Auf die Pandemie folgt eine Blütezeit – m4music

Die 26. Ausgabe des Musikfestivals m4music war ausverkauft und geprägt von Aufschwung und Kreativität. Zu den grossen Themen gehörte nebst der Nachhaltigkeit insbesondere die künstliche Intelligenz und ihre Auswirkungen auf die Musikszene.

Foto: Jeremie Dubois

Über 6000 Interessierte besuchten Ende März 2024 m4music, das Popmusikfestival des Migros-Kulturprozents. Laut Festivalleiter Philipp Schnyder hat die Schweizer Musikszene dargelegt, dass sie ein Jahr nach der Pandemie erneut blüht, sich kreativ und voller Tatendrang präsentiert. «Trotz einiger struktureller Probleme schreitet die Professionalisierung voran», zeigt er sich überzeugt. Dies habe sich auch in den Diskussionen des Conference-Programms niedergeschlagen, an dem rund 1600 Professionals teilgenommen haben. «Es ist ein grosser Wille spürbar, gemeinsam Fortschritte zu erzielen in Fragen der Diversität und Awareness, Nachhaltigkeit und sozialen Gerechtigkeit, aber auch bei wirtschaftlichen Themen.»

Im Rahmen der verschiedenen Panels wurde unter anderem über «Fair Pay in der Musikszene» oder «Tiktok als Karrierebooster» diskutiert und auch ein Blick hinter die Kulissen von Förderinstitutionen geworfen. Unter dem Titel «Festival Utopias» berichteten Vertreterinnen und Vertreter kleiner Musikfestivals aus der Schweiz darüber, wie sie auf die voranschreitende Klimakrise reagieren: Während das in der Nähe von Lugano stattfindende Facciamo la Corte zugunsten eines möglichst geringen ökologischen Fussabdrucks nur noch Musikschaffende aus der Schweiz verpflichtet, achtet das dreitägige Buatsch-Festival im bündnerischen Tersnaus auf nachhaltige Infrastruktur und darauf, so wenig Abfall wie möglich zu produzieren.

Die Region als Zielpublikum

«Zu unseren Anliegen zählt, dass sich unser Publikum mit dem Veranstaltungsort und den dort lebenden Menschen verbunden fühlt», erklärte Eli Müller, die Teil des Organisationskollektivs von Buatsch ist. «Mit unserem Event sprechen wir in erster Linie Leute aus den umliegenden Tälern und der Region an.»

«Wir verstehen unser Festival in erster Linie als Geschenk an den Weiler Le Cerneux-Godat, auf dessen Boden der Event stattfinden kann», betonte Loris Vettese, der künstlerische Leiter des Tartare-de-Miettes-Festivals im Jura. Es zeichnet sich dadurch aus, dass das Publikum selbst bestimmen kann, wieviel Eintritt es bezahlt.

Das Tartare de Miettes verzichtet auf jegliches Sponsoring, erhält aber 6000 Franken vom Staat, was einem Zehntel des Budgets entspricht. «Wir leben vor allem davon, was unsere Besucherinnen und Besucher zu zahlen bereit sind – auch bei den Getränken», ergänzt Vettese. Das Konstrukt funktioniere, weil ausser dem technischen Personal niemand Lohn erhalte. «Was letztlich beweist, dass wir alle sehr privilegiert sind. Andernfalls wäre es uns gar nicht möglich, so viel Freiwilligenarbeit für das Festival aufzubringen.»

Propere Musik auf SRF 3?

Das Panel «Eine Liebesgeschichte: Die SRG und die Schweizer Musikindustrie» machte seinem Titel alle Ehre: Gilles Marchand, Generaldirektor der SRG, und gleich vier seiner Programmleiter betrieben zunächst viel Eigenlob. «Die Vielfalt unseres Programms entspricht der Vielfalt der Schweizer Musik», beweihräucherte Marchand die Arbeit seines Unternehmens. Dass nicht alle seine Sichtweise teilen, wurde deutlich, als Chris Wicky, Co-CEO der Schweizer Musikagentur Irascible, die Bühne betrat. Zwar sei es durchaus beeindruckend, was die SRG leiste, doch auf ihn wirke die von SRF 3 gespielte Musik ausgesprochen harmlos.

Michael Schuler, Musikleiter von SRF, verteidigte die Programmierung und erläuterte, man dürfe das Publikum nicht irritieren. «Sonst wechselt es rasch zu Streamingdiensten wie Spotify.» Moderatorin Maria Victoria Haas warf ein, dass Songs von Schweizer Musikschaffenden auf SRF 3 vorwiegend in der Nacht zu hören seien. Auf die Frage, weshalb Musik einheimischer Künstlerinnen und Künstler nicht vermehrt auch tagsüber gespielt werde, antwortete Schuler ausweichend: «Wir haben uns in dieser Hinsicht extrem gesteigert.» Immerhin: Alle Anwesenden waren sich einig, dass die SRG und die Schweizer Musikschaffenden voneinander abhängig und aufeinander angewiesen sind. «Ich hoffe, dass wir künftig enger zusammenarbeiten», schloss Schuler.

KI anwenden

Zu den heiss diskutierten Themen am m4music gehörte insbesondere die künstliche Intelligenz (KI) und ihre Auswirkungen. In seinem Keynote-Talk «Musik und KI» widmete sich der deutsche Musiker und Labelbetreiber Florian Kreier (alias Angela Aux) nicht zuletzt der Frage, wie sich die KI von Kunstschaffenden verwenden lässt. «Wer ein Handy nutzt, nutzt bereits KI», betonte der 41-Jährige und versuchte, seinem Publikum die Angst vor der neuen Technologie zu nehmen. Er lobte namentlich die Vorzüge von Softwarekomponenten wie den sogenannten Stem Separation Tools, die mithilfe von KI die einzelnen Instrumente eines Tracks isolieren, so dass man sie studieren kann. Erstaunlicherweise klingt die neue Single von Angela Aux, Traveler of the Mind, aber keineswegs nach Science-Fiction, sondern erinnert vielmehr an ein eingängiges, aber harmloses Klangpotpourri, das sich beim Pop der Siebzigerjahre bedient.

 

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