Tierisch was los

Auf «Song of Beasts» beschäftigt sich das Ensemble Dragma mit fantastischen Kreaturen in mittelalterlichen Liedern.

Das Mittelalter hatte so seine Vorstellungen, was Mensch und Tier betrifft. Auf der neuen CD Song of Beasts des in Basel beheimateten Ensembles Dragma tummelt sich so allerlei: Singvögel, Drachen, Mäuse oder Einhörner. Farbenprächtig dargestellt sind sie in mittelalterlichen «Bestiarien», wertvollen Pergament-Büchern, in denen die Fabelwesen auch ausführlich beschrieben werden. Sie werden in so bedeutenden Archiven wie der British Library in London oder der Bibliothèque National in Paris aufbewahrt.

Die bunt verzierten Kreaturen haben eine enorme Ausdruckskraft. Sie werden deshalb in einem eigens für dieses Projekt kreierten Film gezeigt und sanft animiert. – Der exklusive Link dazu ist auf der CD aufgedruckt. Dieses Video passt ausgezeichnet zu den Liedern, die das Ensemble Dragma in Bibliotheken von Florenz, Lucca, Chantilly oder Paris zusammengetragen hat: ein faszinierender musikalischer Zoo voller Poesie.

Gruppiert sind die Lieder nach verschiedenen Tierarten: «Von Singvögeln aller Art», «Hör mich brüllen» oder «Viper, Skorpion & Basilisk». Die mittelalterlichen Schilderungen der Wesen sind jedoch voller religiöser und politischer Symbolik, entsprechend rätselhaft und poetisch wirken die Texte. Sie sind im Booklet in englischer Übersetzung zu entschlüsseln, im Film werden einige davon auch in eigentümlichem Mittelhochdeutsch gesprochen.

Dass im Ensemble Dragma drei profilierte Kennerinnen und Kenner der mittelalterlichen Spielpraxis am Werk sind, wird sogleich ohrenfällig. Sie offenbaren in diesen tierischen Welten eine lebendige und rhythmisch agile Musizierlust. Agnieszka Budzińska-Bennet, die ab und zu auch zur Harfe greift, singt mit weicher, gut fokussierter Stimme und schildert diese Fabelwesen sehr plastisch.

Sie wird von Jane Achtman auf der Fidel aufmerksam begleitet, gerade so, als singe sie eine zweite Vokalstimme. Als Dritter im Bunde sorgt Marc Lewon mit der Laute für eine agile Grazie. Lewon tritt auch als Sprecher und Sänger in Erscheinung: etwa im Madrigal Fenice fu von Jacopo da Bologna, in dem eine Frau erzählt, wie sie sich von einem Phönix in eine Turteltaube verwandelt. Budzińska und Lewon singen dieses Duett kraftvoll und ergreifend.

Im Kapitel «Von Fledermäusen und Mäusen» kann man sich den derben Humor des Mittelalters zu Gemüte führen. Das dreistimmige Stück über die Maus wird von den drei Ausführenden mit witzigem Charme vorgetragen. Die Maus ist unglücklich und hungrig und wünscht sich Wurst oder einen fetten Kapaun zum Abendessen. Die Beschreibung ihrer tatsächlichen Mahlzeit ist jedoch eher deprimierend: Schwarzbrot, Rettich und Saubohnen. Damit schliesst dieses bunte Kaleidoskop mittelalterlicher Kunst: Lebendiger kann man das nicht machen!

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Song of Beasts – Fantastic Creatures in Medieval Song. Ensemble Dragma : Agnieszka Budzińska-Bennett; Jane Achtman, Marc Lewon. Ramée RAM 1901

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