Bach für Primarschüler

Im Chor, in Farben und «mit dem Maul»: Rund um das Internationale Bachfest Schaffhausen begegneten Kinder aus der Region Johann Sebastians Musik in Workshops auf spielerische Art.

Bach für Kinder? Das ist nicht gerade nahe liegend. Bachs Musik ist nun mal komplex, das kann schnell überfordern. In den Workshops im Rahmen von «Bach entdecken! – Das Bachfest für Kinder» soll sie aber konkret mit einbezogen werden, das ist der Projektleiterin Sophie Ehrismann wichtig. Sie hat viel Erfahrung mit Kinderchören und Tanzworkshops und leitet als gefragte Tanzpädagogin auch Weiterbildungen «Musik und Bewegung» an der Zürcher Hochschule der Künste.

Musik erfinden

Und nun also Bach entdecken durch «Beatboxen» oder «Actionpainting». Wie soll das gehen? Ein Besuch vor Ort – die Workshops fanden jeweils von 10 bis 14 Uhr in der Musikschule Schaffhausen statt – eröffnete interessante und intuitiv verspielte Zugänge. Für das Beatboxen war Miguel Camero zuständig, der es an den ersten Beatbox-Weltmeisterschaften 2005 in Leipzig übrigens bis ins Viertelfinal geschafft hatte.

Auf Youtube kann man sehen, wie Beatboxen geht, Camero erklärt es anschaulich: Töne, Geräusche und Rhythmen «macht man nur mit dem Maul», also mit Mund, Nase und Atem. So imitiert man ein Schlagzeug. Dass Beatboxen mit Bachs Musik unmöglich ist, räumt Camero gleich zu Beginn unseres Gesprächs ein, und seine Musik sei zu schwierig für Kinder. «Ich habe ihnen aber von Bach erzählt und davon, wie er gearbeitet hat.» Bach habe Musik erfunden, das würden sie jetzt auch machen. Nach dem Beatboxen, das Camero mit dem Klavier kombinierte, meinte ein Mädchen spontan: «Das gefällt mir. Jetzt weiss ich, dass ich Klavierspielen lernen möchte!»

Musik malen

Actionpainting zu Bachs Musik bot ein anderer Workshop an. Für Sophie Ehrismann ist die Verbindung von Musik und Bewegung ein wichtiges pädagogisches Element. Umso überraschender war es, dass dieser Workshop von der in Schaffhausen bekannten Illustratorin und Zeichnerin Linda Graedel geleitet wurde, die noch nie Actionpainting gemacht und das weise Alter von 81 Jahren hat.

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Im Treppenhaus der Musikschule hängen Zeichnungen von Graedel, sie sind voller Bewegung und zeigen Musiker in Aktion. Das Atelier befindet sich im Dachgeschoss. Mitten im Raum ist ein grosses «Farben-Board» aufgestellt, ein überdimensionierter Malkasten, und bei jedem Farbtopf liegen drei grosse Pinsel. Linda Graedel gibt klare Anweisungen: «Man darf mit einem Pinsel immer nur diese eine gleiche Farbe abholen und dann auf einem weissen Papier sein Fantasiemuster malen. Die Farben müssen rein bleiben, sie dürfen nicht gemischt werden, ein Farbwechsel bedeutet auch ein Pinselwechsel.»

Die Tische, an denen stehend gearbeitet wird, sind in einem Rund aufgestellt. Die Kinder gehen hin und her zwischen Farben-Board und ihrem weissen Blatt und sind ganz frei, was sie malen wollen. Über Lautsprecher wird Musik von Bach zugespielt: ein Stück für Klavier, ein Concerto grosso, ein Chorwerk. Es herrscht Ruhe, niemand spricht ausser der Lehrerin, die ab und zu technische Anweisungen zur Pinselführung gibt.

Intuitiv bewegen sich die Kinder im Takt der Musik, schon beim Gehen zum Board. Sie malen mit grossen Pinseln, das Blatt füllt sich mit Wellenlinien, Tupfern, ein Bub führt den Pinsel sehr rhythmisch in einer Zickzacklinie und meint dazu: «Ich habe jedem Instrument, das ich höre, eine andere Farbe zugeteilt: Für die Streicher nehme ich grün, fürs Klavier violett, und fürs Cembalo blau.» Seine gezackten Linien sehen aus wie ein abstrakter Kontrapunkt. Es ist erstaunlich, wie ruhig und vertieft die Kinder bei der Sache sind, die Zeit ist im Nu verflogen.

Bach singen

Das aufwendigste Schülerprojekt fand eine Woche vor dem eigentlichen Bachfest statt: «SingBach» an der Primarschule Schanz in Stein am Rhein. Die Schulleiterin Vreni Winzeler machte daraus eine Projektwoche für die ganze Schule. Mit Unterstützung der Internationalen Bachakademie Stuttgart hat Friedhilde Trüün «SingBach» lanciert und fungiert als künstlerische Leiterin. Ihr zentrales Anliegen ist es, damit Schulkinder für Bachs Musik zu begeistern.

Eine Woche lang probte Trüün mit den 350 Kindern, morgens mit den Erst- bis Drittklässlern, nachmittags mit den Viert- bis Sechstklässlern. Im halböffentlichen Schlusskonzert für die Angehörigen in der Stadtkirche Stein am Rhein sangen sie dann – übrigens gemeinsam mit ihren Lehrerinnen und Lehrern und begleitet von einem Jazzensemble – bekannteste Stücke von Bach, sorgfältig ausgesuchte Choräle und Arien aus Bachs Passionen, aber auch mit Text versehene instrumentale «Hits». Für die Kinder arrangiert hat diese Frank Schlichter.

Die Texte, die Trüün den Instrumentalstücken unterlegte, sind für die Freude und das Verständnis der Kinder von entscheidender Bedeutung. So sangen sie etwa im Menuett: «Kling, meine kleine Melodie, schwing dich nach oben wie noch nie. Bach hat dich ausgedacht und das Lied gemacht, das ein jeder mag. Singt darum alle fröhlich mit, denn dieses Liedchen ist ein Hit …»

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