Fideln und Meistergeigen

Eine neue Dauerausstellung an der Geigenbauschule in Brienz dokumentiert die Geschichte dieses Instruments in der Schweiz.

Fideln und Meistergeigen
Foto: Birgit Steinfels

Eine neue Dauerausstellung an der Geigenbauschule in Brienz dokumentiert die Geschichte dieses Instruments in der Schweiz.

Beim Ausbau der Schweizer Geigenbauschule in Brienz liessen sich zwei Schauräume einplanen. Der eine Raum zeigt die kürzlich eröffnete Dauerausstellung über Geigenbau und Geigenspiel in der Schweiz, der andere den Werdegang einer Geige, hauseigene Streichinstrumente als Leistungsausweis und dokumentiert die wechselhafte Geschichte der 1944 gegründeten Geigenbauschule.

Zugegeben: Das neue Geigenmuseum ist mit rund zwanzig Exponaten klein. Der Wanderer, der vom Bahnhof Brienz dem See entlang Richtung Kirche unterwegs ist und sich ein Bild der Schweizer Geige machen möchte, kann in zehn Minuten einen Überblick gewinnen. Wer sich aber Zeit nimmt für Texttafeln und all die Informationen, die über Monitore in Bild, gesprochenem Wort und Musikbeispielen zur Verfügung stehen, wird mit der originell präsentierten, vielseitigen Geschichte der Schweizer Geige belohnt.

Die Geige in Kunst- und Volksmusik

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Tenorgeige von Hans Krouchdaler, Oberbalm bei Bern, 1699

Das Thema «Von Fideln und Meistergeigen» lässt sich in der Schweiz bereits mit Exponaten aus dem späten 17. Jahrhundert veranschaulichen. In Oberbalm bei Bern fertigte der Tischler Hans Krouchdaler zwischen 1685 und 1699 Streichinstrumente an, die im Stil der alemannischen Schule aus dem Schwarzwald mit geometrischen und Pflanzenornamente verziert sind. Er gilt als einer der ältesten Geigenbauer nördlich der Alpen. Die Tenorgeige von 1699, ein prächtiges Zeugnis alter Handwerkskunst, dürfte in einem städtischen Collegium musicum gespielt worden sein. Diesem durch Hans-Rudolf Hösli, dem einstigen Leiter der Geigenbauschule, sorgfältig restaurierten Kunstinstrument wird eine vom Spieler selber oder von einem lokalen Schreiner gebastelte verrusste Bauernfidel aus Bellwald (Goms) entgegengestellt. Sie stammt ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert und erinnert an «hergelaufene» Musikanten, die oft verbotenerweise zum Tanz aufspielten.

In- und ausländische Geigenbauer

Das Spannungsfeld zwischen Volks- und Kunstmusik kann auch am Geigenbau des 19. Jahrhunderts beobachtet werden. Aloys Suter (1809–1892) aus Muotathal stellte Geigen für Volksmusiker her, war an der Entwicklung der Glarner Zither beteiligt und wanderte 1879 in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Amerika aus. In Newark bei New York gründete er ein Geschäft für Musikinstrumente, das bis ins frühe 20. Jahrhundert florierte.

Diesem wagemutigen Autodidakten aus dem Kanton Schwyz stehen ausländische Geigenbauer gegenüber, die sich in Schweizer Städten niedergelassen haben. Der experimentierfreudige Ostfranzose François Marie Pupunat (1802–1868) eröffnete in Lausanne ein Atelier, Giuseppe Fiorini (1861–1934) aus Bologna machte in Zürich sein Glück und August Meinel (1868–1961) kam aus Markneukirchen nach Basel. Dem Italiener ist es 1915 gelungen, Zeichnungen, Innenformen und alle Werkzeuge aus dem Nachlass des 1648 verstorbenen Antonio Stradivari zu erwerben und auf diese Weise den Cremoneser Geigenbau in der Schweiz einzuführen. Der Geigenbauer aus dem Vogtland aber brachte die Erfahrungen der Streichinstrumentenmacher aus dem Musikwinkel in die Schweiz und unterstützte zudem die baselländischen Amateur- und Blasorchester als Hornist und Dirigent. Unter den Schweizern, die den Geigenbau im Ausland erlernten, findet sich der Berner Gustav Methfessel (1839–1910), Sohn des Cellisten und Komponisten Adolph Methfessel, der seine Lehre in Regensburg machte. Er etablierte sich 1864 als erster Berner Geigenbauer in seiner Vaterstadt.

Schweizer Kompositionen für Streichinstrumente

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Blick in die Ausstellung mit der Bauernfidel aus Bellwald, 17. Jahrhundert.

Die reichhaltige Ton-Bar vermittelt eine verblüffende Auswahl an Schweizer Kompositionen für Streichinstrumente vom 18. bis ins 20. Jahrhundert und verrät die Musikkenntnisse des gegenwärtigen Leiters der Geigenbauschule, Olivier Krieger, langjähriger Orchestermusiker und Geigenbauer. In 20 Hörbeispielen ist Schweizer Geigenmusik jeder Art abrufbar: volkstümliche Solotänzchen aus Graubünden, alte und neue Appenzeller Streichmusik, ein Sonatensatz des Genfers Gaspard Fritz, Streichquartette von Joachim Raff, Hermann Suter, Fritz Brun, Fritz Voegelin und Roland Moser, Solostücke von Walter Courvoisier, Sätze aus Geigenkonzerten von Othmar Schoeck, Willy Burkhard, Caspar Diethelm und Robert Oboussier, Streichensembles von Frank Martin und Heinz Holliger sowie Cellomusik von Arthur Honegger und Hans Huber.

Die Geigenschule im Safiental

Neben international gefeierten Geigensolisten, die seit über hundert Jahren das Schweizer Konzertpublikum in städtischen Zentren und an alpinen Musikfestivals verzaubern, wird auch die stille Geigenpflege im bündnerischen Safiental (Surselva) präsentiert. Bereits im 19. Jahrhundert wurden die Knaben der Einzelhofsiedlungen durch weitsichtige Lehrer im Geigenbau und Geigenspiel unterrichtet. Eine der erhaltenen Tanzhandschriften ist in Brienz ausgestellt.

Die neue Ausstellung in der Schweizer Geigenbauschule vermittelt viele Impulse. Vielleicht hilft sie auch, den kulturellem Schatz aus dem Safiental zu heben.

Schweizer Geigenbauschule Brienz
Ausstellung «Von Fideln und Meistergeigen»
Öffnungszeiten: MI und FR 14–16 Uhr; Sa 11–15 Uhr
Freier Eintritt


www.geigenbauschule.ch

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