Inspiration – die Interviews

Für meinen Artikel «Mysterium unter der Dusche» (Schweizer Musikzeitung 12/2023) habe ich Musikerinnen und Musiker befragt. Ihre ausführlichen Antworten sind hier in alphabetischer Reihenfolge zu lesen.

 

 

Pfeifend dahinschlendern: Niklaus Keller in Bologna. Foto: zVg

Annakin, Singer/Songwriter

Was bedeutet für dich «Inspiration»? 

Inspiration ist für mich der Geisteszustand, den es braucht, um einen guten Song zu schreiben. Sie ist die Epiphanie, also eine Offenbarung oder ein Geistesblitz, der Einschuss an Endorphin und der Beginn von etwas Spannendem. Sie steht am Anfang und ist wichtig, damit der kreative Prozess fliesst.

Braucht es zum Kreieren «Inspiration» oder reicht auch harte Arbeit?

Ohne Inspiration geht es für mich eigentlich nicht, weil man ohne sie kaum oder nur harzig vorwärtskommt. Und ich glaube auch, dass man es einem Song anhört, weil er dann uninspiriert tönt. Die Inspiration ist für mich also eine unabdingbare Quelle, um kreativ arbeiten zu können und vielleicht auch ein Qualitätssiegel. Ich glaube nicht, dass das Ergebnis das gleiche ist, wenn man uninspiriert hart an etwas Kreativem arbeitet. Denn die Inspiration beseelt meiner Meinung nach das Werk.

Welche Umstände führen bei dir am ehesten zu kreativer Inspiration?

 Ich habe irgendwann gemerkt, dass es Methoden gibt, um die Inspiration anzuzapfen. Oft schreibe ich auf der Suche nach guten Lyrics zum Beispiel einfach meinen inneren Monolog auf. Früher oder später kreisen meine Gedanken dann um etwas, das sich lohnt zu verfolgen oder es entsteht dabei ein Wortspiel, das ich aufnehme. Grundsätzlich findet man aber überall Inspiration, wenn man seine Sinne dafür schärft. Gerade kürzlich habe ich ein Schild, auf dem «Brockenhaus» stand von weitem nicht recht lesen können und meinte, es stehe da «Broken Hans». Ein wunderbarer Titel für einen neuen Song, fand ich.

Möchtest du noch etwas anderes zum Thema «Inspiration» sagen? 

Embrace it while you can! Es ist oft eine flüchtige Liaison mit der Inspiration und harte Arbeit, sie über längere Zeit an der Seite zu behalten.

https://annakin.net

 

Benjamin Amaru, Singer/Songwriter

Was bedeutet für dich «Inspiration»?

Inspiration (in Bezug zur Kunst/Schaffung) ist für mich etwas, auf das ich hinarbeiten möchte. Ich sehe es meistens in Form von anderen Künstlern, welche etwas erreichen was ich erstrebenswert finde. Wichtig ist dabei für mich vor allem, wie sie es erreichen und wie authentisch sie dabei sind, zu sich selbst und zur Aussenwelt. Dabei inbegriffen sind Dinge, welche mich berühren und oder beeindrucken. Sprich, alles, was etwas mit mir macht und womit ich mich identifizieren kann, kann für mich Inspiration sein und zu eben diesem Prozess oder Werdegang, den ich verfolge, dazu gehören.

Braucht es zum Kreieren «Inspiration» oder reicht auch harte Arbeit?

Ich denke man kommt um «harte Arbeit» nicht herum. Jedoch finde ich, dass Inspiration auch im Zentrum harter Arbeit steht. Warum arbeitet man hart? Der Drive dabei ist für mich genauso gelinkt zur Inspiration wie bei allem anderem. Dementsprechend, glaube ich, dass Inspiration im Zentrum jedes Schaffens liegt.

Welche Umstände führen bei dir am ehesten zu kreativer Inspiration und künstlerischen Resultaten?

Bei mir kommt das sehr sporadisch. Es braucht keinen bestimmten Zustand oder eine spezifische Situation, nur den Willen inspiriert zu sein.

https://benjaminamaru.com

 

Daniel Schnyder, Komponist

Was bedeutet für dich «Inspiration»?

