50 Jahre Wandel: Jazzfestival Willisau
1975 gründete Niklaus Troxler das Jazzfestival Willisau, das bald zu einem der wichtigen Anlässe in der Agenda der zeitgenössischen Szene wurde. Im August feierte die heute von Arno Troxler geleitete Reihe Jubiläum.

Geboren wird das Jazzfestival Willisau im Jahr 1975, was aber nur die halbe Wahrheit ist: Niklaus «Knox» Troxler, Gründer und langjähriger Leiter des Events, veranstaltet bereits ab 1966 Konzerte an seinem Geburts- und Wohnort Willisau. «Ich fing mit älterem Jazz an, weil das Interesse für Neuheiten in diesem Bereich erst einmal geweckt werden musste», erklärt der Grafikdesigner und Plakatgestalter im Gründungsjahr in einem Interview mit der Zeitschrift Jazz.
Im Zeichen des Free Jazz
Nach und nach konfrontiert Troxler (geb. 1947) sein Publikum mit experimentellem Jazz, was ältere Musikfans teils verstört, ihn als Veranstalter aber ermutigt. Für die erste Ausgabe seines neuen Festivals wünscht er sich ein offenes Publikum. Ein Wunsch, der sich auch am allerersten Plakat ablesen lässt. Es stammt – wie alle weiteren bis und mit 2009 – von Niklaus Troxler selbst und zeigt die Pop-Art-inspirierte Silhouette eines Kopfes mit riesiger roter Haartolle, die ein überdimensioniertes Ohr bildet. Das wirkt modern, frisch sowie rebellisch und trifft den Geist des damaligen Free Jazz, der mit Künstlern wie Archie Shepp oder Cecil Taylor die erste Festivalausgabe prägt.
Sechs Jahre später, auf die 7. Ausgabe hin, verdeutlicht Troxler, dass sich der Anlass nicht nur etabliert hat, sondern nun auch in seiner Blüte steht. Das Programm setzt weiterhin auf Free Jazz und Improvisation, sucht sein Glück jetzt aber vermehrt bei US-Stars, beispielsweise beim Pharoah Sanders Quartet oder dem Gitarristen Pat Metheny. Entsprechend selbstbewusst präsentiert sich das Festivalplakat, dessen Motiv ein abstrahierter, neonfarbener Trompetenspieler ist – was stark rhythmisch, bewegt und energiegeladen wirkt.
Essenz des Jazz
16 Jahre später erweist sich Troxlers Plakat zur 23. Festivalausgabe radikal reduziert. Es zeigt eine Schar tanzender und Instrumente spielender Figuren – fast wie mit Tinte hingekleckst. Eine minimalistische Szenerie ganz ohne Effekthascherei – sie erinnert an die Essenz des Jazz zwischen Klang, Körper und Moment. Passend dazu auch das Line-up, das unter dem Motto «Jazz Around the World» steht und Acts wie den französisch-vietnamesischen Gitarristen Nguyên Lê oder die Egberto Gismonti Group aus Brasilien bietet. Und mit Nachdruck darlegt, dass Willisau kaum mehr stilistische Grenzen kennt.
2009 sieht sich das Festival mit einer unklaren Zukunft konfrontiert. Gewiss ist nur, dass die 35. Edition die letzte von Gründer Niklaus Troxler sein wird. Im Juni desselben Jahres zeichnet sich jedoch ab, dass es weitergeht – in der Familie. Ab 2010 wird Neffe Arno (geb. 1979) das Szepter übernehmen, ein ausgebildeter Schlagzeuger. Für sein allerletztes Festivalplakat entscheidet sich Niklaus Troxler für eine ruhigere, organische Gestaltung, gegenüber den dynamischen Motiven von früher eine bewusste Zurücknahme. Auch das Musikprogramm folgt nochmals seinen Vorlieben – von Afrika über den Blues bis hin zur Avantgarde.
Auch optisch ein Aufbruch
2010 lautet die bange Frage: Was macht der «Neue» aus dem traditionsreichen Anlass? Die Antwort: Arno Troxler löst sein Versprechen ein und beschert dem Jazzfestival Willisau Kontinuität, versteht es aber auch, neue Akzente zu setzen. Dies, indem er erstmals Stilgattungen wie Electronic oder Rock und damit Künstlerinnen wie die E-Bassistin Meshell Ndegeocello oder die norwegische Sängerin Sidsel Endresen auf die Bühnen der Luzerner Kleinstadt bringt. Der neue Schwung macht sich auch in der Postergestaltung für das Festival bemerkbar: Das von Annik und Paula Troxler, den Töchtern des Gründers, kreierte Plakat kombiniert klare Typografie mit Farbdynamik, Struktur und grafischer Eleganz – und markiert den Aufbruch zu neuen gestalterischen Ufern.
Anlässlich des 50-jährigen Bestehens entwerfen Paula Troxler und Kleon Medugorac gleich 50 verschiedene Plakate. Von jedem blickt ein Gesicht, das sich aus Elementen früherer Poster zusammensetzt, ohne nostalgisch zu wirken. Als nicht minder spielerisch erweisen sich die vier Festivaltage mit Künstlern wie dem Kali Trio, das Post-Genre-Sounds beschert, oder dem die Grenzen zwischen Improvisation und Songwriting auslotenden Savannah Harris Trio. Was Festivalleiter Arno Troxler ein frohes Fazit entlockt: «2025 war geprägt von fantastischen Konzerten, Publikumszuwachs und einer friedlich erfreuten Stimmung.» Entsprechend optimistisch blickt er in die Zukunft.