Entdeckungsreise

Aus dem avancierten und ausgedehnten Klavierwerk von Émile-Robert Blanchet stellt Karl-Andreas Kolly eine überzeugende Auswahl vor, hervorragend interpretiert.

Karl-Andreas Kolly. Foto: zVg

Der Pianist Karl-Andreas Kolly, Dozent an der Zürcher Hochschule der Künste, profiliert sich mit einer eigenwilligen CD-Reihe beim Label MDG. Dabei gelingen ihm bemerkenswerte Entdeckungen, etwa der Klaviermusik von Felix Blumenfeld oder der unterschätzten Klavierstücke von Josef Suk. Nun legt er die vierte Einspielung vor, einen sorgfältig ausgewählten Querschnitt durch die hochvirtuose Klaviermusik des Lausanner Pianisten Émile-Robert Blanchet (1877–1943).

MDG, das steht für ein möglichst authentisches, in keiner Weise manipuliertes Klangideal der Produzenten Werner Dabringhaus und Reimund Grimm. Dafür werden der Aufnahmeort und das Instrument individuell passend ausgesucht. Die Blanchet-CD wurde im Konzerthaus der Abtei Marienmünster aufgenommen, und zwar auf dem Steinway D «Manfred Bürki» aus dem Jahre 1901. Erstaunlich, wie gut man das originale Klangbild wahrnimmt: die mitschwingende Raumakustik und die Charakteristik des Flügels.

Émile-Robert Blanchet war ein brillanter Pianist und als solcher weltweit auf Tournee. Er pflegte enge Kontakte zu den ganz grossen Kollegen seiner Zeit, die Widmungen seiner Stücke zeugen davon: Robert Casadesus, Alfredo Casella, Clara Haskil, Charles-Marie Widor und viele andere. In Berlin und Weimar arbeitete er gar mit Ferruccio Busoni zusammen, wie sich dem kenntnisreichen Booklet-Text von Walter Labhart entnehmen lässt.

Blanchet war zudem bis 1917 Dozent am Lausanner Konservatorium, dem er vier Jahre auch als Direktor vorstand. Wohl deshalb hat er viele Präludien und Etüden für virtuose pädagogische Zwecke komponiert. Von ihm stammt auch das Buch Technique Moderne du Piano (Paris 1930), das bis zu polytonalen Arpeggien und stummem Anschlag vorstösst.

Kollys Auswahl aus Blanchets Zyklen an Préludes und Études ist dramaturgisch geschickt. Die Tempi und Spielanweisungen sind sehr genau angegeben, wie etwa «Vivace, leggiero» beim Prélude op. 10 Nr. 4. Kolly offenbart hier ein Leggiero von stupender Virtuosität und Transparenz. Auch der Variationenzyklus op. 13 lebt von einer markanten Spannkraft der Tempi, etwa im «Presto, ma distinto» oder im «Con intimo sentimento».

Interessant ist auch die zunehmende Komplexität und kraftvollere Sperrigkeit in den späteren Werken. Nehmen wir die Rhapsodie Turque (Mouharbè) op. 51, in der Blanchet seine persönlichen Reiseeindrücke verarbeitet. Kolly vermag die harmonischen Ballungen packend zu steigern, hält die schwebenden Klänge pedaltechnisch wunderbar sauber und weiss den rhapsodischen Bogen bei aller vertrackten Technik mit souveräner Übersicht zu gestalten. Einen engagierteren Fürsprecher für seine avancierte Klaviermusik hätte sich Blanchet nicht wünschen können.

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Tema con variazioni op. 13
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Étude op. 42
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Rhapsodie turque op. 51