 Es bedeutet, dass etwas deinen Geist anregt. Das kann nun von aussen kommen oder von innen. Der Geist, der «inspiriert», also den Menschen besucht, ist überall, aber man kann sich ihm nicht immer gleich öffnen. Er klingelt teils auch zu ungünstigen Momenten an der Künstlertür. Was löst die Inspiration aus? Ein Schaffensumfeld kann inspirierend wirken, andere Menschen, Künstler. Aber auch das Alleinsein kann inspirieren. Wie gesagt, Geist wohnt überall, nur offenbart er sich nicht immer.

Braucht es zum Kreieren «Inspiration» oder reicht auch harte Arbeit?

 Inspiration heisst Energie; ja es braucht Inspiration zum Schaffen, und dann sofort harte konzentrierte Arbeit, sonst ist der Geist gleich wieder weg. Man kann Inspiration nicht «verschieben». Harte Arbeit alleine reicht leider nicht. Man hat dann einfach nicht die Kraft, etwas zu tun. Man versiegt ohne Inspiration. Heute ist die Ablenkung die Gefahr; alles strebt nach dem Energieminimum, das ist Physik, Chemie: d.h.: Kühlschrank, News, Wellness, TV, Social Media. Da marschiert der Geist dann grad wieder zur Tür raus … Wenn es aber gelingt dabei zu bleiben, gibts eben den «Inspirationssog», wo dann gleich ein ganzer Strom von Ideen, Schaffensdrang und Kairos zusammen kommen.

 Welche Umstände führen bei dir am ehesten zu kreativer Inspiration und künstlerischen Resultaten?

Andere Musiker, tolle Konzerte, grossartige Werke der Vergangenheit; aber auch tolle Literatur und andere Kulturen.

Möchtest du noch etwas anderes zum Thema «Inspiration» sagen?

 Ja; ich glaube es gibt einen übergeordneten «Schaffensgeist», der den Menschen auszeichnet und ihm die Möglichkeit gibt, eine Art «Gegenschöpfung» zu entwerfen. Wenn man sich diesem übergeordneten Spiritus anschliessen kann, sich mit ihm verbinden kann, ist man zu Sachen befähigt, die man eigentlich nicht kann. Das meint z. B. Bach, wenn er in den kompliziertesten Teilen seiner Kompositionen JESU JUVA schreibt. Man möchte den Geist dazu bringen, einem zu helfen, den Kairos, den Punkt des Gelingens zu erreichen. Das bedeutet dann Glück.

Das ist auch der einzige Grund, weshalb man das überhaupt tut. Es gibt ja keinen kommerziellen Sinn, eine vierstimmige Spiralfuge zu schreiben. Man kann damit heuer auch nicht mehr bluffen hahaha. Aber wenn’s dann gespielt wird und funktioniert, ist das natürlich toll und ein Glücksmoment. Und Jahre später versteht man dann nimmer, wie das alles so gut zusammen passt und gelingen konnte: Man schafft als Komponist seine eigenen Schöpfungsrätsel, hahaha.

https://www.danielschnyder.com/

 

Emanuela Hutter, Hillbilly Moon Explosion

Was bedeutet für dich «Inspiration»? 

Inspiration ist für mich lebenserhaltend. Wie das Öl im Getriebe.

Braucht es zum Kreieren «Inspiration» oder reicht auch harte Arbeit?

Zum Kreieren von Neuem, nie Dagewesenem, braucht es sehr wohl Inspiration. Für die Umsetzung der Inspiration braucht es die harte Arbeit. Und sehr viel Ausdauer.

 Welche Umstände führen bei dir am ehesten zu kreativer Inspiration und künstlerischen Resultaten?

Dem Lockdown sei Dank durfte ich die Erfahrung machen, dass ich nur zu kreativem Schaffen tauge, wenn ich in sozialer Interaktion mit Menschen bin, und zwar mit Unbekannten. Das Beobachten von fremden Menschen inspiriert mich und regt meine Fantasie an. Zuhause abgeschottet mit der Familie in Harmonie und Geborgenheit rumzulümmeln, ist zwar wunderschön und wirkt entspannend, ist für mich indessen kontraproduktiv. Ich schrieb während des ganzen Lockdowns kein einziges Lied.

