Vertagtes Programm, verlässliche Partner

Das Festival Alte Musik Zürich präsentiert ein altes Programm – und kommt so unverhofft zu einem Jubiläumskonzert.

Selten kann man gleich zwei Festivals in einem besuchen. Doch dieses Frühjahr fand nicht nur die 36. Ausgabe des Festivals Alte Musik Zürich statt, sondern auch (oder eigentlich) die Nummer 32. Der Grund für diese merkwürdige Nummerierung ist einfach. Vor zwei Jahren ging das schöne Programm «Tageszeiten – Jahreszeiten» in der Brandung der ersten Coronawelle unter. Und da Alte Musik nicht dazu neigt, von der Tagesaktualität zu leben, konnte man ein solches Programm problemlos auf später verschieben. Es wäre aber auch schade gewesen, die klug zusammengestellten musikalischen Gänge durch den Jahres- und Tageslauf einfach in der Versenkung verschwinden zu lassen, zumal dahinter eine Menge konzeptueller Arbeit steckt.

Um einen Eindruck von der Vielfalt des Programms zu erhalten, reichen eigentlich bereits ein paar Stichworte. Während etwa die St. Galler Bach-Stiftung mit Ausschnitten aus diversen Kantaten durch Bachs Kirchenjahr führte, präsentierte Els Biesemans am Fortepiano Fanny Hensels grandiosen Klavierzyklus Das Jahr. Oder es wurden Christopher Simpsons Zyklen The Monthes und The Four Seasons – aufgeführt durch das Cellini Consort resp. die Sirius Viols – mit von Aaron Hitz gesprochenen Auszügen aus Samuel Pepys Tagebüchern von 1660–1664 resp. 1665–1669 kombiniert. Mutig gar war, auf Vivaldis Schlager Quattro Stagioni im Original zu verzichten und stattdessen die Les Saisons amusantes genannte Bearbeitung von Nicolas Chédeville zu bringen. Es sind solche Details, die den Wert dieses Festivals anzeigen. Der 400. Geburtstag der Komponistin und Nonne Isabella Leonarda wurde vor zwei Jahren zum Anlass genommen, auf die wichtige Rolle von Komponistinnen in der italienischen Musik des 17. Jahrhunderts hinzuweisen. Auch wenn dieses Jubiläum inzwischen verjährt ist, bleibt das Anliegen berechtigt und lohnt es sich vor allem noch immer, die Musik von Isabella Leonarda kennenzulernen.

Jahrelange Vertrautheit im Basler Vokalensemble

Bei einem anderen Konzert wurde die Verschiebung zum «Glücksfall». Für die ursprünglich 32. Ausgabe stellte das noch junge Basler Vokalensemble Voces Suaves das Programm «Tageszeiten und Jahreszeiten in Mantua» zusammen. Jetzt, zwei Jahre später, fällt das Konzert unverhofft mit dem Jubiläum zum zehnjährigen Bestehen des Ensembles zusammen. Zwei Jahre wohlgemerkt, in denen die Karriere von Voces Suaves trotz der Pandemie so richtig an Fahrt aufgenommen hat, wie der Gründer, der Bariton Tobias Wicky, am Telefon erklärt. Von diesem gesteigerten Renommee profitierte auch das Festival, wie das ausverkaufte Konzert am 19. März in der Helferei Zürich bewies. Es zeigte aber auch, wo der Erfolg herrührt.

Das beginnt beim Programm, das ein Schlaglicht auf eine Merkwürdigkeit der Musikgeschichte wirft. Zwei politisch unbedeutende italienische Fürstentümer, das Mantua der Gonzagas und das Ferrara der d’Estes, wurden im 16. Jahrhundert zu Zentren der Musik. Kleine Welten, die in die grosse hinausstrahlten. Mit sicherem Gespür kombinierten die für die Programme verantwortlichen Ensemblemitglieder Dan Dunkelblum und Davide Benetti Madrigale des unvergleichlichen Monteverdi mit solchen seiner Vorgänger in Mantua: Giovanni Giacomo Gastoldi, Salomone Rossi und Giaches de Wert. Besonders die hohe Wertschätzung des Ensembles für die Musik des aus Flandern stammenden de Wert fällt auf und wird von Tobias Wicky unter anderem dadurch begründet, dass er einer der ersten Madrigalkomponisten war, mit dem sich Voces Suaves beschäftigte. Ein Grund auch, ihm eine ganze CD zu widmen, die im Herbst erscheinen wird.

Das Ensemble zeichnet sich also durch eine gewisse Treue aus, die sich auch musikalisch bewährt. Die während der zehnjährigen Zusammenarbeit der acht Sängerinnen und Sänger entstandene Vertrautheit war während des Konzertes spür- und hörbar, perfekt vermischten sich die Stimmen, obwohl gleich zwei Mitglieder krankheitsbedingt ersetzt werden mussten. Auch bei den Ersatzleuten achtet das Ensemble darauf, Kontinuität zu schaffen, und verlässt sich besonders in der intimen Gattung des Madrigals auf Bekannte. Dieser Vertrautheit verdankt sich eine weitere Besonderheit: Die Voces Suaves arbeiten ohne musikalischen Leiter, erarbeiten ihre Interpretationen quasi basisdemokratisch. Ein manchmal nervenaufreibender Prozess, der sich laut Wicky aber lohne.

Und er funktioniert, auch weil durch die Kooperation mit anderen Ensembles stets Impulse von aussen kommen. Bewährt hat sich beispielsweise die Zusammenarbeit mit dem Capricornus Consort Basel. Ebenfalls krankheitsbedingt stark umbesetzt, begleitete es unter der Führung von Peter Barczi kongenial die diversen Madrigale und zeigte in den rein instrumentalen Sonaten, welche Energie in der Musik dieser Zeit steckt. Als enorm wichtig bezeichnet Tobias Wicky aber vor allem die Zusammenarbeit mit Festivals, ohne die es für ein Ensemble wie seines unmöglich wäre, grössere Projekte zu stemmen. Und nennt als Beispiel Monteverdis Marienvesper, welche diesen Herbst am 37. Festival Alte Musik Zürich von den Voces Suaves aufgeführt werden wird.

 

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