistern.

www.jazzcampus.com

 

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