Antike hörbar gemacht

Schauen, hören, lesen: Eine multimediale Ausstellung im Antikenmuseum Basel lässt die Klänge des Altertums wieder aufleben.

Wie hat eine Leier im alten Ägypten geklungen oder eine Kithara und ein Aulos im klassischen Griechenland? Tonbeispiele können leider nicht einfach hergestreamt werden, und doch ist die Musikforschung heute imstande, den Klang dieser Instrumente durch Nachbauten originalgetreu zu rekonstruieren. In der reich bebilderten Begleitpublikation zur Ausstellung finden sich spannende Informationen zu den wissenschaftlichen Grundlagen. Auch ohne dieses Hintergrundwissen lässt sich die Ausstellung geniessen. Rund 30 Tonbeispiele verschiedener Instrumente können über die Museums-App angehört werden. Das Smartphone mit Kopfhörern müssen die Besucher selbst mitbringen.

Das Instrumentarium des Vorderen Orients, Ägyptens und des alten Griechenlands umfasst im Wesentlichen Saiten-, Blas-, Geräusch- und Rhythmusinstrumente sowie den Gesang. Aufgrund von Fundstücken und Abbildungen auf vielen Gefässen, vor allem aus der griechischen Antike, wurden Nachbauten gefertigt. Diese Instrumente sind grösstenteils Leihgaben des Martin-von-Wagner-Museums der Universität Würzburg. Sie wurden auf dem Album Sappho and her time von Conrad Steinmanns Ensemble Melpomen zu neuem Leben erweckt und bilden den auditiven Teil der Ausstellung. Es handelt sich um musikalische Nachschöpfungen für Gesang und instrumentale Begleitung, welche sich einerseits am Klang der rekonstruierten Instrumente und anderseits am Versmass der Lyrik Sapphos orientieren.

Die übrigen Exponate, darunter Gefässe, Skulpturen und Reliefs, sind grösstenteils aus Privatkollektionen, dem Kunstmuseum und dem Historischen Museum in Basel. Vieles kommt aus der «eigenen» Skulpturenhalle des Antikenmuseums.

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Einblick in die Ausstellung

Der menschliche Körper als Ausgangspunkt

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Auf dem Aulos spielende Kurtisane
Nebenseite des sog. Ludovisischen Throns. Grossgriechisches Werk um 470 v. Chr. Gipsabguss nach dem Original im Palazzo Altemps in Rom.

Aus dem Vorderen Orient des 4. Jahrtausends v. Chr. oder später aus Ägypten gibt es nur wenige Zeugnisse zur Musik und zum Musizieren. Das wenige, was erhalten ist, deutet aber darauf hin, dass es ab Mitte des 4. Jahrtausends bereits Niederschriften von Melodien sowie eine Art Notationssystem gegeben haben muss. Die alten Griechen lernten dieses vorderorientalische System wohl auf mündlichem Weg kennen und entwickelten es zu einer regelrechten Musiktheorie weiter. Philolaos (ca. 470 bis 399 v. Chr.) und Platon (ca. 427 bis 347 v. Chr.) sind hier die zentralen Figuren. Theorie heisst eigentlich «Betrachtung» und beschreibt zunächst das Vorhandene. Beim Aulos handelt es sich zum Beispiel um ein Doppelrohr-Blasinstrument aus Holz oder Knochen, das mit aufschlagender Zunge gespielt wird. Auf dem linken und dem rechten Rohr sind jeweils vier bis fünf Töne spielbar. Steinmann schreibt dazu: «Die Anordnung der Grifflöcher folgt in natürlicher Weise den Möglichkeiten der menschlichen Hand. Die beim Blasen entstehenden Töne folgen also physiologischen Gegebenheiten. … Sie sind die Grundlage eines Musiksystems und damit auch eines Musikempfindens.» (Katalog, S.45)

Aus den Nachbauten klingt die damalige Welt

Der Titel «Von Harmonie und Ekstase» deutet darauf hin: Die verschiedenen Instrumente wurden in der Antike gegensätzlichen Prinzipien zugeordnet. Die Saiteninstrumente wurden dem apollinischen Prinzip der Harmonie (Leben, Ordnung, Geist) zugeteilt, während die Blas-, Geräusch- und Rhythmusinstrumente mit Ekstase, Tod, Chaos und Körper assoziiert wurden. Die Kithara beispielsweise war im antiken Griechenland das Instrument der Berufsmusiker und ist in der Mythologie das Erkennungszeichen des Apollon, während der etwas schrill klingende Aulos zur Welt von Dionysos und den Naturdämonen gehört.

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Silbernes Bügelsistrum mit dem Haupt der Göttin Hathor
Ägypten, 22. Dynastie, 945 – 720 v. Chr.

Ein bemerkenswertes Tonbeispiel lässt eine nachgebaute Bogenharfe aus dem Ägypten des 13. Jahrhunderts v. Chr. hören. Die Harfe galt als vornehm und war entsprechend selten anzutreffen. Auch relativ selten war die etwas jüngere Laute. Sie verfügte über ein Griffbrett, einen langen Stab, über den drei Saiten aus Schafdarm gespannt waren. Wesentlich mehr Verbreitung fand die Lyra (Leier). Sie ist eine ägyptische Erfindung aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. In Griechenland wurde sie oft zur Begleitung von Gedichten eingesetzt (daher die Wortverwandtschaft Lyra > Lyrik). Das Beispiel dokumentiert ein rhythmisches Schlagen der Saiten, das am ehesten an die heutige Ukulele erinnert.

Die Rasseln und Glocken wurden zur Besänftigung bzw. Abwehr von Dämonen und im Totenkult eingesetzt. Zur Familie der Rhythmusgeräte gehören unter anderem das Tympanon (Tamburin), die Krotala (Handklappern) und die Kymbala (Zimbeln). Sie wurden nach der Mythologie meist von Mänaden und tanzenden Nymphen betätigt, während die Satyrn auf den Auloi spielten. Singende wurden auf ägyptischen und griechischen Gefässen in typischen Sängerposen, meist in Ekstase, dargestellt.

Unter den Hörbeispielen finden sich einige sehr schöne Beiträge, die allerdings kaum das Kriterium der historischen Authentizität erfüllen wollen.

Die Ausstellung «Von Harmonie und Ekstase» ist noch bis zum 24. Oktober 2021 im Antikenmuseum Basel zu besuchen.

Es gibt eine Konzertreihe dazu.

Die Begleitpublikation zur Ausstellung kann online eingesehen werden.


http://www.antikenmuseumbasel.ch/de/ausstellungen.html

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