Musique Suisse statt Credit Suisse

Alternativvorschlag zum staatlich subventionierten Banken-Streichkonzert von Brummbär.

Foto: Valery Kachaev/depositphotos.com

Brummbär liebt Musik. Ihr Ruf war so stark, dass er sich dieses weite Feld sogar zum Beruf machte. Ab und zu schreibt Brummbär auch über Musik – und nun zum ersten Male im Namen der Musik. Angesichts der dramatischen Aktualität und der turbulenten Umstände der staatlichen Bankenrettung drängt sich ein solcher Appell einfach auf.

Musik ist systemrelevant und much-too-big-to-fail. Um «Risiko-Materialisierungen» (O-Ton von Credit-Suisse-Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann, der das ehrliche Wort «Verlust» nie in den Mund nahm) und nachhaltigen Erschütterungen der globalen Musikbörse vorzubeugen, fordert Brummbär vom Bundesrat innert nützlicher Frist (also innerhalb von 3 Tagen) die gäbige Summe von 209 Milliarden Franken. Das Aktionariat von uns Musikerinnen und Musikern ist breit gestreut und damit demokratisch legitimiert, vom städtischen Sinfonieorchester und Jazz-Big Bands über regionale Kirchenchöre, Jodlerklubs und Blasmusiken bis zur schummrigen Agglo-Disco.

Als Musik-Manager sind wir innovativ, vielsaitig begabt und pflegen visionäre Projekte, ohne die Bodenhaftung zu verlieren. Verantwortung schieben wir nicht auf die lange BANK – wir haften ganz direkt mit unserem guten Ruf für die Qualität unserer Harmonien, Refrains und Strophen. Die KATA-STROPHEN überlassen wir den selbsternannten Masters of the Universe. Laut ihrer Selbstdeklaration halten sie sich ja für the best – und das hat halt seinen Preis.

Wenn die klammen CEOs der pekuniären Teppichetage immer wieder mal einen kleineren oder grösseren Schlamassel anrichten, dann gleich mit vollem Schleuderprogramm. Als Kollateralschaden fliegt ihnen (und uns) dann bedauerlicherweise gelegentlich eine ganze Bank um die Ohren, samt 167-jähriger Tradition und 10 000 Arbeitsplätzen. Die Zukunft des Finanzplatzes Schweiz? Global, cannibal, tribal, legal, halblegal, illegal – egal.

Die Boni der MUSIQUE SUISSE hingegen bestehen zwar auch aus Noten, aber nicht von der Nationalbank. Uns interessieren Weiterbildungskurse mehr als Aktienkurse. Unsere Lernkurven sind so steil, dass wir ausziehbare Tonleitern brauchen, um ganz hinaufklettern zu können. Aber auch in schwindelerregenden Tonhöhen schwindeln wir nicht. Wir sind tief verankert. Eine solide Basis bildet für uns den GRUND im doppelten Sinne: als Fundament und als raison d’être.

Dieser fundamentale Grundton erdet uns lässig, aber zuverlässig, auch in archaischen Naturjüüzli, exotischen Volksliedern, wilden Hip-Hop-Raps, bis in die komplexesten Harmonien und vertracktesten Rhythmen. Wir sind jederzeit am Puls der Zeit, taktvoll, dynamisch, diszipliniert, agogisch, pädagogisch, zielorientiert. Mit Timing sind bei uns nicht die Kauf- und Verkaufsströme in Mikrosekunden an der Börse gemeint, sondern das präzise Setzen, Atmenlassen und Phrasieren eines einzelnen Tons. Unsere Wall Street ist das beglückende Erlebnis eines gemeinsamen Grooves.

Wir bringen eine Melodie zum Klingen, streicheln sie, zupfen sie, blasen sie, tanzen sie, jodeln sie, hüpfen mit ihr über Stock und Stein, über Riffs und Ostinati, halten sie hellhörig am Leben, kitzeln sie an den richtigen Fermaten, lassen es dann auch mal gehörig fetzen und chillen in den Pausen. Wir schlagen kühne Bögen, steuern wohlgezielt dramaturgische Höhepunkte an, nähern uns in elegant-hermeneutischen Zirkeln konzentrisch dem Kern des Melos und lassen die Klänge dann auch zeitgerecht verklingen, sortenrein getrennt, ganz ohne Altlasten und toxische Hinterlassenschaften.

Unser Paradeplatz ist vor dem Dorfschulhaus oder im Pavillon am See, wo das Jugendorchester mit der Nachwuchs-Rockband und dem Schwyzerörgeli-Duo um die Wette spielt. Unsere Transferleistungen fliessen weder in «variable Anreizvergütungen», «aufgeschobene Barprämien» oder «Public Liquidity Backstops» und schon gar nicht in noch obszönere «Transformationsboni», sondern kommen schlicht der Allgemeinheit zugute: Alle hören, viele spielen sie.

Wir stellen Gegenwart her. Das sollte uns doch den Gegenwert von 209 000 Millionen Franken wert sein.

Oder hat Brummbär da am Ende etwas falsch verstanden an der denkwürdigen bundesrätlichen Pressekonferenz am 19. März 2023? Gewinne für alle, Verluste (pardon: «materialisierte Risiken») privat?

 

Brummbär

Unter dem Alias «Brummbär» schreibt der irisch-innerschweizerische Komponist und Musiker John Wolf Brennan Glossen und Kolumnen, die in verschiedenen Medien publiziert werden. www.brennan.ch

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