Ein Land von Popkopisten

Das Museum für Kommunikation in Bern spielt Reisebegleiter und führt mit seiner Ausstellung «Oh Yeah! Popmusik in der Schweiz» durch 60 Jahre helvetische Popgeschichte. Man setzt auf Hörerlebnisse und will vor allem eins auslösen: Emotionen.

Wo spielte die Musik Mitte der 1960er-Jahre? Foto: Museum für Kommunikation / Hannes Saxer

Bei der Führung durch Oh Yeah! Popmusik in der Schweiz rät Popchronist Sam Mumenthaler: «Kopfhörer einstöppseln und zuhören, unbedingt.» Denn die Ausstellung im Museum für Kommunikation in Bern erschliesst sich dem Besucher nicht zuletzt dank umfangreichen Audiodokumenten – die Macher haben nahezu 420 Minuten an Hörmaterial zusammengetragen. An zahlreichen Stationen lässt sich in die Popgeschichte eintauchen. Man kann vergessenen Schweizer Singleperlen wie Honolulu Rock (1960) von den Honolulu Girls oder Be Bop A Lula (1963) von Les Faux Frères aus der Romandie lauschen. Oder den Kommentaren von Radiomoderator François Mürner – Spitzname: FM – folgen, der bei seinen Einspielungen unter anderem darauf besteht, dass der Pop der Neunzigerjahre besonders kreativ gewesen sei.

Hörbar machen
Die auf zwei Räume und über 350 Quadratmeter verteilte Schau wartet nicht zuletzt mit Originalobjekten auf. So begegnet man einem Verstärker von Jimi Hendrix, Hazy Osterwalds Trompete mit Namen «Susy» oder einer blutbeschmutzten Setlist von Züri West. Mumenthaler, bis 1986 Schlagzeuger bei den Berner Mundartrockern, erinnert sich an die Begleitumstände: «Bei einem Konzert in Schaffhausen sprang Sänger Kuno Lauener hoch, stiess an die tiefe Decke, holte sich einen Schwartenriss und musste kurz ins Spital.» Das Ziel der zwei Kuratoren, Kurt Stadelmann und Sam Mumenthaler, war es jedoch nicht, bloss unzählige Memorabilien zusammenzutragen, sondern sie wollten den Pop, Rock und Punk ins Zentrum stellen. Anders als die im vergangenen Jahr vom Basler Museum für Musik präsentierte Sonderschau pop@basel (siehe SMZ 12/2013, S. 26) ist der Blickwinkel in Bern nicht lokal, sondern national – und überaus breit. «Wir wollten keine Ausstellung zu irgendwelchen Stars machen», betont Stadelmann. Oh Yeah! Popmusik in der Schweiz lebe vielmehr vom Sound und den gezeigten Videoclips. «Wir möchten Emotionen auslösen.»

Die Frage, wie man Musik zeige, habe sich bei den Vorbereitungen als grösste Herausforderung herausgeschält, sagt Mumenthaler. Die technische Lösung, dass ein Besucher seinen Kopfhörer bloss einzustöppseln und nicht erst einen Startknopf zu drücken braucht, war auf dem Markt nicht aufzutreiben. Das Museum für Kommunikation hat es trotzdem hinbekommen.

Vor zwanzig Jahren wäre eine derartige Schau noch nicht machbar gewesen, ist sich Stadelmann sicher. Wohl auch, weil sich die Medien bis weit in die Achtzigerjahre kaum je seriös mit dem Thema Pop auseinandersetzten. Als vor 30 Jahren die Privatradios in der Schweiz entstanden und sowohl DRS3 als auch sein Westschweizer Pendant, Couleur 3, gegründet wurden, kam frischer Wind auf. Dies führte zu einer Professionalisierung der Musikszene – und zwar auf sämtlichen Ebenen. Ein Brief, wie ihn die Honolulu Girls, die erste Girl Group der Schweiz, noch 1960 aufsetzten, wäre 25 Jahre später nicht mehr denkbar gewesen: Die vier Baslerinnen fragten – und das schier untertänig – beim Radiostudio ihrer Heimatstadt an, ob sie denn wohl einmal beim Sender spielen könnten.

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