Wie schreibt man einen Ohrwurm?

Ohrwürmer können blödsinnig aufdringlich und unangenehm sein. Manchmal fallen sie mich beim Aufwachen an und schwirren ruchlos weiter im Kopf, und wenn ich sie verarbeiten will, sind sie zu schmierig und aufdringlich, als dass etwas Schönes daraus werden kann. In solchen Fällen ist das Vertrauen in die Zusammenarbeit mit einem Mitmusiker oder Produzenten fruchtbar. Eine Zusammenarbeit, die Nichtübereinstimmung und Spannung zulässt und aushält. Auf einen Ohrwurm abzuzielen, finde ich schwierig.

Möchtest Du noch etwas anderes zum Thema «Inspiration» sagen?

Inspiration ist etwas Wundervolles, weil es einem einfach passiert. Wie ein Hauch daherkommt. Ohne sich darum bemühen zu müssen. Es fühlt sich an wie Verlieben. Und kann weder erzwungen noch gekauft werden. Das ist mitunter ein schöner Aspekt.

https://www.hillbillymoon.com/

 

James Varghese, Musiker/Produzent

Was bedeutet für dich «Inspiration»?  

Inspiration ist der Grund, wieso ich kreieren muss. Es ist, als ob ich etwas Wichtiges habe, das ich unbedingt sagen will. Es muss raus. Es ist ein Glücksgefühl, ein «Flash». Wobei Glücksgefühl nicht ganz treffend ist. Man ist dann eher fokussiert, «in the zone». Ich hüpfe nicht vor Freude im Studio herum. Ich werde eher still, demütig und dankbar, dass ich diesen Moment erleben darf. Es fühlt sich dann auch nicht so an, als hätte ICH etwas getan oder kreiert. Es ist ein spirituelles Erlebnis und man selber fühlt sich dann nicht als Akteur, eher als Medium.

Braucht es zum Kreieren «Inspiration» oder reicht auch harte Arbeit?  

Wenn ich nur kreieren würde, wenn ich inspiriert bin, würde nie ein Song fertiggestellt werden. Es braucht immer auch den Aspekt der harten, trockenen Arbeit. Aber nur durch harte Arbeit würde ich nie einen Song interessant genug finden, um ihn zu veröffentlichen. Da ich auch nicht steuern kann, wann ich inspiriert bin und wann nicht, muss ich auch ins Studio, wenn ich gerade keine Lust habe. Es gibt viele Bereiche der Musik, an denen ich arbeiten kann, auch wenn ich uninspiriert bin.

Welche Umstände führen bei dir am ehesten zu kreativer Inspiration?  

Wenn ich das nur wüsste! Musik hören kann zu Inspiration führen und umgekehrt auch die Stille. Da ich in der Stadt wohne, sind Ausflüge in die Natur immer sehr inspirierend. Vielleicht geht es einfach um den Szenenwechsel. Besuche in anderen Städten lösen auch immer sehr viel aus. Es fühlt sich manchmal an, wie eine Batterie, die aufgeladen wird.

Wie ist die Idee einer Zusammenarbeit mit Simone Felber in der Bergbahn zustande gekommen? Hat die dadurch «erzwungene» Inspiration deine kreative Arbeit in andere Bahnen geführt, als wenn du allein bist?  

Die Zusammenarbeit wurde von der Swisscom initiiert. Sie haben ein Online-Format erschaffen, welches X-Stories heisst und Menschen aus unterschiedlichen Welten zusammenbringen soll. In unserem Fall war es Stadt X Land, Elektronische Musik X Volksmusik. Dieses Erzwungene war für mich sehr erfrischend und förderlich, weil ich das ja sonst nicht so oft habe. Ich «musste» etwas abliefern und dieser Druck hat mir gutgetan. Ich denke, immer wenn man raus aus der Comfort Zone muss, passieren spannende Sachen. Wenn ich immer nur Kollaborationen machen würde, dann hätte ich voll Lust, wenn ich plötzlich einen Tag lang allein arbeiten dürfte. Aber weil ich so oft alleine tüftle, war der Austausch sehr wertvoll und bereichernd.

