«Kreutzersonate»

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf die Sonate für Violine und Klavier Nr. 9 A-Dur «Kreutzer».

Ausschnitt aus dem Beethoven-Porträt von Joseph Karl Stieler, ca. 1820

Welche musikalischen Möglichkeiten die Sonate für Violine und Klavier am Beginn des 19. Jahrhunderts noch immer eröffnete, wie wenig verbindlich die Behandlung der Instrumente war, geht aus dem Titelblatt zu Beethovens 1805 erschienener Sonate op. 47 hervor, der wegen ihrer Widmung sogenannten «Kreutzersonate»: Es sei eine Sonata per il Piano-forte ed un Violino obligato, scritta in un stile molto concertante, quasi come d’un concerto – eine Sonate für Klavier und obligate Violine, geschrieben in einem sehr konzertanten Stil, quasi wie ein Konzert. Bei so viel Variabilität ist es kaum ein Zufall, dass sich während des gesamten 19. Jahrhunderts (nicht nur auf die Violine bezogen) keine eigenständige Ästhetik der Sonate für Klavier und Melodieinstrument herausbildete.

Beethoven widmete die Komposition dem französischen Geigenvirtuosen Rodolphe Kreutzer, der sie allerdings nach Auskunft von Hector Berlioz nie gespielt haben soll und gar als «outrageusement inintelligible» (als «absolut unverständlich») bezeichnete. Doch auch bei den deutschsprachigen Zeitgenossen fand Beethoven nur wenig Verständnis. Vielmehr wurde ihm geradeheraus vorgeworfen, er wolle nur anders sein als die anderen: In einer Rezension der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung wird von einem «ästhetischen oder artistischen Terrorismus» gesprochen – vielleicht nachvollziehbar angesichts eines Kopfsatzes mit nicht weniger als 599 Takten. Auch der spieltechnische Anspruch wurde als sehr hoch empfunden, die Sonate selbst gar nur für bestimmte Gelegenheiten empfohlen: «wenn zwey Virtuosen, denen nichts mehr schwer ist, die dabey so viel Geist und Kenntnisse besitzen, dass sie, wenn die Uebung hinzukäme, allenfalls selbst dergleichen Werke schreiben könnten, und die eben wegen dieses oben über dem Ganzen schwebenden Geistes durch die wunderlichsten Auswüchse im Einzelnen nicht gestört werden –: wenn sich diese zusammenfinden, sich in das Werk einstudieren, (denn das müssten auch sie;) wenn sie nun die Stunde abwarten, wo man auch das Groteskeste geniessen kann und mag, vorausgesetzt, dass es mit Geist gemacht ist, und wenn sie es nun in dieser Stunde vortragen: so werden sie einen vollen, reichen Genuss davon haben.»

Die Vorstellung einer solchen musikalisch intimeren Stunde verweist unmittelbar voraus auf Leo Tolstois 1889 erschienene, Die Kreutzersonate überschriebene Novelle, in der Beethovens Komposition als Gefühls-Katalysator wirkt und die Liebe des Protagonisten in machtbesessene Eifersucht verwandelt. Ein psychologisierendes Drama über die unterdrückten emotionalen Tiefen im Bürgertum jener Zeit. Im 21. Kapitel heisst es: «Wenn sich zwei Menschen der edelsten Kunst, der Musik, widmen, muss ein bestimmtes inniges Verstehen vorhanden sein; eine solche Annäherung hat nichts Anstössiges, und nur ein dummer, eifersüchtiger Mann kann darin etwas Anfechtbares sehen. Trotzdem wissen aber alle recht gut, dass namentlich mit Hilfe dieser Beschäftigungen, besonders der Musik, ein grosser Teil Ehebrüche in unserer Gesellschaft zustande kommt.»


Link zum Artikel «Neue Möglichkeiten, neue Sinneseindrücke» von Simon Loosli

Der Geiger Simon Loosli beschreibt, wie vertraut Beethoven mit den neusten Entwicklungen des Violinspiels war und wie sehr er diese für die Steigerung des Ausdrucks einsetzte.


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