Diabelli-Variationen

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf die Variationen in C-Dur über einen Walzer von Anton Diabelli für Klavier.

Ausschnitt aus dem Beethoven-Porträt von Joseph Karl Stieler, ca. 1820

«Variationen über einen Walzer für Klawier allein (es sind viele).» Fast scheinen diese Worte untertrieben, mit denen Beethoven in einem Brief vom 5. Juni 1822 an den Verlag Peters seine 33 Veränderungen über einen Walzer von Anton Diabelli op. 120 erwähnt. Angeregt wurde er zu dieser wahrhaft monumentalen Komposition bereits Anfang 1819. Der Wiener Musikverleger und Komponist Anton Diabelli (1781–1858) hatte sich an eine ganze Reihe in Österreich wirkender Komponisten und Pianisten mit der Bitte gewandt, für ein Gemeinschaftswerk je eine Variation zu einem Walzer einzusenden, den er für diesen Zweck entworfenen hatte. Auch Beethoven muss diese Einladung erreicht haben – allerdings wurde seine schöpferische Fantasie, vermutlich auch sein kompositorischer Ehrgeiz, durch das vorgegebene Thema so angeregt, dass bereits nach wenigen Monaten eine grosse Anzahl von Variationen skizziert vorlag. Mit der Fertigstellung anderer Werke beschäftigt, liess sie Beethoven dann allerdings für nahezu vier Jahre liegen; erst im April 1823 schloss er das Autograf endlich ab. Trotzdem gelang es ihm, Diabelli und dessen ursprünglichen Plan zeitlich einzuholen: Die 33 Veränderungen op. 120 erschienen im Juni 1823 im Druck; das am Ende aus 50 Variationen bestehende Gemeinschaftswerk hingegen erst ein Jahr später unter dem Titel Vaterländischer Künstlerverein. Veränderungen für das Pianoforte über ein vorgelegtes Thema.

Im Gegensatz zu diesem singulären Sammeldruck, in dem die einzelnen Beiträge wie in einem Lexikon alphabetisch nach den Namen der Komponisten geordnet sind, legte Beethoven seiner Komposition eine wohlkalkulierte Gesamtanlage zugrunde und schuf damit nicht nur eine Folge von Variationen, sondern einen in sich abgeschlossenen Zyklus. Wie komplex dessen Struktur ist, zeigt die Vielfalt der Gliederungsmöglichkeiten. So erscheint der Zyklus von aussen betrachtet als eine nahezu symmetrisch geordnete Abfolge von Gruppen zu jeweils vier Variationen (die letzte, Nr. 33, ausgenommen). Je nach Parameter oder Aspekt sind aber auch andere Einteilungen möglich, die weit über die zu jener Zeit standardisierten Modelle hinausgehen. Schon mit der ersten Variation vollzieht Beethoven einen Bruch zum Thema: Überschrieben mit alla Marcia maestoso sorgt sie entschieden für gehörigen Abstand. Im weiteren Verlauf sind es vielfach nur einzelne Motive, harmonische Fortschreitungen oder rhythmische wie melodische Elemente, die den Rückbezug hörend nachvollziehbar machen. Die angestaute Energie entlädt sich schliesslich in einer gewichtigen Doppelfuge, mit der Beethoven nun auch erstmals den tonalen Rahmen von C-Dur (und der Variante c-Moll) verlässt. Mehr als nur einen Epilog stellt am Ende die Variation 33 dar mit ihrer eigentümlich gelassenen, fast schon transzendenten Heiterkeit.

Selbst Hans von Bülow (1830–1894), der sich als Interpret der über Jahrzehnte als «unspielbar» geltenden Diabelli-Variationen annahm, fand kaum Worte für dieses summum opus der Variationskunst: Es sei für ihn der «Mikrokosmos des Beethovenschen Genius überhaupt, ja sogar ein Abbild der ganzen Tonwelt im Auszuge.»

 


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