Was auch geholfen hat, waren die strengen Deadlines. Ich kann ja sonst ewig an einem Track rumfeilen. Hier noch ein Detail verschieben, dort eine kleine Veränderung vornehmen, bis es «perfekt» ist. Und perfekt ist es dann trotzdem nie. Ich musste viel pragmatischer sein und das hat mir geholfen. Wir haben einen guten Mix gefunden zwischen freier Spielzeit, rumtüfteln und Suchen auf der einen und der harten Realität, dass wir 15 Minuten Musik abliefern müssen, auf der anderen Seite. Das klingt jetzt nach Kompromiss und «sich schneller zufriedengeben», so wars aber nicht. Es waren eher einfach längere Arbeitstage und kurze Nächte.

Möchtest du noch etwas anderes zum Thema «Inspiration» sagen?  

Es ist ein Wort, bei dem man alles und nichts sagen kann. Und es kann auch als Totschlagargument gebraucht werden und als Ausrede, weil man es nie be- oder widerlegen kann. Ich könnte immer noch an meinem ersten Song dran sein und mir selber einreden, dass ich einfach noch auf die Inspiration warte und in der Zwischenzeit auf dem Sofa liege und mich durch Social Media scrolle. Wenn man aber diesen «Flash» mal erlebt hat, möchte man das Gefühl am liebsten für immer festhalten. Ich frage mich oft, wie es sich für andere Menschen anfühlt. Und bei welchen Aktionen oder in welchen Momenten Nicht-Musiker diesen empfinden und wie sie das ausdrücken.

https://jamesvarghese.bandcamp.com/album/uijo

https://quietloverecords.com/jamesvarghese

 

Michael Sele, The Beauty of Gemima

Was bedeutet für dich «Inspiration»?

 Es ist dieser Funke, der meine Kreativität entfacht, der Moment, in dem Ideen, Emotionen und Eindrücke zusammenkommen und mich dazu bringen, etwas Neues zu erschaffen.

Braucht es zum Kreieren «Inspiration» oder reicht auch harte Arbeit?

 Die Inspiration steht bestenfalls am Anfang des kreativen Prozesses, der meine Arbeit zum Leben erweckt, aber da man ja nicht nur auf die ganz grosse Eingebung warten kann, habe ich schon auch meine Techniken entwickelt, um meine Kreativität zu fördern. Und hier kommt dann der Aspekt der Arbeit dazu. Diese kann mehr als mühsam, gar frustrierend sein, doch ist sie auch die einzige treue und furchtlose Begleiterin, die während des ganzen Prozesses an meiner Seite ist.

Welche Umstände führen bei dir am ehesten zu kreativer Inspiration und künstlerischen Resultaten?

 Inspiration finde ich in vielen Aspekten des Lebens, denn grundsätzlich ist man ja tagtäglich, um nicht zu sagen pausenlos von Ideen und Eindrücken umgeben. Wichtig ist einfach dabei, dass ich mich auch auf dem Weg befinde, etwas Neues erschaffen zu wollen. Nur dann sind meine Antennen auch aktiv und ich kann Signale empfangen. Auszubrechen aus der täglichen Routine, die Wohlfühlzone zu verlassen, wieder einmal die Nacht zum Tag zu machen, rauszugehen, die warme Stube zu verlassen, Konzerte zu besuchen, ins Theater zu gehen, ins Kino, all dies sind Umstände oder wunderbare Dinge, welche dann die Signale exponentiell verstärken.

Kann man einen Ohrwurm erzwingen?

 Ein Ohrwurm ist ja in der Regel ein eingängiges Lied oder eine Melodie, die immer wieder im Geist auftaucht. Man kann auf jeden Fall versuchen, eingängige Melodien zu komponieren, die das Potenzial haben, bei den Hörern einen Ohrwurm auszulösen. Dies kann durch die Verwendung bestimmter Harmonien, Melodien oder Texte erreicht werden, die leicht im Gedächtnis haften bleiben. Da gibt es ja ganze Lehrbücher, welche die grossen Hits analysiert haben und versucht haben, einen sogenannten Erfolgsschlüssel daraus abzuleiten. Produktionsteams und Plattenfirmen versuchen diese Schemas auch anzuwenden und wenn dieser Song dann noch pausenlos und in Dauerrotation auf allen Kanälen läuft, stehen die Chancen sicher nicht schlecht, dass aus dem Ohrwurm bestenfalls auch noch ein Hit wird.

