Tessiner Musik-Campus nimmt Form an

Einige der wichtigsten musikalischen Institutionen des Kantons sollen auf dem heutigen Radio-Gelände in Lugano ein gemeinsames Zuhause finden. Mit der Vorstellung des siegreichen Architekturprojekts wurde am 12. Dezember erstmals umfassend über das ambitionierte Vorhaben «Città della Musica» informiert.

Visualisierung des neuen multifunktionalen Probensaals der Città della Musica in Lugano. Bild: Architecture Club

Die Città della Musica, so der Name des Projekts, entsteht auf dem bisherigen Areal von Radio Svizzera italiana (RSI) im Quartier Besso oberhalb des Bahnhofs SBB. Hauptnutzer ist das Conservatorio della Svizzera italiana (CSI), Partner sind das Orchestra della Svizzera italiana, der Coro RSI und die Barrocchisti von Diego Fasolis, die Schweizerische Nationalphonothek und der Verband Sonart. (Das Radio belässt einige Studios hier, zieht aber mit allen anderen Aktivitäten auf das Gelände des Fernsehens an den Stadtrand nach Comano um.) Die Gesamtkosten werden auf rund 45 Millionen Franken veranschlagt. Geldgeber sind die Stadt Lugano, der Kanton und, was das CSI angeht, der Bund. Rund ein Drittel soll von Privaten kommen. Der Baubeginn ist für 2025 geplant, und bis 2028 soll die Città stehen.

Kultureller Brennpunkt mit überregionaler Ausstrahlung

Mit dem Projekt entsteht, in Ergänzung zum modernen Konzertbau des LAC am Seeufer, ein kultureller Cluster, der die wachsende Bedeutung Luganos als Musikstadt auf halbem Weg zwischen Zürich und Mailand unterstreicht. Aus lokaler Sicht füllt die Città della Musica zudem eine empfindliche Lücke in der Infrastruktur. Das LAC verfügt nämlich über keine Probenräume, und das akustisch einzigartige Auditorio Stelio Molo auf dem Radiogelände ist zwar ein gesuchter Ort für Aufnahmen, aber zu klein für sinfonische Besetzungen. Mit der Città della Musica wird der Probenraum-Notstand ein Ende finden.

Abgesehen vom hohen Nutzen für die professionelle Ausbildung und Forschung eröffnet der Campus mit seinem grosszügigen Raumangebot auch kulturpolitisch neue Perspektiven. Die musikalischen Institutionen sollen sich zur Stadt und zur Region öffnen, heisst es, einerseits durch den niederschwelligen Zugang zum Areal und zu den Veranstaltungen, andererseits durch das Lehrangebot des Conservatorio. Die Präsidentin der Stiftung Conservatorio Ina Piattini Pelloni spricht von der integrativen Wirkung, die von dem Projekt ausgehe und musikalisch alle Generationen zusammenbringe. So wird neben dem international ausgerichteten Hochschulbetrieb und der Pre-College-Abteilung nicht zuletzt die Musikschule mit der Basisausbildung für Kinder und Jugendliche vom neuen Standort profitieren können. Auf die allgemeine Musikerziehung wird in Lugano viel Wert gelegt. Der Verein der Freunde des Conservatorio, der sich der Nachwuchsförderung widmet, hat beispielsweise allein für das laufende Schuljahr 160 000 Franken eingeworben und damit über 150 Stipendien an Schüler aus wenig bemittelten Familien ausgerichtet – Inklusion einmal anders.

Architektonische Synthese von Alt und Neu

Dem Prinzip Offenheit ist auch das prämierte Projekt des Architecture Club verpflichtet. Das junge Architektenteam aus Basel, das auch den Campus 2040 für die Musik-Akademie Basel entworfen hat, fand für die Neugestaltung des Areals eine Lösung, die nun bei der Präsentation viel Beifall erhielt. Das weiträumige Ensemble der bestehenden Gebäude bleibt äusserlich weitgehend unangetastet, ihre erstaunlich zeitlos anmutende Formensprache aus den Fünfzigerjahren wird für die Neubauten unauffällig übernommen. Das sechseckige Auditorio Stelio Molo bleibt als Herzstück im Zentrum erhalten. Doch eine wichtigere Funktion hat nun der ebenfalls polygone Bau des grosszügig bemessenen, multifunktionalen Probensaals, der bei Konzerten bis zu dreihundert Personen Platz bietet und sich wie alle anderen Bauten in die parkähnliche Umgebung organisch einfügt. Für alle Proben- und Übungsräume auf dem Gelände liegt das Akustikdesign in den Händen der japanischen Firma Nagata Acoustics, die auch der Hamburger Elbphilharmonie ihren Stempel aufdrückte.

Beispielhafte Zusammenarbeit auf allen Ebenen

Das Projekt der Città della Musica wird von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen. In den Redebeiträgen und persönlichen Gesprächen bei der Pressekonferenz war so etwas wie eine kollektive Euphorie über den erfolgreichen Start zu spüren. «Sämtliche Absichtserklärungen und Vereinbarungen sind in einem kollegialen, vertrauensvollen Verhältnis zustande gekommen», sagt Konservatoriumsdirektor Christoph Brenner, der das Projekt massgeblich vorangetrieben hat. «Es gibt diesen Willen in einem kleinen Kanton, wirklich zusammenzuarbeiten.» Das Wort Mentalitätswechsel fiel, und einige sprachen von einem kleinen Wunder: Alle Entscheidungsträger von den beteiligten Institutionen bis zur hohen Politik hätten an einem Strang gezogen. Gute Voraussetzungen für die Entwicklung einer zukunftsträchtigen, lokal gut verankerten Musikkultur mit internationaler Ausstrahlung.

Das Tessin, nur ein Ferienparadies mit Palmen, Spaghetti und Vino rosso? Die Neugründung widerlegt das Vorurteil. Nach dem LAC ist die Città della Musica ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Kulturkanton.

Link: cittadellamusica.ch

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