Der Sinfoniker Fritz Brun

Der Dirigent Adriano hat alle 10 Sinfonien und auch alle anderen publizierten Orchesterwerke des Schweizer Komponisten aufgenommen.

Wer hat schon je eine Sinfonie von Fritz Brun (1878–1959) gehört? Seinen Namen kennt man vielleicht noch, wirkte er doch während über 30 Jahren als Chefdirigent der Bernischen Musikgesellschaft (heute Berner Symphonieorchester). Was aber nur wenige wissen: Brun war der bedeutendste Schweizer Sinfoniker des frühen 20. Jahrhunderts, wenngleich nicht der wichtigste Schweizer Komponist seiner Zeit. Da hatten andere, etwa Arthur Honegger, Frank Martin und Othmar Schoeck, grösseres Gewicht. Aber Fritz Brun war der einzige, der sich hauptsächlich und mit eminenter Begabung der Sinfonik widmete, vergleichbar etwa einem Anton Bruckner – auch in seiner verkannten Bedeutung. Es ist zu hoffen, dass diese bald ein Ende haben wird. Die Publikation sämtlicher Orchesterwerke von Fritz Brun in der vorliegenden Einspielung könnte einen Anstoss geben, dass er endlich die seinem Schaffen zustehende Anerkennung erhält. Zwar haben viele Schweizer Sinfonieorchester in den letzten Jahrzehnten Werke von Brun aufgeführt, es gab auch Radiomitschnitte, und einige seiner Sinfonien wurden auf LP und CD veröffentlicht. Aber es entbehrt nicht der Ironie, dass ein Aussenseiter-Dirigent sein Schaffen in Erinnerung rufen musste, und dies erst noch mit zwei ausländischen Orchestern.

Der Dirigent heisst Adriano, geboren 1944 als Adriano Baumann in Fribourg. Mit dem Moskauer Sinfonieorchester und dem Bratislava Sinfonieorchester hat er im Zeitraum 2003–2015 diese Gesamtaufnahme realisiert. Nach dem Musikstudium am Zürcher Konservatorium wirkte Adriano als Filmmusikkomponist, Herausgeber von Honeggers Filmmusiken und Souffleur am Opernhaus Zürich. Auf Anregung von Ernest Ansermet und Joseph Keilberth wandte er sich schliesslich dem Dirigieren zu und widmete sich fortan unter dem Künstlernamen Adriano der Interpretation wenig bekannter Werke, darunter eben der Filmmusik von Arthur Honegger sowie Orchesterwerken und Opern von Ottorino Respighi. Und er setzt sich auch für wenig gespielte Schweizer Komponisten wie Hermann Suter, Albert Fäsy, Pierre Maurice und Emile Jaques-Dalcroze ein.
Die Idee einer Gesamtaufnahme des sinfonischen Schaffens von Fritz Brun entstand 2002. Damals wandte sich Adriano an Hans Brun, den Sohn von Fritz Brun, mit dem Ersuchen um eine finanzielle Beteiligung an seinem Projekt. Dieser und in der Folge auch die Erbengemeinschaft Brun, heute vertreten durch den Enkel des Komponisten, Andreas Brun, habrn das ehrgeizige Unterfangen in den folgenden Jahren massgeblich unterstützt.

Das jetzt vorliegende Resultat darf sich sehen (und hören!) lassen: eine elf CDs umfassenden Gesamtaufnahme von Bruns Orchesterwerken. Zu den zehn Sinfonien kombinierte Adriano alle publizierten Brun-Werke, darunter die Rhapsodie für Orchester, die Sinfonische Dichtung Aus dem Buch Hiob, die Konzerte für Klavier mit Orchester und Violoncello mit Orchester. Dazu noch die Gesangszyklen 3 Lieder und Gesänge für Alt und Klavier von Othmar Schoeck (orchestriert von Fritz Brun) sowie Bruns 5 Lieder für Alt und Klavier – arrangiert von Adriano für Mezzosopran und Streichsextett.

Diese umfassende Würdigung ist eine einzigartige Tat, die es erlaubt, Bruns Schaffen als Ganzes kennenzulernen. Wie viele seiner komponierenden Zeitgenossen begann Brun in den Fussstapfen von Beethoven, Schumann, Bruckner und Brahms; eigenständig entwickelte er seinen Stil im Bereich der sich allmählich erweiternden Tonalität, ohne diese je in Frage zu stellen. Seine persönliche Musiksprache fand er schon 1901 in der ersten Sinfonie und blieb seinem Stil treu bis zur Zehnten, die er im Alter von 75 Jahren komponierte.

Charakteristisch für Bruns Stil sind die kammermusikalischen Strukturen, die den orchestralen Fluss auflockern und ihm Zeichnung geben, die fassbare Gestaltung grosser Sätze und die reiche spätromantische Harmonik. Besonders schön lässt sich das im ersten Satz der Fünften beobachten, die Brun selber als problematisch taxierte. In den Sätzen 2 und 4 gestaltet er virtuose Fugati mit Zwölftonthemen im freitonalen Raum, wie das auch Bartók und Hindemith gemacht haben.

Bereichert wird diese Publikation durch eine Aufnahme der Achten, die Fritz Brun 1946 als Dirigent mit dem Studio-Orchester Beromünster realisiert hat. Und die Variationen für Streichorchester und Klavier über ein eigenes Thema sind in einer Aufnahme durch das Collegium Musicum Zürich unter der Leitung von Paul Sacher und mit Adrian Aeschbacher aus demselben Jahr zu hören.

Fritz Brun: Complete Orchestral Works.
Moscow Symphony Orchestra, Bratislava Symphony Orchestra
Adriano, conductor
(11 CDs) Brilliant Classics 8968194

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