C’est le vent qui fait la musique

Ende Januar wurde in Bern ein neues Museum eröffnet, dessen Besuch jedem Musikliebhaber wärmstens empfohlen sei: Die «Klingende Sammlung», fast ausschliesslich Blasinstrumente aus drei Jahrhunderten, ist nicht nur ein optisches, sondern auch ein akustisches Vergnügen.

Foto: S. v. Allmen/Klingende Sammlung,Foto: Klingende Sammlung,Foto: S. v. Allmen/Klingende Sammlung

Das neue Museum, das sich offiziell Klingende Sammlung / Zentrum für historische Musikinstrumente nennt, hat eine lange Vorgeschichte. Der Berner Karl Burri (1921–2003) hatte seit 1945 ein Geschäft für Verkauf und Reparatur von Blasinstrumenten. Ab 1964 begann er systematisch Blasinstrumente zu sammeln, die er sowohl von Kunden erhielt als auch von Herstellern kaufte oder auf Flohmärkten fand. Seine Passion für interessante Exemplare aller Art und seine Kenntnisse als Blasinstrumentenmacher führten zu einer in quantitativer und qualitativer Hinsicht aussergewöhnlichen Sammlung, die ab 1970 in einem eigenen Museum in Zimmerwald in der Nähe von Bern ausgestellt wurde. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts umfasste sie weit über 1000 Ausstellungsstücke, einige davon von überragender Bedeutung für die Geschichte des Instrumentenbaus. Besonders gut dokumentiert sind die Instrumente des 19. Jahrhunderts aus der Schweiz, Deutschland und Frankreich. Von den grossen Instrumentensammlungen in den Museen der europäischen Kapitalen unterschied sich Burris Sammlung indes fundamental. Die meisten Museen bewahren ihre Schätze wohlrenoviert hinter Glas bei gleichbleibenden Temperaturen auf und konservieren sie somit «für die Ewigkeit», entziehen sie aber gleichzeitig auch dem praktischen Musikleben. Karl Burri war es dagegen immer ein Anliegen, seine Instrumente interessierten Laien und Fachleuten vorzuführen, bzw. sie von Musikern spielen zu lassen. Er war sogar bereit, spielbare historische Instrumente für Monate oder gar Jahre auszuleihen, ein Gedanke, bei dem sich einem Museumskonservator normalerweise die Nackenhaare sträuben.

Stiftung als Rettungsanker

Nach Karl Burris Tod führten seine Kinder, unterdessen auch in der Branche des Vaters tätig, das Museum in Zimmerwald zunächst weiter. 2008 wurden die Instrumente nach Bern transferiert und im Untergeschoss des Ladengeschäfts aufbewahrt und ausgestellt. Verschiedene Faktoren führten aber dazu, dass der Fortbestand der Sammlung ernsthaft in Frage gestellt schien. Bereits gab es mehr oder weniger konkrete Kaufofferten aus dem Ausland, während keine schweizerische Institution die finanziellen Mittel für eine Übernahme der Sammlung und ihre Präsentation locker machen konnte oder wollte. Karl Burri war es aber ein Anliegen gewesen, den Instrumentenbestand als Ganzes zu erhalten. In einem Interview mit Claude Delley hatte er 1999 bestimmt, dass keinesfalls Raritäten verkauft werden sollten, um den Wert der Sammlung nicht zu vermindern.

Hier kommt nun Guy Jaquet ins Spiel, ein namhafter Arzt und gleichzeitig ein «angefressener» Musikliebhaber, sowohl als Konzert- und Opernbesucher als auch als Amateurklarinettist. Ein Besuch in Burris Musikgeschäft machte ihn eher zufällig auf die riesige Instrumentensammlung und ihre prekäre Zukunft aufmerksam. Jaquet betrachtete es fortan als seine Mission, die Sammlung für Bern zu erhalten und einen Ort zu finden, wo sie dem Publikum erneut zugänglich sein sollte.

2014 wurde die Stiftung Instrumentensammlung Burri gegründet mit dem Ziel, «die Sammlung zu retten und sie als bedeutendes Kulturgut in Bern zu erhalten». Eine massgebliche Vorarbeit hatte bereits zuvor Adrian von Steiger mit seiner 2013 veröffentlichten Dissertation Die Instrumentensammlung Burri. Hintergründe und Herausforderungen geleistet, die die Sammlung und ihre Geschichte dokumentiert, sie in einen grösseren Zusammenhang stellt und sich ausführlich der Problematik einer Sammlung widmet, die sowohl der Praxis als auch der Forschung dienen könnte.

