Lob auf den dicken Schuppanzigh

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf den musikalischen Scherz «Lob auf den dicken Schuppanzigh» für drei Solostimmen und Chor.

Ausschnitt aus dem Beethoven-Porträt von Joseph Karl Stieler, ca. 1820

Es sind nicht immer die grossen Werke der Musikgeschichte, die von zwischenmenschlichen Beziehungen erzählen. Oft geben einfache Kanons oder aus dem Stegreif formulierte musikalische Sinnsprüche Einblick in das Umfeld und die alltäglichen Verhältnisse – obwohl sie in aller Regel zur «Spreu» eines kompositorischen Schaffens gerechnet werden. So auch bei Beethoven. Mal geht es um die leidige Verwandtschaft (Fettlümmel, Bankert haben triumphiert, ein dreistimmiger Kanon auf die Schwägerin und deren Tochter, WoO 226), dann um die Frage, wo denn gespeist werden solle: Meine Herren wo werden sie heute speisen im ochsen oder schwanen oder zu den drei hacken oder gar im fischrüherl (WoO 221, 1. Textfassung). Ernster geht es bei der Abreise von Johann Nepomuk Hummel nach Stuttgart zu (Ars longa, vita brevis, WoO 170), hintersinnig wurde mit einem B-A-C-H-Motiv der kunstvolle Eintrag des dänischen Komponisten Friedrich Kuhlau in eines der Konversationshefte erwidert (Kühl, nicht lau, WoO 191).

Gleich zweimal war Ignaz Schuppanzigh (1776–1830), der mit seinem Ensemble nahezu alle Streichquartette Beethovens aus der Taufe hob, Empfänger solch musikalischer Kurzmitteilungen. Und beide Male zielt der Text auf die korpulente Erscheinung des Geigers. Beethoven, der ihm ohnehin den Spitznamen «Mylord Falstaff» gegeben hatte, nennt ihn 1801 im derb-freundschaftlichen Spass Lob auf den dicken Schuppanzigh WoO 100 gar einen «Lump», einen «dicken Saumagen» und «aufgeblasnen Eselskopf». Etwas milder klingt es, als Schuppanzigh im April 1823 aus St. Petersburg zurückkehrt und mit dem Kanon Falstafferl, lass’ dich sehen WoO 184 begrüsst wird (hier imitieren die rasch repetierten und liegenden Töne eine Violine). Auch wenn Beethoven sich durch Schuppanzigh und seine Quartettgenossen immer wieder inspirieren liess und mit ihrer Hilfe im privaten Rahmen offenbar auch vorläufige Fassungen probieren konnte, hatte die Künstlerfreundschaft einiges auszuhalten – unter anderem die bekanntermassen vergeigte Uraufführung des Streichquartetts Es-Dur op. 127. Was Schuppanzigh aber musikalisch ausmachte, ist durch dessen Secundarius Karl Holz überliefert, der Beethoven berichtete: «Mylord hat heute besser gespielt, als je. – Stellen, wie das Recitativ aus op. 132 kann keiner so spielen. – Er hat das, was kein anderer lernen kann; dafür hat er auch weiter nichts gelernt.» 


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