Filigranes an den Lucerne Guitar Concerts

Die delikaten Tonwelten der analogen Konzertgitarre und ihrer kammermusikalischen Spielkameraden wurden vom 18. bis 21. Mai in Luzern gefeiert.

sixty1strings an den Lucerne Guitar Concerts im Neubad. Foto: Gregor Eisenhuth

Die Konzertgitarre scheint aus der Zeit gefallen. Im 20. Jahrhundert stand sie für Bewegungen wie die Folkmusik, für Geselligkeit am Lagerfeuer, intime Recitals im kleinen Kreis und Stile, die unter dem Label «Weltmusik» segelten: Flamenco, Bossa nova, Jazz manouche. Proteststürme, wie sie der spätere Nobelpreisträger Bob Dylan erleben musste, als er seine Folkgitarre elektrifizierte, sind heute unvorstellbar. Die aktuelle Musikproduktion digitalisiert sich mehr und mehr und findet immer stärker in künstlichen Welten statt, in denen das Musizieren zunehmend entkörperlicht wird.

Da mutiert die akustische Gitarre mittlerweile schon fast zum Symbol des Widerstands. In der Schweiz halten ihn Initiativen wie der Förderverein klassische Gitarre Zürich, die Tessiner Amici della chitarra oder der Luzerner Verein Fokus Gitarre hoch. Letzterer hat dort ab 2009 jeweils vier klassische Gitarrenkonzerte pro Jahr organisiert und diese in der Pandemiezeit zu einem jährlichen Festival gebündelt, in dem die Gitarre vermehrt auch in Verbindung mit Kammermusik gezeigt wird.

Dieses Jahr standen dabei ein Trio aus Gitarre, Harfe und Mandoline, ein Duo Klarinette-Gitarre, ein reines Gitarrenduo sowie ein Duo Geige-Lauten auf dem Programm – neben Solokonzerten, Workshops und einer offenen Bühne. Etwas Spezielles zur Nachwuchsförderung hat sich der Verein auch einfallen lassen: Die Konzerte im Luzerner Neubad wurden jeweils von Kurzauftritten Studierender eingeleitet. Das ist eine nachahmenswerte Idee.

Zupfen hoch drei

Es braucht in der Regel einen Moment, um die Ohren auf die delikaten Tonwelten der Konzertgitarre einzustellen. Wird man aber einmal hineingezogen in die filigranen Klänge, kann man Überraschungen erleben. Für eine Verwandte aus der Zupfmusik-Fraktion, die Mandoline, haben in den letzten Jahren der Brasilianer Hamilton de Holanda oder der Israeli Avi Avital die Ohren geöffnet. Das «typische Fraueninstrument» Harfe hat Xavier de Maistre ins Rampenlicht gestellt.

Das Trio sixty1strings zeigte in Luzern, dass «Mansplucking» entbehrlich ist, um diesen Instrumenten den zustehenden Respekt zukommen zu lassen. Anlass zur Gründung des Trios war die Beschäftigung mit einer der wenigen Originalkompositionen für die Besetzung: Hans Werner Henzes Carillon, Recitatif, Masque. Henze, der mit der Royal Winter Music zum Gitarrenrepertoire des 20. Jahrhunderts singulär beigetragen hat, ist bestens vertraut mit den Möglichkeiten des Instruments und zeigt auch hier eine glückliche Hand.

Die Gitarristin Negin Habibi, die Harfenistin Konstanze Kuss und die Mandolinistin Ekaterina Solovey haben unter anderem auch das Aquarium aus Saint-Saëns Karneval der Tiere für sich arrangiert, und lassen das hochpoetische Werklein in ganz neuem Licht erscheinen. Es dürfte schwer sein, nach diesem erstaunlichen Erlebnis die Originalversion zu hören, ohne sich dieser perfekt passenden filigranen Klänge zu erinnern.

Ein bisschen Folk-Geist

Etwas vom Geist der Folkbewegung schimmerte beim Duo Zarek Silberschmidt & George Ricci noch durch. Da war zuerst die Geschichte der Entdeckung des neuseeländischen Gitarristen durch die Festivalorganisatorin Elise Tricoteaux: Sie habe ihn in der Kantine der Basler Musikakademie spielen hören und sei begeistert gewesen von seiner Virtuosität und Kreativität. Tatsächlich beherrscht Silberschmidt eine Vielzahl an Stilen wie Jazz manouche, Flamenco, Blues, Country, Folk und bringt es fertig, ihnen seinen Stempel aufzudrücken, ohne sie in ihrer Authentizität zu verwässern. Darüber hinaus nutzt er sämtliche Elemente des Instruments für die verblüffendsten Perkussionseffekte. Ricci ergänzt ihn auf der Bassklarinette mit Johnny-Cash-Linien. Auf der B-Klarinette steuerte er unter anderem eine überaus sensible, atmosphärisch höchstklassige Version von Kosmas Feuilles mortes bei.

Duo Zarek Silberschmidt & George Ricci. Foto: Gregor Eisenhuth

Die  Lucerne Guitar Concerts werden organisiert von Elise Tricoteaux und Raoul Morat. 

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