Winterthurer Jugendsinfonieorchester auf Mauritius

Auf ihrer dreiwöchigen Tournee erhielten die Mitglieder des Winterthurer Jugendsinfonieorchesters praktischen Einblick in den Berufsmusikeralltag. Neben einer Operette brachten sie Sinfoniekonzerte zu Gehör und musizierten mit Kindern und Jugendlichen aus lokalen Musikschulen.

Die ganze «Orphée»-Truppe. Foto: zVg,Foto: zVg,Foto: zVg

Wie jeden Sommer machte sich das Winterthurer Jugendsinfonieorchester (WJSO) des Konservatoriums auf zu seiner traditionellen Orchestertournee. Dass es dieses Mal auf die Insel Mauritius im Indischen Ozean gehen und die Dauer der Tournee drei Wochen betragen würde, hätten sich aber die wenigsten erträumen können. Für ein lokales Projekt zur Belebung der Musik- und Opernkultur wurde das WJSO unter der Leitung von Simon Wenger Mitte Juli nach Mauritius eingeladen, um den Orchesterpart in der Operette Orphée aux Enfers von Jacques Offenbach zu übernehmen. Wer nun denkt, das Orchester hätte es sich an den atemberaubenden Stränden gemütlich gemacht, hat weit gefehlt. Sechs Aufführungen der Operette standen auf dem Programm, ebenso ein zusätzliches sinfonisches Programm mit drei Konzerten, sowie tägliche Probenarbeit.

Die Inszenierung des Orphée – dessen bekanntestes Stück zweifelsohne der Can-Can in der Unterwelt ist – wies dabei multikulturellen Charakter auf. Der Chor setzte sich aus lokalen Sängerinnen und Sängern zusammen, die Solisten stammten aus Neuseeland, Deutschland und Mauritius, der Dirigent Martin Wettges reiste von Deutschland an, und das Schweizer Orchester machte sich auf den Weg in das 9000 Kilometer entfernte Mauritius. Solche Projekte bieten für junge Musiker eine ausgezeichnete Möglichkeit, Einblick in den zukünftigen Alltag eines Profimusikers zu erhalten, spielte man doch täglich manchmal mehr als sieben Stunden. Auch der turbulente Opernbetrieb – vom ersten Zusammentreffen mit dem Chor, dem Einstudieren der Solistenpartien, der Einbettung in die Dramaturgie bis zu den Aufführungen selbst – war sowohl herausfordernd wie auch beindruckend.

Image
Das Winterthurer Jugendsinfonieorchester spielt Beethoven auf Mauritius

Da in Mauritius klassische Sinfoniekonzerte eine Seltenheit sind, entschied sich das WJSO, neben der Musik zur Operette zudem mit einem Sinfonieprogramm im Gepäck anzureisen. So wurden an den theaterfreien Abenden Beethovens Sinfonie Nr. 1, die Zigeunerweisen von Pablo de Sarasate mit dem virtuosen jungen Berner Violinisten Danilo Oliviera als Solisten, und die Suite über sechs schweizerische Volkslieder des Schweizer Komponisten Rolf Liebermann aufgeführt. Für die Bevölkerung aus Mauritius waren diese Aufführungen ein besonderes Highlight, die Konzerte wurden zahlreich besucht und die Kritiken danach waren begeistert.

Image
In der Musikschule Vent d’un rêve

Eine aussergewöhnliche Erfahrung war der Austausch mit den lokalen Musikschulen in Mauritius. Für ein einmaliges Konzert wurde beispielsweise das Jugendorchester des Conservatoire François Mitterand mit dem WJSO zusammengelegt, wodurch ein 80-köpfiges Orchester entstand. In dieser Besetzung wurde sowohl ein Stück eines jungen Komponisten aus Mauritius sowie als krönender Abschluss die Polovtsian Dances des russischen Komponisten Alexander Borodin gespielt. Ebenso durften einige Orchestermitglieder aus Winterthur die private Musikschule Vent d’un rêve für Kinder aus armen Verhältnissen besuchen, wo die Musikerinnen und Musiker ihre Instrumente vorstellten und einige Stücke vorspielten. Für die Kinder, welche viele Instrumente nur von Bildern kannten und beispielsweise nie eine Oboe in echt gesehen hatten, war dieser Besuch etwas Aussergewöhnliches. Aber auch die Mitglieder des WJSO wurden sich an diesem eindrücklichen Nachmittag bewusst, wie glücklich sie sich schätzen konnten, in einem derart die klassische Musik fördernden und pflegenden Land wie der Schweiz leben und studieren zu dürfen.

Trotz des strengen Programms gab es aber auch Zeit, die traumhaften Strände und die eindrückliche Landschaft der Insel geniessen zu können. So wurden verschiedene Exkursionen angeboten – sei es ein Ausflug mit einem Katamaran zum Delphine-Beobachten, Schnorcheln, Baden und zu Barbecue, sei es ein Besuch in einem botanischen Garten oder eine Wanderung in einem der grossen Nationalparks der Insel –, um die Köpfe der Musikerinnen und Musiker vom Probe- und Aufführungsstress zu entlasten. Gerade aber der persönliche Kontakt mit den Menschen von Mauritius selbst führte zu wunderschönen und bleibenden Erlebnissen. So waren alle Musikerinnen und Musiker bei lokalen Gastfamilien untergebracht, nach dem ersten Kennenlernen mit den Mitgliedern des Operettenchors traf man sich am Strand oder in einer Bar und genoss die kurze Zeit, die man zusammen verbringen konnte. Zweifelsohne, jeder und jede, seien es die Musikerinnen und Musiker aus der Schweiz oder die Beteiligten aus Mauritius selbst, konnten unbeschreibliche Erfahrungen und Erlebnisse sammeln. Bleibt zu hoffen, dass diese Zeit – «the Mauritian experience» – bei allen noch lange nachklingen wird.

Das könnte Sie auch interessieren