Musikalisches Tagescamp im Aargau

Während einer Sommerferienwoche musizierten, komponierten und malten junge Menschen aus der Region in der reformierten Kirche Seon. Organisation und Leitung lagen bei Fränzi Frick.

Im Aargau sind musikalische Förderprojekte besonders wichtig, denn im Mittelland gibt es keine Musikhochschule. Eine bedeutende Rolle spielt hierbei das Künstlerhaus Boswil mit seinen beiden Jugendorchestern und vielfältigen Kursangeboten, während das Orchester Argovia Philharmonic in Zusammenarbeit mit den Schulen Wertvolles leistet.

Neuerdings entfaltet sich in Seon eine hochkarätige und engagierte Initiative: Die Veranstalter der Konzertreihe Seetal Classics, die 2020/21 lanciert wurde, haben nun auch eine erste musikalische Sommerakademie für Jugendliche durchgeführt. Die reformierte Kirchgemeinde Seon macht das alles möglich: Konzerte und Akademie finden in der akustisch hervorragenden Kirche statt, in welcher einst der vor einigen Jahren verstorbene Pfarrer Martin Fiedler regelmässig Soloabende organisiert hatte.

Auf diese kirchliche Klassik-Tradition kann nun der Verein Seetal Classics bauen. Der aus dem Aargau stammende künstlerische Leiter Benjamin Nyffenegger, Solocellist im Tonhalleorchester Zürich, ist selber ein engagierter Kammermusiker. Präsidiert wird der Vorstand von Andres Joho, einem umtriebigen Musiker und Organisten in Seon. Der Start der neuen Konzertreihe ging einher mit dem Amtsantritt des musikinteressierten Pfarrers Jürgen Will; die enge Zusammenarbeit von Kirche und Konzertveranstalter geht also weiter.

«Ein so vielfältiges Programm»

Vom 18. bis 25. Juli trafen sich 32 musikbegeisterte Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 20 Jahren aus der Region, aber auch aus Zürich und der weiteren Umgebung, um gemeinsam zu musizieren, zu komponieren, zu malen, um Musiktheorie und sogar Musikgeschichte spielerisch zu lernen. «Ich habe schon einige Jugendmusiklager mitgestaltet», erzählt die Dozentin Kateryna Timokhina, die in Winterthur das Swiss Violin Studio leitet. «Aber ein so vielfältiges Programm habe ich noch nie erlebt: mit Quiz zur Musikgeschichte, Einzelstunden, Duo- und Ensemblespiel. Die Kinder komponieren selber und malen zu Musik, die sie sich gemeinsam anhören. Und trotz dieses dichten Programms sind alle konzentriert dabei, es macht ihnen einfach Spass.»

Im Unterschied zu anderen Musiklagern ist Seon ein Tagescamp, die Unterkunft ist Privatsache, die Kinder aus der Region gehen nach Hause, andere von weiter her haben im Dorf eine Unterkunft erhalten. Eröffnet wurde die Akademie mit einem Konzert der Lehrpersonen: den beiden Geigerinnen Fränzi Frick und Kateryna Timokhina, der Bratschistin Anna Brugger, dem Cellisten Daniel Schärer und der Komponistin Stephanie Haensler.

«Merkt ihr das?»

Ein Probenbesuch am Freitag bestätigt die konzentrierte Arbeit im Kinderorchester. Der üppige Klang von Carl Maria von Webers Jägerchor entfaltet sich in der Kirche, das Ensemble hat das Stück die ganze Woche geprobt. Fränzi Frick führt die kleine Schar von Streichern auf ihrer Geige mitspielend, und das mit engagiertem Körpereinsatz: «Spielt diese Stelle, als würdet ihr sagen ‹Nei! Nei! Nei!› – alle zusammen: Nei!-Nei!-Nei! – ja genau so!» Dann wendet sie sich dem Jungen am Kinder-Kontrabass zu: «Du bist der Traktor, du musst das Orchester ziehen.»

An den hintersten Pulten sitzen zwei Siebenjährige, ein Mädchen und ein Bub. Wie die beiden mitstreichen und immer wissen, wo sie wieder einsetzen müssen, das ist schon beachtlich. Um elf Uhr ist das Ensemble der Älteren dran, sie swingen in die Valse Tzigane von Filippo Marchetti hinein. «Wir sitzen alle gross und stolz da», ruft Fränz Frick in die Runde, die Haltung der Jugendlichen spannt sich spürbar. «Merkt ihr das? Alle Aufstriche sind zu langsam, versuchen wir es nochmals.»

«Insektenkampf im wilden Gras»

In einem Nebenraum ist Komponieren angesagt, Stephanie Haensler leitet die Gruppe. Es ist Freitag und damit der letzte Kurs in dieser Woche. Die Jugendlichen stellen die Stücke vor, die sie zu zweit oder zu dritt geschrieben haben. Zwei Knaben sind an der Reihe, mit Violoncello und Violine: «Unser Stück heisst Im Wald, wir wollten ein Gruselstück machen» – und schon spielen sie ein dunkles, sich allmählich vortastendes Duo.

Dann treten drei Mädchen mit ihren Violinen vor, die eine Postkarte vertont haben: Insektenkampf im wilden Gras, entsprechend «wild» spielen sie das Stück. Zwei andere Mädchen, wiederum mit Violoncello und Violine, erklären der kleinen Zuhörerschar, dass sie für ihr Stück einfach drauflosgearbeitet hätten, der Name Luminoso sei ihnen erst am Schluss dazu eingefallen. Es ist ein überraschend durchdachtes, inniges Duo geworden.

«Es hat mir gefallen»

Am Samstag standen die Abschlusskonzerte an, zuerst dasjenige der Kinder, dann der Auftritt der Jugendlichen. Besonders wertvoll für die musikbegeisterten Jugendlichen ist das Förderkonzert am 23. Oktober. Hier können ausgewählte Solisten und Ensembles der Akademie öffentlich auftreten, wiederum in der reformierten Kirche Seon natürlich – eine tolle Chance in diesem Alter.

Wie hat den Jugendlichen diese anstrengende Woche gefallen? «Ich komme aus Zürich», erzählt ein Bub, «und es hat mir gefallen, ich würde bei einer nächsten Akademie gerne wieder mitmachen.» Ein anderer meint: «Ich bin mit meinem Kollegen hier, wir spielen im Duo, das macht Spass.» Und ein kleines Mädchen erzählt, ihre Mutter habe von dieser Akademie gehört und sie gefragt, ob sie mitmachen möchte. «Ich durfte selber entscheiden», sagt sie stolz, «ich wollte hin.»

Und welche Bilanz zieht Fränz Frick? «Die grosse Nachfrage hat uns überrascht, über dreissig Kinder haben sich gemeldet. Es war eine beglückende Woche, all diese ‹musikhungrigen› Kinder, ihre Neugierde, ihre Konzentration und ihre Freude am Mitmachen. Es wurden Freundschaften geknüpft, und die Teenager haben sich rührend um die Kleinen gekümmert.» Die begeistert-engagierte Geigerin will weitermachen: Die nächste Sommerakademie im Seetal kommt bestimmt.

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