Christus am Ölberge

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf das Oratorium «Christus am Ölberge»

Ausschnitt aus dem Beethoven-Porträt von Joseph Karl Stieler, ca. 1820

Gross besetzte Vokalmusik wird bei Beethoven oft auf nur wenige Werke reduziert. Das Finale der Neunten ist in aller Munde und Ohren, die Missa solemnis darf getrost als Opus magnum durchgehen, in dessen Schatten steht dann schon die Messe C-Dur. Aber ein Oratorium, noch dazu zur Karwoche? Tatsächlich ist Christus am Ölberge op. 85, Beethovens einziger Beitrag zu dieser Gattung, nahezu vollständig aus dem Repertoire verschwunden. Vielleicht war es auch eher der Zufall, der Beethoven zu dieser Komposition verleitete. Anfang 1803 hatte er von Emanuel Schikaneder den Auftrag bekommen, für das Theater an der Wien eine Oper zu schreiben. Und es wurde ihm zugesichert, dass er mit den Musikern auch Konzerte zum eigenen Vorteil durchführen könne, das erste am 5. April 1803, dem Dienstag der Karwoche. Beethoven hatte seine beiden ersten Sinfonien und das dritte Klavierkonzert auf das Programm gesetzt. Mehr oder weniger kurzfristig entstand zudem dem Kirchenjahr entsprechend das Oratorium. Seine spätere Behauptung, es sei in «14 Tägen» niedergeschrieben worden, ist cum grano salis zu nehmen – erste Skizzen stammen vom Februar des Jahres. Vor allem aber verstand Beethoven das Oratorium offenbar als Schritt auf dem Weg zur Oper: dramaturgisch wie musikalisch.

Christus am Ölberge wurde erfolgreich aufgeführt. Das von Franz Xaver Huber (1755–1814) stammende Libretto erwies sich allerdings ausserhalb Wiens als problematisch, so dass es bei der Drucklegung (Breitkopf & Härtel, Leipzig 1811) zu eigenmächtigen Veränderungen des Verlags kam. Beethoven erfuhr davon erst in den Korrekturfahnen – zu spät, um noch Grundsätzliches in seinem Sinne klären zu können, auch wenn er zugeben musste: «der text ist äußerst schlecht in der alten Bedeutung von ‹schlicht›, aber hat man auch sich einmal aus einem schlechten schlichten text ein ganzes gedacht, so ist es schwer durch einzelne Änderungen zu vermeiden, daß eben dieses nicht gestört werde.» Vor allem bezog er sich auf den Chor der Krieger, der etwas seltsam anmutet: «Wir haben ihn gesehn, / Nach jenem Berge gehen, / Schlagt links den Weg nur ein, / Er muß ganz nahe seyn!» Sinn machen solche Verse allein vor dem Hintergrund der Wiener Aufführungstradition, die offenbar auch ein szenisches Konzept umfasste. Jedenfalls finden sich in gleich mehreren Textbüchern der Zeit entsprechende Hinweise wie «Christus. Er kniet in einiger Entfernung von den schlafenden Jüngern», «Christus erhebt sich», «Paulus zieht das Schwert», «Chor der Kriegsknechte, indem sie Christum anführen». Hier lohnt es sich besonders, auf den Notentext der aktuellen Gesamtausgabe zurückzugreifen (auch als Studienpartitur bei Henle erhältlich). Und wer sich erst einmal von der sinfonischen Introduktion (beginnend in es-Moll!) gefangen nehmen lässt, der wird wohl gerne neugierig weiterhören …
 

Angaben zur Studienpartitur:
Ludwig van Beethoven. Christus am Ölberge op. 85, herausgegeben von Anja Mühlenweg (Studien-Edition), Henle-Verlag München, 255 Seiten (HN 9311)

 


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