Sonate für Klavier Nr. 28

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf seine A-Dur-Klaviersonate aus den Jahren 1815/16.

Ausschnitt aus dem Beethoven-Porträt von Joseph Karl Stieler, ca. 1820

Die Elementarteilchenphysik hat ihr Standardmodell, mit dem die wichtigen Wechselwirkungen beschrieben werden. In der Mathematik arbeitet man hingegen mit Standardabweichungen, um die Entfernung von einem Mittelwert zu bestimmen. Und in der Musik gibt es die Sonatensatzform. Von Adolph Bernhard Marx Mitte des 19. Jahrhunderts geprägt und bis heute in der Schule gepredigt, wird allzu schnell vergessen, dass dieses Modell wohl nur in wenigen, meist besonders langweiligen Fällen ohne Ausnahme funktioniert. Dass Begriffe wie Exposition, Überleitung, Seitenthema und Schlussgruppe dennoch im Gebrauch sind und unverzichtbar erscheinen, hat vielleicht nur einen Grund: Sie dienen als abstrakte Chiffren, mit denen sich Eigenarten einer Komposition trefflich beschreiben lassen – zumindest meistens.

Wenig überraschend hat Beethoven 1815/16 seine Klaviersonate op. 101 denn auch «anders» angelegt. Auf gleich mehreren Ebenen durchbricht er die noch jungen Konventionen der Gattung, so dass auch Marx trocken konstatieren muss, dass hier «der Name Sonate für eine vom gewöhnlichen Sonatenbau wesentlich abweichende Gestaltung angewendet» wird (Beethoven. Leben und Schaffen, 2. Aufl. 1863, Bd. 2, S. 216). Dies betrifft zunächst die Satzfolge mit einem formal changierenden Kopfsatz, einem lebhaften Marsch und einem langsamen Satz, der wie eine gross angelegte Einleitung zum Finale wirkt (einschliesslich einer Reminiszenz an den Kopfsatz). Darüber hinaus gilt dies aber auch für die Anlage des Verlaufs – mit Elementen der Fantasie, des Rezitativs oder der Toccata – wie für die Faktur mit ausgesprochen kontrapunktischen Verfahren: Das Trio des Marsches ist als Kanon angelegt, die Durchführung des Finales als weit dimensionierte Fuge. Ferner eröffnet Beethoven mit den deutschsprachigen, im Detail ausdifferenzierten Tempo- und Charakterbezeichnungen einen vollkommen neuen Ausdruckshorizont, der ebenso wie die zyklische Anlage des Werkes weit über das Jahr der Entstehung hinausweist.


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