Guy Jaquet, dem Stiftungsratspräsidenten, gelang es, einen Hauptsponsor und weitere Geldgeber zu finden, die die finanziellen Mittel für den Erwerb der Sammlung, ihre Konservierung und museale Präsentation zur Verfügung stellten. Adrian von Steiger, als Trompeter und Musikwissenschaftler dafür prädestiniert, leitet die Sammlung.
 

Ausstellung auf zwei Etagen

Einen nicht zu unterschätzenden Standortvorteil geniesst das neue Museum durch seine Lage wenige Schritte neben dem Zytglogge-Turm, einer der Hauptsehenswürdigkeiten der Bundesstadt. Wo bis vor Kurzem Pelze gekühlt wurden, sind nun auf zwei Etagen im Untergeschoss ältere und neuere Blasinstrumente zu sehen. Das obere Stockwerk bietet eine informative, schön gestaltete Schau, die unter dem Titel C’est le vent qui fait la musique Schwerpunkte der Sammlung und einige besonders ansehnliche oder bemerkenswerte Instrumente vorstellt. Zu den präsentierten Themen gehören etwa das Instrumentarium von Berlioz’ Symphonie fantastique, die Instrumente und die Notenbücher der «Türkenmusik» aus dem appenzellischen Hundwil, die Geschichte des Saxofons, die Blasinstrumentenmacherfamilie Hirsbrunner aus Sumiswald und Aarau oder die Radfahrermusik. Der Szenograf Martin Birrer besorgte die Einrichtung des Museumsraums, der auch zwei mit Vorhängen «abgedämpfte» Rondelle enthält, in denen Besucher speziell dafür vorgesehene Instrumente anblasen dürfen. Wer mag, kann sich auf einem iPad über die Instrumente informieren und zahlreiche originelle Filmbeiträge anschauen.

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Fahrradmusik

Der untere Stock, nur mit einer Führung zu besichtigen, beherbergt die restliche Sammlung. In Vitrinen, Regalen oder auf Ständern sind Hunderte von Holz- und Blechblasinstrumente zu sehen. Wer sich auskennt oder darauf aufmerksam gemacht wird, entdeckt zahlreiche Raritäten und Kuriosa: eine Musette de cour, eine Oboe von Van Aardenberg aus Amsterdam, Naturhörner von Haas und Haltenhof, Klappentrompeten von Schuster und Beyde, eine Zugtrompete von Courtois, Traversflöten von Grenser und Walch, ein Rothfono basso, ein Sudrofon oder der Prototyp eines Altsaxofons von Sax, um nur einige zu nennen.

Anspielen erwünscht

Was den unverwechselbaren Charakter von Burris Sammlung und erfreulicherweise auch der Klingenden Sammlung ausmacht, ist die Tatsache, dass Instrumente, deren Erhaltungszustand es erlaubt, von Spezialisten angeblasen und bei begründeten Anfragen auch ausgeliehen werden können. Eine Liste von an Ort anspielbaren bzw. ausleihbaren Instrumente kann auf der Homepage des Museums eingesehen werden (www.klingende-sammlung.ch).

Die Klingende Sammlung befindet sich an der Kramgasse 66 in Bern (Untergeschoss) und ist Mittwoch bis Samstag von 11–17 Uhr geöffnet. Für Gruppen, Musikgesellschaften oder Schulklassen können ab sofort Führungen durch die Sammlung und Workshops mit ausgewählten Themen gebucht werden (Details unter www.klingende-sammlung.ch).

Die Klingende Sammlung, deren Betriebskosten nur für die nächsten Jahre gedeckt sind, benötigt weitere Mittel, um das Museum dauerhaft zu etablieren. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Sammlung zu unterstützen: die Mitgliedschaft im Verein Freunde der Klingenden Sammlung, die Übernahme der Patenschaft für ein Instrument, die dessen Reinigung oder Restaurierung ermöglicht oder den Beitritt zum exklusiven Club des Mélomanes, der die Klingende Sammlung jährlich mit grossen Beiträgen unterstützt. Für die Betreuung der Ausstellung während der Öffnungszeiten (Empfang, Kasse, Aufsicht) werden auch noch Freiwillige gesucht, die den Leiter der Sammlung, Adrian von Steiger, kontaktieren können (kontakt@klingende-sammlung.ch, Tel. 031 311 01 37).
 

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Blechblasinstrumente

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