Böhmische Entdeckungen

Die Camerata Rousseau spielt Konzerte für Fagott und Oboe sowie eine Sinfonie von Jan Anton und Leopold Kozeluch, wobei die Zuschreibung der Werke an die beiden Cousins nicht immer klar ist.

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Dass die zwei Cousins von ihren Eltern den gleichen Vornamen Jan Anton erhielten, war im Nachhinein keine gute Idee: Beide zeigten Talent für die Musik und speziell für die Komposition, was zwingend zu Verwechslungen führen musste. Der neun Jahre später Geborene entschied sich als junger Mann, den Namen Leopold zu tragen. Die beiden Kozeluch – um sie handelt es sich nämlich – gehörten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und darüber hinaus zu den namhaftesten böhmischen Komponisten. Jan Anton bildete sich nach seinen Lehrjahren in der Heimat noch in Wien bei Gassmann, Gluck und Hasse weiter und machte sich später in Prag besonders als Komponist geistlicher Vokalwerke einen Namen.

Auch Leopold – nach Studien bei seinem Cousin und bei Duschek – vervollkommnete sein Talent in Wien, wo er vermutlich von Albrechtsberger unterrichtet wurde. Als Klaviervirtuose, Musiklehrer und Komponist hatte er bald durchschlagenden Erfolg. Das Angebot, Nachfolger von Mozart als Hoforganist in Salzburg zu werden, liess er unbeachtet. 1792 wurde er «Kammer Kapellmeister und Hofmusik Compositor» am kaiserlichen Hof in Wien, eine Position, die er bis zu seinem Tod 1818 innehatte. Es ist überliefert, dass er sich abschätzig über Haydn geäussert hat, und bekannt, dass er seinerseits von Mozart und Beethoven heftig kritisiert wurde. Trotz dieser persönlichen Animositäten, die heute eher amüsieren, ist unbestritten, dass er den Stil der Wiener Klassik entscheidend mitgeprägt hat. Noch sind aber grosse Teile seines riesigen Œuvres wiederzuentdecken.

Die CD vereint ein Fagott- und ein Oboenkonzert von Jan Anton und eine Sinfonie von Leopold Kozeluch sowie als Weltersteinspielung ein weiteres Fagottkonzert, das sowohl Leopold als auch seinem Cousin zugeschrieben wird (wobei die Verwirrung um die Namen auch auf das Cover durchschlägt). Die beiden Fagottkonzerte, durchaus unterschiedlich, sind attraktive Werke, in denen der Solist Sergio Azzolini auf einem Originalinstrument von ca. 1794 alle Facetten seines Könnens demonstrieren kann: eine ausdrucksstarke musikalische Rede, kantable Melodiebögen und technische Brillanz. Gleiches lässt sich auch über das Oboenkonzert in F-Dur mit dem hervorragenden Solisten Giovanni De Angeli sagen. Leopold Kozeluchs dreisätzige g-Moll-Sinfonie, um 1787 komponiert, ist wie die bekannteren Werke in dieser Tonart von Mozart, Haydn oder Vanhal ein hochexpressives, dramatisches Stück mit kühnen Harmonien und aufregenden dynamischen Kontrasten, das sofort in ganz Europa gespielt wurde.

Es ist ein Verdienst der Camerata Rousseau und ihres Leiters Leonardo Muzii, diese vier Werke, die allerdings schon 2016 aufgenommen wurden, auf einer neuen CD im besten Licht zu präsentieren. Das Orchester spielt engagiert, klangschön, differenziert und präzise. Sein Name bezieht sich auf den berühmten Genfer Philosophen, Dichter und Komponisten und erinnert daran, dass Musikerinnen und Musiker der Abteilung für Alte Musik der Genfer Musikhochschule es gegründet haben, um Kompositionen des 18. und 19. Jahrhunderts stilgerecht aufzuführen. In der Zwischenzeit ist es nach Basel weitergezogen, und es wirken auch Absolventen der Schola Cantorum Basiliensis mit. Besonders hervorzuheben ist der fundierte Booklettext von Karl Böhmer, der alles Wissenswerte über die beiden Komponisten und ihre Werke enthält.

Jan Anton Kozeluch (1738–1814) und Leopold Kozeluch (1747–1818): Concertos and Symphony. Sergio Azzolini, Fagott; Giovanni De Angeli, Oboe; Camerata Rousseau auf historischen Instrumenten; Leitung Leonardo Muzii. Sony classical 19439788202

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