«Trauerkantate»

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf die Kantate auf den Tod Kaiser Josephs II.

Ausschnitt aus dem Beethoven-Porträt von Joseph Karl Stieler, ca. 1820

Ja, es gibt sie, die durch das Raster der Geschichte gefallenen Werke. Die Gründe dafür sind vielfältig: Im 20. Jahrhundert waren es oft politische Umstände, die dafür sorgten, davor spielten verschiedenste Faktoren eine Rolle: ein ausbleibender Anfangserfolg, eine ungewöhnliche Besetzung, ein missratener Text … Wenn solche Partituren unerwartet aufgefunden werden oder nach Jahrzehnten wieder zur Aufführung gelangen, dann ist oft die Rede von einer «zu Unrecht vergessenen» Komposition. Ob sie dann aber auch ins Repertoire eingeht oder wenigstens in die allgemeine Wahrnehmung rückt, das sei dahingestellt. Eine ketzerische Frage drängt sich dabei immer auf: Gibt es nicht auch «zu Recht vergessene» Kompositionen – etwa allzu frühe Jugendwerke oder gar Gelegenheitsmusiken?

Die Mechanismen des Repertoires funktionieren jedenfalls nicht nach festen Regeln. So auch bei Beethoven und seinem reichen Œuvre, von dem nicht alles gleichermassen bekannt ist – im Gegenteil: von dem noch einiges zu entdecken wäre. So auch die Kantate auf den Tod Kaiser Josephs II. WoO 87 (1790), ein Auftragswerk der Bonner Lese- und Erholungsgesellschaft (die es übrigens noch heute gibt und seit 2019 auch Frauen als Mitglieder zulässt). In den alten Protokollen des Geschäftsführenden Ausschusses ist der Vorschlag nachzulesen, dass «entweder vor oder nach der Rede etwas Musikalisches aufgeführt» werden solle. Zur Darbietung der Kantate kam es indes nicht. Wie es später heisst: «aus mehreren Ursachen». Vielleicht hatte Beethoven das Werk zu umfangreich disponiert (mit einer Spieldauer von knapp einer Dreiviertelstunde), möglicherweise wurde es zu spät fertig (zwischen Auftrag und der Gedenkfeier am 19. März standen nur drei Wochen zur Verfügung), zudem hatte Kurfürst Maximilian, der Bruder des Verstorbenen und Prorektor der Gesellschaft, um eine Stille Stunde im Sinne eines Trauergottesdienstes gebeten.

Beethovens Autograf ging ungespielt verloren. Eine Abschrift tauchte erst 1884 wieder auf, und die Kantate erklang auf Anregung von Eduard Hanslick erstmals in einem Konzert der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Seither führt sie ein Schattendasein. – Zu Recht? Mit Sicherheit nicht, denn hier ist schon sehr viel vom späteren Beethoven zu hören. Keineswegs zufällig hat nämlich der Meister musikalisches Material später in anderen seiner Werke (auch im Fidelio) wiederverwendet.
 


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