Möchtest Du noch etwas anderes zum Thema «Inspiration» sagen?

 Inspiration im Sinne von Einatmen bedeutet doch eigentlich nichts anderes als, dass jeder Mensch zum Überleben Inspiration braucht und Inspiration für andere sein kann und muss.

https://www.thebeautyofgemina.com

 

Nik Bärtsch, Musiker/Komponist

Was bedeutet für dich «Inspiration»?

Ein künstlerisches Werk, eine Performance ein Fussballspiel müssen belebt werden – in der Entstehung und während der Ausführung. Regeln, Können und ein fettes Budget alleine reichen nicht. Wir sprechen von «beseelt» wenn ein Ereignis Empathie, Emotion und Gemeinschaft auslöst. Dies geschieht durch den «Atem der Dinge» – den Beteiligten Lebewesen wird Leben eingehaucht. Sie beginnen an das gemeinsame Hier und Jetzt zu glauben.

Braucht es zum Kreieren «Inspiration» oder reicht auch harte Arbeit?

Inspiration ist wie ein japanischer Geist, der ständig in andere Körper wechselt. Sie taucht sowohl aus dem Nichts unter der Dusche auf, wie während harter Arbeit. Erzwingen lässt sie sich also nicht, aber evozieren schon: durch Geduld und Hingabe an die Musik, sozusagen in der künstlerischen Ekstase als Dauerzustand.

Welche Umstände führen bei dir am ehesten zu kreativer Inspiration und künstlerischen Resultaten?

 Work-Flow – egal ob im Stress oder mit viel Zeit und Platz, der Tunnelblick muss also stimmen. Der Komponist Morton Feldman sagt dazu: Um zu komponieren braucht es zwei Sachen – bedingungslose Konzentration und den Glauben daran. Ich würde noch ergänzen: ungeheure Freude an der Musik. So wurde übrigens der FCZ Meister vor Kurzem gegen die überbezahlte und angefettete Konkurrenz: Freude, Fokus, Glaube.

https://www.nikbaertsch.com

 

Niklaus Keller, Komponist

Wärest du dazu bereit, mir ein paar Fragen zum Thema «Inspiration» zu beantworten?

Gerne, denn:

A: Inspiration und Kreation sind die zwei Eckpfeiler meines Lebens. Geist und Schöpfung bestimmen mein Dasein, von der Muse geküsst, komponiere ich meinem Studierzimmer. Keine Ahnung was ich dort mache, der göttliche Funke durchdringt mich und den Federkiel in meiner Hand, die Noten schreiben sich von selber.

B: Vielleicht doch nicht, ich mache Musikstücke und habe wenig Ahnung von den neurologischen Abfolgen im Gehirn. Inspiration und Kreation sind schlussendlich vielleicht nichts anders als elektrische Ladungen und der Mensch kreiert nur Neues, genauso wie er auf einen Berg steigt, nämlich weil der Berg da ist. Er schreibt also Musik, weil er es kann und aus keinem Grund mehr.

Ob A oder B die Musik tönt gleich. Gut, dann können wir jetzt mit dem Interview beginnen, «Herr Keller, vielen Dank für die Einleitung.»

Was bedeutet für dich «Inspiration»?

Inspiration bedeutet für mich, einen Einfall zu haben, ohne aktiv nachzudenken zu müssen, der Spirit dringt hierbei unerwartet ins Bewusstsein und wird wahrgenommen. Dies geschieht in einem Moment der Entspanntheit und Selbstverlorenheit, die beide nicht bewusst herbeizuführen sind, weil  der ganze Vorgang, ich wiederhole mich, unerwartet passiert.

Mir fallen leider nicht schlagartig abendfüllende Sinfonien ein, es sind dies eher kurze Motive und Melodien, die sich mir meistens offenbaren, wenn ich pfeifend dahinschlendere. Wenn mir ein Motiv gefällt, nehme ich es mit meinem Device, dem Mobiltelefon, auf.

Braucht es zum Kreieren «Inspiration» oder reicht auch harte Arbeit?

Inspiration ist für mich nichts Übersinnliches, sie wird vom Menschen respektive seinem Hirn selber generiert, tendenziell unbewusst und entsteht aus dem, was man als Musik in seinem Hirn gespeichert hat und wird ebendort neu zusammengestellt, wenn es denn ein originaler Einfall ist. Wie bereits gesagt, sind es bei mir kurze Melodien, die mir einfallen. Nachher beginnt die harte Arbeit, die sich manchmal lohnt, wenn die Idee gut ist. Die Inspiration ist der Baustein und eine Hilfe, um zu beginnen.

Dass die Inspiration als Einstiegshilfe dient, sieht man auch daran, dass manche Musiker glauben, Inspirationen seien eine direkte Botschaft Gottes. Das Vertrauen auf Gott gibt einem sicher zusätzliche Kraft und legitimiert das eigene Schaffen. Man kann aber auch ohne Inspiration anfangen, denn es gibt auch andere Parameter neben der Inspiration, die eine Rolle spielen, wie zum Beispiel der Drang etwas kreieren zu wollen, welches in sich stimmt, wie ein Designer bei einem formschönen Automobil oder ein Fussballer bei einem schön gestossenen Freistoss oder wie bei Rossini, wenn er was Gutes kocht.

Und ja, es ist Arbeit. Man arbeitet lange, denn es soll nicht nach harter Arbeit, sondern wie aus dem Stegreif gemacht klingen, und es soll auch gut klingen, also sollte man auch handwerklich gewisse Fertigkeiten aufweisen.

Welche Umstände führen bei dir am ehesten zu kreativer Inspiration, und künstlerischen Resultaten?

Da habe ich leider keine Antwort parat. Ich denke nicht einmal Beethoven wüsste eine, denn sogar er hat, wenn ich mich richtig entsinne, im Opernbereich nicht 100%ige Resultate erzielt. Hätte er die Situation richtig einzuschätzen gewusst, hätte er keine Opern geschrieben – oder bessere. Aber eben, Inspiration ist nicht alles, es kommt auch darauf an, dass man sich von seinem eigenen Machen befreit und es quasi von aussen anschaut. Wie es die Beatles beim Liederschreiben gegenseitig füreinander machten. Die Inspiration findet zudem nicht nur am Anfang statt. Auch während der Arbeit hat man wieder neue Ideen, die eine Folge der Initialzündung sind.

https://niklauskeller.bandcamp.com/

 

Romaine Blum, Wintershome

Was bedeutet für dich/euch «Inspiration»? 

 Inspiration ist das, wovon ein Musiker lebt. Es ist der Herzschlag unseres kreativen Daseins. Inspiration ist das, was sich nicht erklären lässt, die Magie, die hinter einem Song steckt, das gewisse Etwas.

Braucht es zum Kreieren «Inspiration» oder reicht auch harte Arbeit?

 Es braucht auf jeden Fall Inspiration. Mit harter Arbeit kann man einiges erreichen, aber ich bin überzeugt, dass es gerade in der Kreativarbeit Eingebungen braucht, die irgendwo herkommen und dich finden. Ich denke nur harte Arbeit bringt keine innere Zufriedenheit, weil eben diese Magie fehlt.

Welche Umstände führen bei dir/euch am ehesten zu kreativer Inspiration und künstlerischen Resultaten?

 Ganz Alltägliches, aber auch die ganz grossen Gefühle. Manchmal schreibt man einen Song über eine Trennung, einen Verlust, eine Geburt eines Kindes oder andere einschneidende Erlebnisse. Aber manchmal reicht nur ein Satz aus einem guten Buch, welcher dich inspiriert, einen Song zu schreiben.

Kann man einen Ohrwurm mit Kalkül erzwingen? Ihr habt ja zum Teil wahnsinnig süffige Refrains …

 Wir glauben nicht, dass man das erzwingen kann. Wir haben das tatsächlich schon paarmal probiert. Sind aber immer wieder an den Punkt gelangt, wo wir nicht mehr weiterkamen oder unzufrieden wurden, und genau da kommt die Inspiration ins Spiel. Am besten klappts, wenn man offen dafür ist, und keine Erwartungen hat, und dann fliesst es einfach plötzlich.

https://www.wintershome.ch/

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